Rätselhafte Protokolle
Da wäre zum Beispiel eine Aufsichtsratssitzung der Gesfö vom 8. Juli 2015: Die Ermittler fanden dazu ein unterschriebenes Protokoll, in dem ein einstimmiger Beschluss festgehalten ist, bestimmte Immobilien zu verkaufen. Das Protokoll dürfte in den Tagen nach dem Sitzungstermin entstanden sein. Das zeigen nicht nur die Meta-Daten der sichergestellten Computerdatei, sondern auch ein verschicktes E-Mail mit dem Protokoll im Anhang. So weit, so klar.
Dann fanden die Ermittler allerdings ein weiteres Protokoll zur bewussten Aufsichtsratssitzung. Dieses ist ebenfalls unterschrieben, wurde laut Meta-Daten aber zwei Monate später erstellt. In dieser Protokollversion fehlt der Beschluss über den Immobilienverkauf. Die Ermittler merken an: „Es besteht der Verdacht, dass der ursprüngliche Beschluss des Aufsichtsrates abgeändert wurde. Welchen Inhalt die AR-Sitzung vom 08.07.2015 tatsächlich hatte, kann nicht gesagt werden.“
Schein-Sitzungen?
Auch in Bezug auf die zweite Wohnbaufirma gibt es Auffälligkeiten. So heißt es in einem Aufsichtsratsprotokoll der Riedenhof, dass bezüglich bestimmter Liegenschaftsverkäufe Diskussionen stattgefunden hätten und das Thema auf die nächste Sitzung vertagt worden wäre. In einem Protokollentwurf für dieselbe Sitzung, dergemäß Meta-Daten etwa zwei Wochen später erstellt wurde, waren dann plötzlich umfangreiche Ausführungen zum Immobilienverkauf samt einem einstimmigen Aufsichtsratsbeschluss festgehalten. Dieser gesamte Tagesordnungspunkt war allerdings türkis unterlegt und mit der Anmerkung „ENTFÄLLT“ versehen. Als später das Protokoll per Mail verschickt wurde, fehlten sowohl der kurze Verweis aus der ersten als auch die lange Ausführung aus der zweiten Version. Der Beschluss zum Liegenschaftsverkauf war dafür dann im Protokoll einer anderen Aufsichtsratssitzung enthalten.
Was genau hinter diesem Herumgeschiebe stehen könnte, bleibt im Anlassbericht offen. Es gibt jedoch noch weitere Merkwürdigkeiten – und zwar in Bezug auf Aufsichtsratssitzungen der Riedenhof und der Gesfö vom 30. September 2015. Genauer gesagt: angebliche Aufsichtsratssitzungen. Am 18. November 2015 schickte der damalige Geschäftsführer der beiden Firmen die Protokolle zu diesen Sitzungen an die Aufsichtsräte mit dem Hinweis, dass diese vom Aufsichtsratsvorsitzenden „so unterzeichnet“ worden seien.
Das Bundeskriminalamt stieß jedoch auf ein E-Mail des Geschäftsführers vom 24. September 2015, in dem dieser den Aufsichtsräten geschrieben hatte: „(…) ich möchte Ihnen mitteilen, dass die angekündigten AR-Sitzungen der Riedenhof und der Gesfö am 30. September nicht stattfinden werden. Über den neuen Termin werden (sic) ich Sie rechtzeitig informieren und ich werde diesen Termin natürlich auch vorher mit Ihnen abstimmen.“ Die Ermittler halten im Anlassbericht fest, es bestehe „der Verdacht, dass zumindest die AR-Sitzungen, datiert mit 30.09.2015, von Riedenhof und Gesfö tatsächlich gar nicht stattgefunden haben“.
Tojner-Mitarbeiterin involviert
Protokolle zu Sitzungen, die es gar nicht gegeben hat? Ähnliches könnte – gemäß Erkenntnissen des Bundeskriminalamts – auch in Bezug auf eine außerordentliche Generalversammlung der Riedenhof Mitte 2015 der Fall sein. In der Generalversammlung sind nicht die Aufsichtsräte, sondern die Gesellschafter versammelt. Es ist so etwas wie die oberste Entscheidungsinstanz für grundlegende Firmenthematiken. Aufgrund vorliegender Korrespondenz und Protokolle besteht aus Sicht des Bundeskriminalamts jedoch der „Verdacht, dass diese a.o. (Anm.: außerordentliche) Generalversammlung nicht oder nicht in der Form stattgefunden“ hat.
Tojner schien damals weder als Gesellschafter noch als Aufsichtsrat und auch nicht als Geschäftsführer der Gesfö und der Riedenhof auf. Was hat das also mit ihm zu tun? Die WKStA hegt – kurz gesagt – den Verdacht, dass Tojner der tatsächliche wirtschaftliche Eigentümer der beiden Firmen gewesen ist und im Hintergrund die Fäden gezogen hat. In Zusammenhang mit mehreren der oben beschriebenen Protokolle findet sich übrigens der Name einer Mitarbeiterin von Tojners Firma Wertinvest in den Akten – meist, weil die Frau in die dazugehörige E-Mail-Kommunikation eingebunden war. Einmal scheint sie aber auch als „Contributor“ in den Meta-Daten eines Protokollentwurfs auf.
Wurden Protokolle von Gremiensitzungen zurechtgebogen, um den Umstand zu kaschieren, dass in Wahrheit der Milliardär die entsprechenden Entscheidungen getroffen hat? Beziehungsweise um die Protokolle möglichst günstig an die Abläufe im Aberkennungsverfahren bezüglich der Gemeinnützigkeit anzupassen?
„Aufgaben vollinhaltlich wahrgenommen“
„Nach den DDr. Michael Tojner vorliegenden Unterlagen haben die Organe der gemeinnützigen Gesellschaften – Geschäftsführung und Aufsichtsrat – und auch der Revisionsverband ihre Aufgaben vollinhaltlich wahrgenommen“, teilt Tojner-Anwalt Karl Liebenwein auf profil-Anfrage mit.
Die Einbindung der Wertinvest in Vorgänge bei der Riedenhof und der Gesfö versuchte Tojner in anderem Zusammenhang bereits früher im Ermittlungsverfahren zu relativieren. Damals war von einer „Managementtätigkeit der WertInvest-Gruppe“ die Rede – und dass diese die gemeinnützigen Wohnbaufirmen „betreut“ habe.
Dies spielt im Ermittlungsverfahren insbesondere in Bezug auf Liegenschaftsverkäufe der Gesfö und der Riedenhof eine nicht unbedeutende Rolle. Gemäß Verdachtslage sollen nämlich eine ganze Reihe von Immobilien weit unter ihrem Verkehrswert an Firmen verkauft worden sein, die ebenfalls Tojner zugerechnet werden. Durch die mutmaßlich unterpreisigen Verkäufe soll – kurz gesagt – die Berechnungsgrundlage für die Abschlagszahlung an das Land Burgenland reduziert worden sein.
Tojner bestreitet das vehement. Der Verkauf der Liegenschaften von Gesfö und Riedenhof habe erst nach dem „vom Land Burgenland in eigener Entscheidung durchgeführten Entzugsverfahren“ stattgefunden. Demnach sei dieser Verkauf „keinerlei Einschränkungen im Zusammenhang mit den Bestimmungen zur Gemeinnützigkeit“ mehr unterlegen.
Rechtliche Debatte
An dieser Stelle setzt im Ermittlungsverfahren eine diffizile rechtliche Auseinandersetzung rund um die Frage ein, auf welcher Basis die Abschlagszahlung eigentlich zu berechnen war. Die endgültige Festsetzung der Summe erfolgte erst Monate nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit und dem Verkauf der Liegenschaften. Faktisch wurden dafür die Bilanzen der Gesfö und der Riedenhof für das Jahr 2015 herangezogen, in welche die – gemäß Verdachtslage viel zu niedrigen – Verkaufspreise eingeflossen waren. Im Tojner-Lager vertritt man – stark verkürzt – jedoch offenbar die Ansicht, dass nach damaliger Gesetzeslage für die Berechnung der Zahlung die Verkäufe gar keine Rolle spielen hätten dürfen. Ausschlaggebend wäre hingegen einzig und allein eine eigene Bewertung durch das Land zum Stichtag des Entzugs der Gemeinnützigkeit gewesen.
Die Ausgleichszahlung an das Land sei „angemessen und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaften angepasst“ gewesen, teilt Liebenwein mit. Er ortet einen „Gutachterstreit“ um bestimmte Vorfragen der Liegenschaftsbewertung.
profil fragte auch beim damaligen Aufsichtsratschef und beim ehemaligen Geschäftsführer der Gesfö und der Riedenhof sowie bei Wertinvest-Mitarbeitern nach. Alle gaben an, sich im laufenden Ermittlungsverfahren nicht öffentlich äußern zu wollen. Sie bestreiten jedoch alle Vorwürfe vehement.
Millionendifferenz
Was die Ermittler jedenfalls stutzig macht, sind die Preise, zu denen die mutmaßlichen Tojner-Zwischenfirmen die Immobilien, die ursprünglich von Gesfö und Riedenhof stammten, dann weiterverkauften. Ein Wirtschaftsexperte der WKStA fasste zuletzt in einem Bericht zusammen, dass sich allein in Bezug auf fünf Liegenschaften ein Plus von insgesamt rund 17,9 Millionen Euro ergeben habe. Abzüglich der Nebenkosten könne man davon ausgehen, dass der Veräußerungsgewinn aufseiten der Zwischenfirma bei rund 17 Millionen Euro lag.
Auf Käuferseite agierte ein prominenter Wiener Immobilieninvestor – und das nicht zum ersten Mal. Eine Firma aus seinem Einflussbereich hatte bereits mehrere Jahre zuvor neun Immobilien von einer mutmaßlichen Tojner-Firma gekauft. Auch diese stammten ursprünglich von einer gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft – nämlich von „Buntes Wohnen“, später: „Pannonia“. In diesem Fall soll die Preisdifferenz
10,4 Millionen Euro betragen haben. Der Käufer wurde zuletzt als Zeuge befragt und sagte, er könne sich die Diskrepanz „nur teilweise erklären“. Auch in Bezug auf die „Pannonia“ ermittelt die WKStA.
Tojner-Anwalt Liebenwein argumentiert, der Verkehrswert könne vom Kaufpreis abweichen: insbesondere, wenn Verkaufsbeschränkungen nach dem Entzug der Gemeinnützigkeit wegfallen. Auch würden sich aus durchgeführten Projektentwicklungen Wertsteigerungen ergeben, was im konkreten Fall durch Gutachten belegt sei. Die Vorwürfe seien „substanzlos und aus der Luft gegriffen“.
Eines steht fest: Das umfangreiche Ermittlungsverfahren dürfte noch lange nicht zu Ende sein. Man darf gespannt sein, was noch alles zutage tritt.