INVESTIGATIV

China und Österreich: Die Drachen-Flieger von Diamond Aircraft

Ein Kleinflugzeug-Hersteller aus NÖ befindet sich seit 2017 in chinesischer Hand. Die neuen Eigentümer sind eng mit der kommunistischen Partei verbandelt. In Chinas Nachbarland Myanmar soll Diamond Aircraft ein hoch umstrittenes Projekt gestartet haben.

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Längst haben chinesische Investoren ihre Blicke nach Österreich gerichtet. Ein offenbar besonders begehrter Bereich: die strategisch wichtige Luftfahrttechnik. So befindet sich etwa der oberösterreichische Flugzeugzulieferer FACC bereits seit 2009 mehrheitlich im Besitz des staatlichen Luftfahrtkonzerns AVIC. Aber es gibt noch ein zweites prominentes Beispiel: 2016 und 2017 erfolgte stufenweise die Übernahme des führenden Kleinflugzeug-Herstellers „Diamond Aircraft“ aus Niederösterreich durch einen Konzern aus China, der eigentlich mit der Produktion von Autoteilen groß geworden ist. Das klingt vorerst unverdächtig, was eine allfällige politische Einflussnahme anbelangt. Aber wer steckt wirklich hinter dieser „Wanfeng Auto Holding Group“? Die Antwort auf diese Frage führt direkt ins Umfeld der kommunistischen Partei Chinas.


Bereits Ende 2016 sicherte sich Wanfeng über eine Holding-Firma in Großbritannien 60 Prozent der Anteile an Diamond-Aircraft-Tochterfirmen in Kanada. Ein Jahr später erfolgte dann die vollständige Übernahme des Rests der Unternehmensgruppe. Insgesamt weit mehr als 300 Millionen US-Dollar dürften die Investoren aus dem Reich der Mitte dafür auf den Tisch gelegt haben, wie sich aus Angaben im britischen Firmenbuch schließen lässt.

Die Frau, die das Sagen hat

Dort findet sich jedoch noch ein weiterer spannender Hinweis: Im Unterschied zu Österreich ist im britischen Unternehmensregister öffentlich einsehbar, welche Personen ganz am Ende komplexer Eigentümerstrukturen einen maßgeblichen kontrollierenden Einfluss ausüben. Bei der britischen Holding-Firma, die ihrerseits hundert Prozent der Geschäftsanteile von Diamond Aircraft hält, ist genau eine Person angeführt: Ailian Chen aus China, Mitbegründerin und Vorstandsvorsitzende der Wanfeng-Gruppe. Laut britischem Firmenbuch kontrolliert sie zwischen 25 und 50 Prozent der Anteile.

Hochrangiges Mitglied der kommunistischen Partei

Aber wer ist diese Ailian Chen eigentlich? Ein Blick auf die Internet-Seite von Wanfeng Auto offenbart interessante biografische Details. So ist die reiche Unternehmerin aufs Engste mit der kommunistischen Partei Chinas verbandelt. Sie gilt nicht nur als hochrangiges Mitglied, sondern hat bereits im Jahr 2007 als Repräsentantin am Nationalkongress der Partei teilgenommen. Von 2013 bis 2018 fungierte sie als Abgeordnete zum 12. Nationalen Volkskongress. Das ist so etwas wie das chinesische Parlament, das praktisch alles abnickt, was die autoritär-kommunistische Führung wünscht.

Beste Beziehungen zur Führung

Doch die politische Nähe zu den Kommunisten ist bei Ailian Chen offenbar nicht nur Privatsache – sie erstreckt sich auch auf ihr Unternehmen. Die Wanfeng-Gruppe, zu der seit 2017 auch Diamond Aircraft gehört, verfügt offenbar über ein eigenes Parteikomitee. Auf der Firmenwebsite ist stolz festgehalten, Wanfeng habe beschlossen, zwei von der Provinzregierung vorgeschlagene Ziele zu erfüllen: die Entwicklung des Unternehmens und der kommunistischen Partei Chinas zu stärken. Ein eigener Teil der Internetseite widmet sich der fotografischen Dokumentation bester Beziehungen zu Führungskadern auf verschiedenen Partei- und Regierungsebenen. Ganz voran steht ein Bild, auf dem Ailian Chen Seite an Seite mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping zu sehen ist.

„Nationalen Verteidigungsproduktion“

Offenbar fühlt sich Wanfeng stark dem Wohle der eigenen Nation verpflichtet. Auf der Website heißt es, man entwickle das Geschäftsmodell von Autoteilen unter anderem in Richtung High-Tech-Militärindustrie weiter. Der Internetseite der Luftfahrtsparte „Wanfeng Aviation“ wiederum ist zu entnehmen, dass sich das Unternehmen verpflichtet sieht, auch zur „nationalen Verteidigungsproduktion“ („national defense construction“) beizutragen. Bebildert ist dieser Textabsatz mit dem Foto eines Flugzeugs von Diamond Aircraft.

Die Spur nach Myanmar

Wem fühlt sich Diamond Aircraft mehr verbunden, wenn sich die politischen Spannungen weiter verstärken – China oder Europa? Der Lakmustest könnte ein hochumstrittenes Projekt sein, das die Flugzeugfirma mit Hauptsitz in Wiener Neustadt in den vergangenen Jahren in Myanmar gestartet haben soll. Das Nachbarland Chinas, das auch „Burma“ genannt wird, steht seit langem wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Im Februar 2021 putschte sich dann eine Militärjunta an die Macht. Während die EU Sanktionen verhängte, signalisierte China den neuen Machthabern Unterstützung.

Informationen der Organisation „Justice for Myanmar“, die profil einsehen konnte, deuten darauf hin, dass Diamond Aircraft zumindest in der Zeit vor dem Coup mit dem burmesischen Militär zusammengearbeitet hat, wobei die Geschäftsbeziehung formell über eine Zwischenfirma namens Miya Win International Ltd. abgewickelt wurde. Ziel des Projekts war es demnach, Trainingsflugzeuge des Typs DART-450 in Myanmar zu endfertigen, wobei die Flugzeuge letztlich auch der Überwachung aus der Luft dienen könnten. Zumindest im Jahr 2019 sollen Mitarbeiter von Diamond Aircraft in Myanmar gewesen sein, um in Anwesenheit von Militärangehörigen dabei behilflich zu sein, das erste Flugzeug zusammenzubauen und zu testen. Dieses soll farblich in militärischem Grau gehalten und mit den Insignien der burmesischen Luftwaffe versehen gewesen sein. Die Fertigung weiterer Flugzeuge sei geplant gewesen. Dann soll das Projekt wegen der Corona-Pandemie jedoch zum Stillstand gekommen sein.

Waffenembargo der EU

Dies alles unabhängig zu überprüfen, ist schwierig, so lange in einem Land die Machthaber einen Bürgerkrieg gegen Oppositionskräfte führen, wie das seit 2021 in Myanmar der Fall ist (übrigens auch mittels Luftangriffen). profil hat Diamond Aircraft mit zahlreichen Details konfrontiert, welche das Unternehmen mit Verweis auf Vertraulichkeitsverpflichtungen zwar nicht bestätigt, aber auch nicht bestritten hat. Für die grundsätzliche Existenz eines derartigen Projekts gibt es Hinweise, die öffentlich zugänglich sind: Die Zeitung „Die Presse“ berichtete bereits im Jahr 2021 über einen Besuch des burmesischen Generals Min Aung Hlaing im April 2017 bei Diamond Aircraft in Wiener Neustadt, wobei der mögliche Zweck damals offen blieb. Das von Exil-Burmesen gegründete, junta-kritische Online-Portal „The Irrawaddy“ erwähnte das DART-450-Projekt im Februar 2023 in einem Artikel.

Nun stieß profil allerdings auf eine mögliche Spur, die aus der Sphäre von Diamond Aircraft selbst stammt. Dabei geht es um die mutmaßliche Zwischenfirma, über welche die finanziellen Angelegenheiten des Projekts gelaufen sein sollen: die Miya Win International Limited. Per Ende 2020 – jenes Jahr, in dem das Projekt in Myanmar coronabedingt zum Stillstand gekommen sein soll – verbuchte Diamond Aircraft in seinem Jahresabschluss eine Rückstellung von 168.973,02 Euro unter dem Titel „RST Miya Win“. Das Unternehmen gab auf Anfrage zum Hintergrund dieser Rückstellung keine Auskunft. Sofern es sich tatsächlich um die Miya Win International Limited handelt, ist festzuhalten, dass diese Firma 2022 in Großbritannien auf der Sanktionsliste landen sollte: weil sie zumindest seit 2017 Deals vermittelt habe, um die Luftwaffe von Myanmar mit Flugzeugen zu versorgen. Bereits vor dem Coup im Februar 2021 bestand übrigens ein Embargo der EU für Waffenlieferungen und die Lieferung sogenannter Dual-Use-Güter an militärische Endnutzer in Myanmar.

Kritik von Demokratie-Aktivisten

Yadanar Maung, Sprecher der Organisation „Justice for Myanmar“, welche sich für Demokratie in Myanmar einsetzt, übt heftige Kritik an Österreich: Er ortet ein „schockierendes Versagen“ der österreichischen Regierung bei der Umsetzung des EU-Waffenembargos. Diesbezüglich zeichne sich ein Muster ab. Österreich solle konkrete Schritte setzen, Transfer von Ausrüstung an die Junta zu verhindern. Hier findet sich eine detaillierte Aussendung von „Justice for Myanmar“.

„Halten sämtliche Gesetze ein"

Was sagt Diamond Aircraft zu alldem? Auf Anfrage betont das Unternehmen allgemein, man produziere Flugzeuge, die „ausschließlich für den zivilen Bereich konzipiert“ würden. Das Unternehmen agiere „unter Einhaltung sämtlicher Gesetze, Regularien und Maßnahmen, die auf nationaler und internationaler Ebene bei (Export-)Geschäften gelten“. Politische Überlegungen, „seien es chinesische oder andere, sind bei uns weder Thema noch Teil etwaiger Beurteilung, um unsere strategischen Firmenziele zu erreichen“.  Es sei „unabdingbar“, Exportrestriktionen auf allen möglichen Ebenen einzuhalten. Man halte sich „vollumfänglich an alle einschlägigen Vorgaben“, welche bereits vor Aufnahme eines Projekts geprüft würden. Man beobachte jedoch auch das Umfeld für laufende Projekte und reagiere auf Änderungen. Bezüglich Myanmar, stelle sich für Diamond Aircraft „die Frage nach einer Geschäftsbeziehung“ daher nicht.

Dass Geschäfte in Myanmar für Diamond Aircraft auch früher nicht in Frage kamen, darf freilich bezweifelt werden.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).