FPÖ-Chats: „Wochenblick, unzensuriert und Alles Roger bitte inserieren!”
Neben der ÖVP steht nun auch die FPÖ im Verdacht, Steuergeld von Ministerien missbraucht zu haben, um sich positive Berichterstattung in der Mediengruppe „Österreich“ zu kaufen. Die Ermittlungen stehen erst am Anfang, für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung. Neue Chats zeigen, wie offensiv die Freiheitlichen öffentliche Inseratengelder zu Rechtsaußen-Medien wie „Wochenblick“, „unzensuriert“, „Info-DIREKT“ und „Alles Roger“ gelenkt haben – und sich im Gegenzug bedingungslose Loyalität erwartet haben.
Die rechten Magazine und Portale standen der FPÖ zwar ohnehin sehr nahe, aus den Chats geht aber hervor, dass sie nicht immer zu 100 Prozent auf Parteilinie waren. Daher gaben freiheitliche Spitzenpolitiker – einige von ihnen sind nach wie vor im Amt – eine unmissverständliche Losung für die freiheitlich geführten Ministerien aus: Nur wenn die Medien „im Sinne der FPÖ“ berichten, soll es Inserate geben. An einer Stelle ist sogar davon die Rede, dass zuerst die Berichterstattung der Medien abgewartet werden solle, bevor es öffentliche Gelder gibt. Eines der Blätter wollten die blauen Granden „dünsten” lassen, weil es gewagt hatte, die FPÖ zu kritisieren.
Und noch eine Forderung wurde in der blauen Chatgruppe laut: Wenn eines der Medien die rechtsextreme „Identitäre Bewegung” unterstützt, solle es keine Inserate mehr bekommen, gab der damalige Infrastrukturminister Norbert Hofer im Frühjahr 2019 eine harte Linie aus. Der Grund: „Die [Identitären] werden sicher gegen uns kandidieren.”
„Identitäre“ Spalter
Die Chats, über die das „Ö1-Mittagsjournal“ und die „Krone“ bereits in Auszügen berichtet hatten, spielen im April 2019, einen Monat vor der Ibiza-Affäre. Es war eine andere Zeit. Die FPÖ saß in der Regierung und sah in der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ (IB) noch keine „NGO von rechts“ (Zitat: der aktuelle FPÖ-Chef Herbert Kickl), im Gegenteil: Die Parteispitze war bemüht, sich vom rechtesten Rand zu distanzieren. Man trachtete schließlich danach, als regierungs- und salonfähig zu gelten. Doch nicht alle Medien, die der FPÖ traditionell nahestehen, wollten mitspielen.
Mitte April 2019 echauffierte sich etwa der damalige Verkehrsminister Norbert Hofer in einer Chatgruppe mit dem damaligen Innenminister Herbert Kickl, FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker und dem damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache über einen Artikel des FPÖ-nahen Portals „unzensuriert“: Der Zustrom zur „Identitären Bewegung“ sei trotz der öffentlichen Distanzierung durch die türkis-blaue Regierung „ungebrochen“, stand dort zu lesen.
Norbert Hofer fürchtete durch den Text Ungemach. Immerhin wird „unzensuriert” von einem langjährigen Mitarbeiter des FPÖ-Parlamentsklubs betrieben. Das „werden unsere Kritiker wohl auch so recherchieren“, fürchtete Hofer. FPÖ-Nationalrat und Mediensprecher Christian Hafenecker schaltete sich ein:
Hofer sorgte sich dennoch, dass eine aufmerksame Journalistin die Geschichte auf „unzensuriert“ gesehen haben könnte. Tatsächlich postete er am folgenden Tag einen Ausschnitt aus der Tageszeitung „Österreich“ in die Gruppe. Darin berichtet die Journalistin Isabelle Daniel über den Artikel und die Löschung. Letzter Satz des Textes: „Dass der Pro-Identitären-Artikel gelöscht wurde, hatte offenbar mit einer FP-Anweisung zu tun.“
Es gebe auf „unzensuriert” „vermutlich genauso viele oder wenige Interventionsversuche bzgl. diverser Berichterstattung wie bei Ihnen [bei profil, Anm.]”, teilt das „Redaktionskollektiv” des Mediums auf Anfrage mit, und: „Zum angesprochenen Artikel ist mir keine Intervention in Erinnerung”. Grundsätzlich würden Artikel dann offline gestellt, wenn sie den Qualitätsansprüchen nicht genügen, so das „Kollektiv”.
„Info-DIREKT” dünstet
Die FPÖ-Unterstützung für die rechten Medien geriet im Frühjahr 2019 öffentlich unter Beschuss. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) musste sich bei einer Fragerunde im Bundesrat für die rechtsextremen Kontakte seines Koalitionspartners FPÖ rechtfertigen. In einigen der genannten Medien hatten immer wieder führende Kader der Identitären publiziert. Kurz ging in die Offensive und forderte die Blauen zu einem Inseraten-Stopp auf: „Schaltungen in rechts- sowie linksextremen Publikationen lehne ich in aller Deutlichkeit ab.”
Innerhalb der FPÖ-Regierungsriege sorgte die Aussage für Verunsicherung, einige dürften der Kanzler-Forderung gefolgt sein. FPÖ-Generalsekretär Hafenecker, der seit Jahren als Verbindungsglied zwischen den Freiheitlichen und den rechten Medien fungiert, bettelte seine Parteifreunde an, weiterhin öffentliche Gelder an die rechten Medien zu lenken.
Rechte Regierungsinserate
Zuckerbrot und Peitsche – dieses Prinzip praktizierte die FPÖ auch mit ihr nahestehenden Medien: Wer brav entlang der Parteilinie berichtete, steigerte die Chancen auf Inserate aus FPÖ-geführten Ressorts. Wer sich zu viel „journalistische“ Freiheit nahm, wurde offenbar ausgegrenzt. Haben die FPÖ-Politiker wirkliche öffentliche Gelder aus Ministerien an die Bedingung geknüpft, dass die Medien positiv Bericht erstatten? Die Chats deuten jedenfalls darauf hin.
Christian Hafenecker und Heinz-Christian Strache ließen Anfragen von profil unbeantwortet. Die WKStA verweist darauf, dass sie gegen Kickl, Hofer und Strache auf Anweisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien bereits wegen mutmaßlicher Inseratenkorruption in Zusammenhang mit der Mediengruppe „Österreich” ermittelt. Die Chats zu „Wochenblick”, „unzensuriert”, „alles roger?” und „Info-DIREKT” dürften derzeit nicht Gegenstand von Ermittlungen sein, wie auch Norbert Hofers Anwalt auf Anfrage bestätigt, der allerdings auf konkrete Nachfragen zu den profil vorliegenden Chatverläufen nicht antwortet. Zum Themenkomplex Inserate gäbe ab es keine weitere Stellungnahme, außer: „Die WKStA wollte auf Basis des Sachverhalts gar kein Ermittlungsverfahren einleiten. Dies geschah nur auf Weisung der OStA Wien. Die Vorwürfe, die nun auf Wunsch der OStA Wien verfolgt werden, werden entkräftet und wir sind zuversichtlich, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird.“
Messbare Werte
Lange galt der „Wertekatalog“ der Freiheitlichen nicht. Ein Monat nach den Chats veröffentlichten „Spiegel“ und „Süddeutsche Zeitung“ das Ibiza-Video, und die türkis-blaue Koalition war Geschichte.
In den rund eineinhalb Jahren blauer Regierungsbeteiligung flossen dennoch mehr als 100.000 Euro an Steuergeld aus FPÖ-geführten Ministerien an rechte Medien, zeigt eine Anfragenserie der SPÖ-Abgeordneten Sabine Schatz. Der Großteil der staatlichen Inserate lag unter 5000 Euro pro Quartal und schlug daher nicht in der Transparenzdatenbank auf.
Kommen die Freiheitlichen in die nächste Regierung, können sie nicht mehr in „alles roger?“ und „Wochenblick“ schalten. Die beiden Medien wurden eingestellt. Schon heute wirbt die FPÖ allerdings in „unzensuriert“. Auch mit „Info-DIREKT“ dürfte sich die FPÖ-Führung vertragen haben: Die Website ist vor der EU-Wahl voll mit FPÖ-Inseraten, die Artikel ganz auf blauer Linie.
Das Regierungs-Aus der Freiheitlichen tat der engen Kooperation zwischen FPÖ und rechten Medien also keinen Abbruch. Hafenecker erklärte vor Abgeordneten der AfD Ende 2020: Man sei nicht mehr auf Journalisten angewiesen: „Bei den neuen Medien (...) gibt es strukturierte Vorgehensweise. Das heißt, wir haben regelmäßige Treffen mit den Chefredakteuren dieser Medien und Plattformen und das ist institutionalisiert. Das heißt, man versucht sich wirklich gegenseitig zu helfen.“
Offenbar auch mit öffentlichen Geldern.