Um welche Narrative geht es da?
Haijawi-Pirchner
Wenn man sich die Kampagnen in Österreich anschaut, geht es immer um zwei Kernbotschaften. Erstens: Man will Unmut gegen Regierungen in ganz Europa erzeugen. Auf vielen Ebenen wird mit Narrativen gearbeitet, die vermitteln sollen, dass die Regierungen unfähig sind, Europa zu bewirtschaften – das geht zugunsten Putins. Zweitens: Die Unterstützung für die Ukraine soll gebrochen werden. Für die Ukraine ist es wichtig, weiter Solidarität zu haben. Wenn diese in den westliche Gesellschaften aber kippt, hat Russland sein Ziel erreicht.
Wem hilft das? International aber auch hierzulande.
Haijawi-Pirchner
Die Profiteure von Desinformation sind die russlandfreundlichen Parteien in Europa. Russland selbst. Es spielt aber auch anderen extremistischen Organisationen und nicht-staatlichen Akteuren in die Hände, die die demokratische Grundordnung destabilisieren und ihre verfassungsgefährdende Anschauungen und Meinungen verbreiten wollen.
Wie groß ist das Phänomen und wie gefährlich? Kann man etwas zum Impact sagen?
Haijawi-Pirchner
Der Impact ist schwer zu messen, kann aber durchaus schwerwiegend sein. Das Internet ist groß, da kann man schnell mit wenig Mitteln viele Menschen erreichen – und man sieht immer wieder, dass es dann auch zu konkreten Handlungen kommt. Erst vor Kurzem kam es in Großbritannien wegen Falschmeldungen rund um einen Mord zu offenen, ausländerfeindlichen Ausschreitungen.
Profil hat gerade eine große Story zu russischer Desinformation gemacht – auffällig ist die sogenannte Doppelgänger-Kampagne. Eine russische Trollfabrik hat Webseiten von Medien wie Spiegel oder Süddeutsche kopiert. Hat es sowas hierzulande auch gegeben?
Haijawi-Pirchner
Unseren Informationen nach wurde kein österreichisches Medium kopiert – aber viele Deutsche und wir befinden uns in einem gemeinsamen Sprachraum.
Was ist mit dem Iran? Der hat bei den Wahlen in den USA mitgemischt – wie es ausschaut zugunsten der Demokraten.
Haijawi-Pirchner
Der Iran ist sicher nicht so aggressiv wie Russland, wir sehen aber durchaus, dass er daran arbeitet, sein Image zu verbessern – etwa, um Sanktionen zu lockern. Hierzulande tut sich da weniger – das hat einen praktischen Grund. Österreich ist für den Iran nachrichtendienstlich gesehen ein Rückzugsland. Würde man hier zu aktiv, würde man Aufmerksamkeit bekommen, die der Iran nicht brauchen kann.
Welche Maßnahmen ergreift die DSN gegen Desinformation konkret?
Haijawi-Pirchner
Wir decken auf und ergreifen Gegenmaßnahmen. Eine sehr wichtige, ist Transparenz. Darum schreiben wir Bericht, die derartiges Vorgehen publik machen. Wir haben teilweise auch eine sehr gute Zusammenarbeit mit sozialen Medien, wenn es behördliche Löschungsanordnungen gibt – andere kooperieren aber gar nicht. Da braucht es mehr Druck – das geht eher von EU-Ebene. Wir zeigen auch immer wieder an, dann ist die Justiz am Zug.
Hat die DSN genug Befugnisse, um sowas ordentlich zu überwachen?
Haijawi-Pirchner
Gerade im technischen Bereich bräuchten wir bessere Befugnisse – ich rede nicht nur von Messengerüberwachung. Da geht es etwa um die Rückverfolgung von IP-Adressen, was in Österreich kaum möglich ist. Wenn ich nicht herausfinden kann, wer und wo der Ursprung von Desinformation ist, wird es schwierig jene, die dafür verantwortlich sind, zu belangen.
Abgesehen von Gesetzen, was braucht es gesellschaftlich gesehen, um hier mehr Resilienz zu entwickeln?
Haijawi-Pirchner
Auf jeden Fall Hausverstand. Man soll Informationen bewusst aufnehmen, sich über Urheber und Quelle Gedanken machen, das kritisch hinterfragen. Quellen vergleichen. Hinsichtlich der Wahl haben wir Vorsorge getroffen. Auf den Webseiten der DSN, BMI oder des Bundeskanzleramts gibt es ein Tutorial, wie man sich darauf vorbereiten kann, wie man Desinformation erkennt und sich davor zu schützen kann. Wer noch mehr Informationen haben will, der kann das im Verfassungsschutzbericht 2023 nachlesen.