Geister-Villen mit Russland-Bezug: Nun droht der Abriss
Es ist ein Anblick, der so gar nicht in das – ansonsten streng auf Perfektion getrimmte – Erscheinungsbild des Luxus-Wohnparks „Fontana“ im niederösterreichischen Oberwaltersdorf passen will. Eigentlich wacht eine Firma des Investors Siegfried Wolf, der wichtige Teile des Areals inklusive Golfplatz gehören, penibel auf die Optik der Retortensiedlung. In strikten „Bebauungsvorgaben“ ist vieles normiert: von der Vorgarten-Tiefe über die Farbe des Daches bis hin zur Höhe des Zauns. Doch nun trübt eine unansehnliche Baustelle den schönen Schein.
Zwei große, aber unfertige Villen schlummern eingerüstet vor sich hin. Ein Nebengebäude, das als Personalunterkunft geplant ist, steht bisher ebenfalls nur als Rohbau da. Anstelle gepflegter Gärten wuchert hinterm Bauzaun das Unkraut. Ungefähr dort, wo in den Präsentationsunterlagen zu dem hochtrabenden Millionenprojekt ein Pool eingezeichnet wurde, liegt jetzt rostiger Baustahl herum.
Lange „Sommerpause“
Dass auf der Baustelle schon länger nichts weitergegangen sein dürfte, ist offensichtlich: Am Zaun sind Schilder mit dem Hinweis angebracht, das Projekt sei in der „Sommerpause“ und würde „vorübergehend“ ruhen. Der Sommer ist freilich lange vorbei. Den Schildern – mit Folie ummantelte Papier- oder Kartonblätter – sieht man überdeutlich an, dass sie nicht erst seit einigen Tagen dort hängen. Von den Ecken her hat sich die Feuchtigkeit großflächig unter der Folienschicht ausgebreitet und hässliche Flecken gebildet.
Fund in den „Pandora Papers“
profil und ORF berichteten bereits im April 2022 über das Bauvorhaben. Damals wurde dort noch fleißig gearbeitet. Rätsel gab indes die intransparente Eigentümerstruktur des Villen-Projekts auf. In den „Pandora Papers“ – geleakte Datensätze großer Treuhand-, Anwalts- und Dienstleistungsunternehmen, die auf die Gründung und Administration von Offshore-Firmen spezialisiert sind – fanden sich jedoch Spuren, die geradewegs in den Machtzirkel von Wladimir Putin führten.
Die „Pandora Papers“ werden vom „International Consortium of Investigative Journalists“ gemeinsam mit Partnermedien auf der ganzen Welt ausgewertet. In Österreich sind profil und ORF beteiligt – und diese stießen bezüglich des Fontana-Projekts auf eine Connection zu einem gewissen Kirill Androsov. Der russische Geschäftsmann und Manager war von 2008 bis 2010 stellvertretender Stabschef von Wladimir Putin, der damals die Funktion des russischen Premierministers bekleidete.
Connection zu sanktioniertem Bankchef?
Die „Pandora Papers“ deuten darüber hinaus auf eine mögliche Involvierung Androsovs in finanzielle Angelegenheiten der Familie von Herman Gref hin. Der mächtige Vorstandsvorsitzende der vom Kreml kontrollierten Sberbank ist wiederum mit Siegfried Wolf bestens bekannt. Und dessen Fontana Sportveranstaltungs GmbH (94 Prozent gehören Wolf, fünf Prozent seiner Ehefrau und ein Prozent seiner Familienstiftung) regelt nicht nur Bebauungsdetails im Luxus-Wohnpark, sondern hat im August 2020 selbst die Grundstücke für das Villen-Projekt verkauft. Das Magazin „trend“ berichtete später ohne Angabe von Quellen, dass Gref in Fontana Grund erworben haben soll – gemeint war offensichtlich genau dieser Bauplatz.
Eine Involvierung des Bankers wäre mittlerweile heikel. Grefs Name findet sich seit April 2022 auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Zufall oder nicht: Einige Zeit, nachdem profil und ORF ihre Recherchen veröffentlicht hatten, änderte sich die Eigentümerstruktur in Bezug auf das Bauvorhaben.
Die Villen wurden auf zwei nebeneinander liegenden Grundstücken geplant. Gemäß Grundbuch gehört eines davon einer österreichischen GmbH, das andere einer liechtensteinischen AG, wobei sich hier gewisse Verflechtungen zeigen. Die GmbH selbst stand ihrerseits zunächst im Eigentum einer weiteren Firma aus Liechtenstein, die jedoch bis Ende 2019 in Luxemburg registriert gewesen war. Zu jener Zeit schien als Alleinaktionärin eine Limited auf der Karibikinsel Saint Vincent auf, die – gemäß „Pandora Papers“ – zumindest knapp zuvor einer Familienstiftung Androsovs zurechenbar war.
Neue Eigentümerstruktur, rascher Verkauf
Diese schwindelerregende Struktur wurde nun deutlich abgeschlankt. Anfang Juli 2022 übernahm eine Einzelperson die Anteile an der österreichischen GmbH – ein Mann mit Adresse in Luxemburg und litauischem Reisepass. Derselbe Mann wurde zudem im August 2022 im liechtensteinischen Firmenbuch als Alleinaktionär jener AG vermerkt, welche das zweite Fontana-Grundstück ihr Eigen nennt.
Indes wurde augenscheinlich der Plan gefasst, mit dem unfertigen Villen-Projekt rasch Kasse zu machen. Eine Wiener Maklerfirma bot in den vergangenen Monaten einerseits die Häuser als Rohbauten feil – die eine Villa für 9,5 Millionen Euro, die andere (inklusive Nebengebäude) für zehn Millionen Euro. Andererseits wurde bis zuletzt auch ein „einzigartiger Baugrund im Golfclub Fontana“ angepriesen, dessen Fläche auf den Quadratmeter genau jener der beiden Liegenschaften entspricht – für rund 16,6 Millionen Euro und mit dem bemerkenswerten Beisatz: „Die auf den Grundstücken befindlichen Häuser werden vom Verkäufer abgetragen und entfernt.“
„Geschäftsmodell optimieren“
Die wuchtigen Rohbauten weisen eine Nutzfläche von insgesamt rund 1900 Quadratmetern auf. Warum baut man diese nicht einfach fertig? profil wollte vom neuen Eigentümer der Besitzgesellschaften wissen, ob dies eventuell etwas mit den Russland-Sanktionen zu tun haben könnte, und hat ihm eine umfassende Anfrage übermittelt. In einer englischsprachigen Stellungnahme betonte der Mann, er agiere in Bezug auf die Grundstücke nicht für dritte Personen. Er habe die Anteile an der österreichischen GmbH und an der liechtensteinischen AG aus einer unternehmerischen Initiative heraus übernommen – mit der Idee, das Geschäftsmodell zu optimieren und potenzielle Erlöse zu maximieren. Derzeit erkunde er in diesem Zusammenhang mehrere Optionen.
Gut möglich, dass bei dieser Erkundung auch Siegfried Wolf beziehungsweise die Fontana Sportveranstaltungs GmbH eine Rolle spielen werden. Die Firma verfügt laut Grundbuch nämlich über ein Vorkaufsrecht. Übt sie dieses aus, kann sie die Liegenschaften zurückerwerben – und zwar ungünstigstenfalls zum Preis aus dem Jahr 2020. Das waren insgesamt 9,1 Millionen Euro. Sollte der Grund nun tatsächlich für 16,6 Millionen Euro vermarktbar sein, tun sich da potenziell neue Geschäftschancen auf – auch für Wolf. Weshalb wurde 2020 um so viel weniger verlangt? Ein Freundschaftspreis? Weder Wolf noch die Fontana Sportveranstaltungs GmbH wollten dazu eine Stellungnahme abgeben.
Karibik-Firma für „Management-Dienstleistungen“
Sind mit der Neuaufstellung der Eigentümerstruktur nun zumindest alle Fragezeichen ausgeräumt, was den involvierten Personenkreis betrifft? Nicht unbedingt. In Präsentationsunterlagen der Maklerfirma, die profil vorliegen, finden sich auch Pläne der beiden Villen. Auf diesen ist der Firmenname „Mostaco Corp“ vermerkt. Informationen zu diesem Vehikel gibt es ausgerechnet wiederum in den „Pandora Papers“ des ICIJ. Die auf den British Virgin Islands registrierte „Mostaco Corp“ wurde demnach von Leon S. gegründet, einem in Russland geborenen israelischen Staatsbürger mit Adressen in Luxemburg und Monaco.
„Nicht für Gref aktiv“
Leon S. und der neue Eigentümer der Fontana-Villen haben eine gemeinsame Geschäftsbeziehung: Sie sind beide Geschäftsführer einer französischen Firma, die – laut dortigem Register der wirtschaftlichen Eigentümer – einem russischen Oligarchen mit zypriotischem Pass und ebenfalls einer Adresse in Monaco gehört. Im Internet findet sich zu diesem Oligarchen, der sich mittlerweile beruflich in Richtung Buchautor und Philanthrop umorientiert hat, die Information, dass dieser mit Sberbank-Chef Gref befreundet sein soll. Schon wieder Gref?
Auf Anfrage von profil und ORF ließ der Oligarch offen, ob tatsächlich eine Freundschaft besteht. Er betonte jedoch, mit den Fontana-Grundstücken nichts zu tun zu haben und diesbezüglich auch nicht für Gref aktiv zu sein. Leon S. erklärte auf Anfrage ebenfalls, dass der Oligarch nichts mit den Liegenschaften und den Besitzgesellschaften zu tun habe. Die „Mostaco Corp“ habe bestimmte Management-Dienstleistungen bezüglich der Entwicklung der Fontana-Grundstücke erbracht, aber diesbezüglich nicht für den Oligarchen oder für Gref agiert. Letzteres nimmt auch der neue Liegenschaftseigentümer für sich in Anspruch: Er kenne Gref nicht und habe diesen sicherlich niemals getroffen.
Da hat ihm Fontana-Schirmherr Wolf definitiv einiges voraus. Gref selbst ließ eine Anfrage übrigens zum wiederholten Mal unbeantwortet.