Investigativ

Geschlossene Eigentümerregister: Wie die EU in ein Transparenz-Desaster stolperte

Zahlreiche europäische Staaten vollziehen einen Rückschritt bei der Verhinderung von Geldwäsche – auch Österreich. Eine internationale Recherche zeigt, wie es dazu gekommen ist, wessen Interessen dabei eine Rolle spielen und welche Folgen zu erwarten sind.

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Ende November 2022: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine läuft seit einem Dreivierteljahr ungebrochen und in voller Brutalität. Ebenso lange versucht die EU – unter anderem mit Sanktionen gegen Oligarchen aus dem Dunstkreis des Kreml – wirtschaftlichen Druck auf das Putin-Regime aufzubauen. Milliardäre aus dem erweiterten Zirkel des Diktators büßen zumindest vorübergehend die Verfügungsgewalt über Villen, Yachten, Firmenbeteiligungen und andere Vermögenswerte ein. Jene, die den Kriegstreibern in Moskau nahestehen, sollen den Luxus nicht mehr genießen können, den sie sich über Jahre hinweg im Westen angehäuft haben – so die Logik.

Dazu muss man die Oligarchenschätze freilich erst einmal finden. Vieles wurde über undurchsichtige Kanäle, über intransparente Offshore-Konstruktionen und dergleichen erworben. profil-Recherchen führten daher im Vorjahr öfters auf die Internetseite des Registers der wirtschaftlichen Eigentümer (WiEReG), das vom Finanzministerium betrieben wird. In dem Register sollen jene Personen offengelegt werden, die tatsächlich hinter Firmen in Österreich stehen – ungeachtet der mitunter sehr komplexer Eigentümerstrukturen: ein wesentliches Instrument gegen Intransparenz im wirtschaftlichen Bereich, das es erst seit wenigen Jahren gibt. An diesem Tag endet die Recherche allerdings, bevor sie angefangen hat: Das Register wurde von einem Tag auf den anderen für die Öffentlichkeit geschlossen.    

Urteil mit Folgen

Anlass für diesen drastischen Schritt war ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 22. November 2022. Darin erklärte das Gericht den uneingeschränkten öffentlichen Zugang, der bis dahin zu einem bestimmten Teil der hinterlegten Eigentümerdaten bestand, für unrechtmäßig – zur bemerkenswerten Argumentation der Richter später mehr. Eine Reihe von EU-Staaten – darunter Österreich – vollzog jedenfalls sofort eine Komplettsperre ihrer Register für die Öffentlichkeit, auch für Journalisten. Bis heute hat das Finanzministerium die Rollbalken nicht einmal teilweise wieder hochgezogen: ein Rückschritt um Lichtjahre, was die Transparenz des Wirtschaftsstandorts und die Verhinderung von Geldwäsche anbelangt.

profil hat im Rahmen einer internationalen Journalistenkooperation unter den Auspizien der Investigativplattform OCCRP einerseits analysiert, wie es zu dem Urteil gekommen ist und wessen Interessen dabei eine Rolle gespielt haben. Andererseits gingen die 15 Partnermedien – darunter die luxemburgische Plattform „Reporter.lu“, „Paper Trail Media“, „Le Soir“, „Süddeutsche Zeitung“, NDR, WDR und „Le Monde“ – der zentralen Frage nach, wie es nun weitergeht und ob ein Weg aus dem Transparenz-Desaster gefunden werden kann.   

Schlüssel zu den Oligarchen-Schätzen

Eine solche Lösung wäre dringend notwendig, wie ein Blick auf jene Recherchen zeigt, bei denen profil das WiEReG eingesetzt hat – und die seit Ende November 2022 nicht mehr in dieser Form möglich wären:

In Lech am Arlberg steht das „Hotel Aurelio“ – fünf Sterne superior, gerade einmal zehn Zimmer im Haupthaus plus ein Chalet mit Wellnessbereich, Suiten und einem „Butler-Service“. Die Nobelherberge wurde jahrelang zum Besitz des besonders Österreich-affinen Oligarchen Oleg Deripaska gezählt. Wer ins heimische Firmenbuch blickt, wird dort jedoch kaum Anhaltspunkte finden. Seit 2007 ist eine zypriotische Firma namens „Dornton Limited“ als Alleingesellschafterin vermerkt. Dass sich Anfang 2022 weiter oben in der Eigentümerkaskade eine Veränderung ergeben hat, lässt sich daraus nicht ableiten. Sehr wohl auffindbar war der nunmehrige wirtschaftliche Eigentümer aber im WiEReG: Pavel Ezubov, russischer Staatsbürger und ein Cousin Deripaskas. Gegen Deripaska wurden bereits Anfang April 2022 EU-Sanktionen verhängt. Dank des Eigentümerwechsels war das Hotel Aurelio davon zunächst allerdings nicht betroffen. Ezubov wurde erst im Juli 2022 auf die Sanktionsliste gesetzt – mit Verweis auf seine Beziehung zu Deripaska und auf seine Rolle beim Hotel in Lech. Beides war zuvor medial diskutiert worden. Ezubovs Vermögen – darunter auch seine Beteiligung am Hotel Aurelio – wurde eingefroren. Dies gilt bis heute, lediglich ein zusätzlicher Sanktionsvermerk im Grundbuch wurde Anfang 2023 wieder gestrichen.

 

Ebenfalls eingefroren wurden jene sieben Prozent der Anteile, die Ezubov an der „LPG Projektentwicklungs GmbH“ mit Sitz in Wien hält. Der Firma gehört laut Grundbuch ein 700-Quadratmeter-Penthouse unweit des Stephansdoms. Wer besitzt nun die Mehrheit an der LPG?

Laut Firmenbuch eine Gesellschaft auf den British Virgin Islands. Noch im September 2022 konnte man dem WiEReG entnehmen, dass die Kontrolle bei einer gewissen Valentina Deripaska liegen würde – der Mutter des Oligarchen. Diese steht bis dato nicht auf der Sanktionsliste der EU. Dennoch haben die Gesellschafter der LPG offenbar Probleme, ihren Aufgaben nachzukommen. Die Gesellschaft steht zumindest seit März 2022 ohne Geschäftsführer da. Der damalige Versuch, die Firma umzubenennen und eine neue Geschäftsführerin einzusetzen, scheiterte. Eine Anwaltskanzlei agierte bei der Generalversammlung teilweise auf Basis einer alten Vollmacht aus dem Jahr 2017.

Könnte unter Umständen Deripaskas Mutter als offizielle Eigentümerin nur vorgeschoben sein? Tatsächlich zeigten Recherchen von profil in den „Paradise Papers“ des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und der „Süddeutschen Zeitung“, dass dies im Imperium von Oleg Deripaska nicht ausgeschlossen ist: Bei einem Privat-Jet Deal Deripaskas war ebenfalls dessen Mutter als wirtschaftliche Eigentümerin angegeben – laut einem in den dortigen Fall involvierten Berater aus einer „rein persönlichen Entscheidung“ heraus. Eine Sprecherin Deripaskas teilte bereits im vergangenen Jahr auf profil-Anfrage mit, der Oligarch sei weder wirtschaftlich Berechtigter, noch Eigentümer der LPG.

 

Kombination mit Daten-Leaks

Es gibt mehrere weitere Beispiele, die zeigen, dass es für eine fundierte Gesamteinschätzung der Eigentümersituation eben nicht ausreicht, das WiEReG für Behörden und Unternehmen wie Anwaltskanzleien zu öffnen, die konkrete Verpflichtungen bei der Geldwäschebekämpfung einhalten müssen. Gerade Journalistinnen und Journalisten, aber auch NGOs konnten in den vergangenen Jahren durch Datenlecks und andere Recherchen Informationen erlangen, die einen viel tieferen Blick in die tatsächlichen Verhältnisse bestimmter risikoreicher Offshore-Konstrukte erlauben, als diesen staatliche Stellen mitunter erlangen. Dies kann dazu dienen, offizielle Einträge in das Eigentümerregister, auf dessen Basis die Behörden agieren, zu hinterfragen oder in einen Kontext zu stellen – durchaus in Bezug auf ganz konkrete Personen oder Firmen.

Am Ufer des Attersees in Salzburg steht das „Waldschlössl“ – eine traumhaft gelegene Millionenvilla. Laut Grundbuch gehört diese einer Burgau Liegenschaftsverwaltungs-GmbH. Wer im Firmenbuch nachforscht kommt nicht weit: Gesellschafter der GmbH sind seit 2005 eine „Weitried Anstalt“ und eine „Griffin Trust AG“ aus Liechtenstein. Medial zugeschrieben wurde die Immobilie dem früheren russischen Vize-Premierminister Igor Shuvalov. Letzterer steht seit Februar 2022 auf der Sanktionsliste der EU. Allerdings findet sich weder im österreichischen Firmenbuch noch im Grundbuch ein Hinweis darauf, dass Vermögenswerte in Zusammenhang mit dem „Waldschlössl“ eingefroren worden wären. Allem Anschein nach agieren die Behörden auf Basis der Eintragungen im WiEReG. Dort schien im Vorjahr, als es noch öffentlich einsehbar war, eine gewisse Maria Shuvalova mit dem Vermerk „Kontrolle – Stifter“ auf – die Tochter des sanktionierten Politikers.

Handelt es sich wirklich um ihr eigenes Vermögen? Die „Pandora Papers“ des ICIJ lassen daran zumindest Zweifel aufkommen. Den geleakten Daten zufolge galt die heute 24-jährigen Russin zumindest im Jahr 2018 noch als Ballettstudentin. Dennoch wurde sie damals Eigentümerin einer BVI-Firma, die Anteile an einer Privatjet-Firma hielt. Shuvalova wurde zwar auf die Sanktionsliste Großbritanniens gesetzt, trotz der auffälligen Besitzverhältnisse in Österreich jedoch nicht auf jene der EU.

Ebenfalls in den „Pandora Papers“ finden sich Informationen zu den Geschäftsbeziehungen einer Russin namens Tatiana Malygina. Laut WiEReG handelte es sich bei ihr um die alleinige wirtschaftliche Berechtigte einer Firma namens „maximo gmbH“, die der staatlichen Hypo-Alpe-Adria-Abbaufirma HETA um 7,7 Millionen Euro die frühere Zentrale der Skandalbank in Klagenfurt abkaufte. Recherchen von profil und ORF warfen durchaus Fragen auf, was Malygina und ihre Geschäftsverbindungen anbelangte. Ob sie immer noch offiziell als wirtschaftliche Eigentümerin eingetragen ist? Dies lässt sich seit der Sperre des Registers für die Öffentlichkeit nicht mehr unabhängig feststellen. profil fragte bei der Firma nach. Die Antwort: Malygina sei unverändert die wirtschaftliche Berechtigte. Der Bitte, einen aktuellen WiEReG-Auszug zu übermitteln, kam die maximo gmbH genauso wenig nach wie die Burgau GmbH oder die LPG. Anfragen an die beiden letzteren Firmen blieben gänzlich unbeantwortet. Dadurch, dass der Zugang zum WiEReG gekappt wurde, sind Journalisten also auf den Goodwill jener angewiesen, über die sie Informationen einholen – wie wenig das in der Praxis funktioniert, hat die aktuelle Recherche somit eindrucksvoll bewiesen.

Dass Register wirtschaftlicher Eigentümer im Unterschied zum herkömmlichen Firmenbuch durchaus für deutlich mehr Transparenz sorgen können, zeigt eine prominente Immobilie in Wien: In Zentrumsnähe, am Schwarzenbergplatz, wird gerade eine Gebäude renoviert, in dem die künftige Europa-Zentrale des russischen Öl-Konzerns Lukoil angesiedelt sein soll. Das Gebäude gehört einer Firma namens „Prima Wohnimmobilien GmbH“, diese wiederum steht im Eigentum einer „Morcell Limited“ aus Zypern. Im WiEReG entdeckte profil, als das Register noch öffentlich einsehbar war, die tatsächlichen wirtschaftlichen Berechtigten: der schwerreiche Lukoil-Gründer Wagit Alekperov und mehrere Familienangehörige. Alekperov landete in Großbritannien auf der Sanktionsliste, auf jener der EU steht er hingegen nicht.

Freilich enthält das WiEReG nicht in jedem Fall zufriedenstellende Daten über die tatsächlichen wirtschaftlich Berechtigten. In bestimmten Ausnahmefällen genügt es, wenn das Unternehmen einfach nur die Geschäftsführer anführt. Faktisch betrifft das Tausende Firmen und stellt eine riesige Lücke dar. Ein Beispiel dafür ist das „Hotel Tannenhof“ in St. Anton am Arlberg. Bei der Suche nach den tatsächlichen Eigentümern half das WiEReG nicht weiter – jedoch umso mehr das Eigentümerregister aus Zypern. Dieses ist nun allerdings ebenfalls für die Öffentlichkeit geschlossen.

Der Kläger aus Luxemburg

Wie konnte es zu dieser Kettenreaktion der Intransparenz kommen? Einer, der mitten drin statt nur dabei war, ist Patrick Hansen, umtriebiger Unternehmer aus Luxemburg – unter anderem CEO des Luftfahrtunternehmens Luxaviation. 36 Firmen, bei denen Hansen wirtschaftlicher Eigentümer war, beantragten beim luxemburgischen Eigentümerregister (quasi dem dortigen WiEReG) eine Ausnahme: Der Informationszugang für die Öffentlichkeit solle – entsprechend einer im Gesetz vorgesehenen Bestimmung – eingeschränkt werden, da die Veröffentlichung ihn und seine Familie „einem unverhältnismäßigen Risiko“ aussetzen würden.

Als die Registerbetreiber das Ansinnen im November 2019 ablehnten, zog Hansen vor Gericht. Er machte geltend, häufig in Länder reisen zu müssen, die durch politisch instabile Regimes und eine hohe Kriminalität gekennzeichnet seien. Dies gehe mit einem erheblichen Risiko von Entführung, Freiheitsberaubung, Gewalt und sogar Tod einher. Dieses Risiko wäre noch größer, wenn Kriminelle erfahren, dass er wirtschaftlicher Eigentümer der diversen Firmen sei.

Fragen an den EuGH

Das Gericht in Luxemburg war sich nicht sicher, wie es entscheiden sollte, und wandte sich an den EuGH um einige Vorfragen zu klären. Schließlich war das Recht auf öffentliche Einsicht 2018 im Rahmen einer EU-Richtlinie verankert und den Mitgliedsstaaten vorgegeben worden. Das luxemburgische Gericht packte Hansens Angelegenheit mit einem zweiten Fall zusammen – dem einer Aktiengesellschaft aus Luxemburg. Dieses Unternehmen behauptete wiederum, dass der öffentliche Zugang zur Identität und zu persönlichen Daten des wirtschaftlichen Eigentümers das Grundrecht auf Schutz des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten verletze. Auch dazu sollte der EuGH bestimmte Vorfragen klären.

Dies tat der Gerichtshof, in dem er im November 2022 die Richtlinie in einem zentralen Punkt kippte: und zwar, was den allgemeinen öffentlichen Zugang anbelangt. Zwar ging der EuGH durchaus davon aus, dass der Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den Informationen geeignet ist, zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beizutragen, da „der öffentliche Charakter dieses Zugangs und die daraus resultierende erhöhte Transparenz zur Schaffung eines Umfelds beitragen, das weniger leicht für diese Zwecke genutzt werden kann“. Mit anderen Worten: Wenn von vornherein nicht mit Anonymität gerechnet werden kann, kommen Geldwäscher erst gar nicht auf die Idee, sich breit zu machen. Allerdings kam das Gericht zu dem Schluss, dass der Eingriff in die erwähnten Grundrechte „nicht auf das absolut Erforderliche beschränkt“ sei.

Von welchen Daten ist hier eigentlich die Rede? Im österreichischen WiEReG erhielt die breite Öffentlichkeit bis zur Sperre im November 2022 Namen und Geburtsdaten der wirtschaftlichen Eigentümer sowie Angaben zu deren Wohnsitzland, der Staatsbürgerschaft und der Art des wirtschaftlichen Eigentums (zum Beispiel: „Stifter“). Das ist deutlich unkonkreter als etwa jene Angaben, die im Firmenbuch über direkte Gesellschafter von Unternehmen enthalten sind. Jene, die eine Extra-Schicht Anonymität bevorzugen und ihre Eigentümerschaft nur indirekt ausüben, mussten also schon bisher über das WiEReG weniger öffentlich preisgeben als andere dies über das Firmenbuch tun.

Die Österreich-Connection

Warum haben manche Wirtschaftsteilnehmer dennoch ein so großes Problem damit – etwa Patrick Hansen? Wie OCCRP-Recherchen gezeigt haben, war Hansen in den vergangenen zwei Jahrzehnten bei mehr als Hundert Firmen in mehreren Ländern involviert – darunter auch Österreich. Hierzulande war er Geschäftsführer einer gemeinschaftlichen Firma von Luxaviation und der Soravia Gruppe. Luxaviation betrieb darüber hinaus jahrelang einen Business-Jet des österreichischen Immobilienkonzerns.

Hansen ist beziehungsweise war Direktor oder Eigentümer bei zumindest 117 Firmen in Luxemburg, auf den British Virgin Islands, in Belize, auf den Bahamas und in anderen Ländern. Das ist – vorsichtig formuliert – überdurchschnittlich und wirft Fragen auf, inwieweit Funktionen überhaupt nur auf dem Papier bestehen. Von den Recherchepartnern in einem Interview darauf angesprochen, verwies Hansen einerseits darauf, dass er über eine beträchtliche  Anzahl an Mitarbeitern verfüge und in diesen Firmen nicht das gesamte Tagesgeschäft erledigen müsse. Andererseits habe er – im Unterschied zu anderen Leuten – keine Hobbys, sondern arbeite eben gerne. Er arbeite mehr als zwölf Stunden pro Tag. „Ich finde das interessant“, sagte Hansen in dem Gespräch, das übrigens um 22 Uhr startete und bis 00:30 Uhr dauerte.

Geld aus Russland

Doch es ist nicht nur die Quantität von Hansens Geschäften, die ins Auge sticht. Auch einige inhaltliche Umstände derselben werfen Fragen auf. Die OCCRP-Recherchen haben ergeben, dass über die Jahre hinweg – insgesamt betrachtet – deutliche zweistellige Millionenbeträge von russischen Geschäftsleuten in Form von Kreditlinien, Darlehen und Anleihen an Luxaviation flossen – dies mitunter über Offshore-Firmen, wodurch der tatsächliche Ursprung für Dritte nicht von vornherein erkennbar ist. Hansen pochte im Gespräch darauf, dass sämtliche Regeln zur Geldwäschebekämpfung eingehalten worden seien. Auch die Banken, über die die Zahlungen liefen, hätten alles geprüft. Hansen verwehrte sich dagegen, frühere Geschäfte mit Russen unter dem Gesichtspunkt des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 zu beurteilen.

Bemerkenswert scheint jedenfalls, dass jemand, der vor Gericht dermaßen auf den Schutz seiner Privatsphäre pocht, einen durchaus regen Auftritt in sozialen Medien pflegt. Da sieht man Fotos von besuchten Orten (unter anderem Kitzbühel und Wien), aber auch Bilder von Kindern – offenbar Familienangehörige. Hansen sagt dazu, er würde Fotos nachträglich hochladen. Außerdem gebe es „viele Dinge in seinem Leben“, die er nicht in soziale Medien stelle. Seine Eigentümerdaten will er einer breiteren Öffentlichkeit nicht zugänglich machen. Zwar enthalte das Register keine Angaben zum Vermögen. Er wolle jedoch nicht einmal zeigen, wie dick seine Geldbörse sei – selbst wenn der genaue Inhalt nicht bekannt sei.

Hansen pocht nun übrigens darauf, dass er es gar nicht gewesen sei, der den öffentlichen Zugang zu den Eigentümerregistern zu Fall brachte, sondern der zweite Kläger aus Luxemburg. Er habe immer nur die – vom Gesetz vorgesehene – Ausnahme für sich selbst in Anspruch nehmen wollen. Tatsächlich fällte der EuGH seine Grundsatzenscheidung auf Basis des zweiten Falles. Damit war Hansens Angelegenheit aber freilich gleich miterledigt.

Taugliche Reparatur?

Möglicherweise gibt der Fall Hansen jedoch eine gewisse Richtung vor, in die sich die Register nach dem EuGH-Urteil entwickeln könnten. Wenn die EU nicht Acht gibt, entstehen unter Umständen Register, die noch größere Lücken aufweisen als früher – gespickt mit Ausnahmen für Personen, die so dicke Brieftaschen haben, dass sie diese nicht herzeigen möchten.

Ein anderes Risiko ergibt sich aus dem EuGH-Urteil selbst: Dort wird auf eine ursprüngliche Ausgestaltung der Register verwiesen, bei der nur Personen Zugang erhielten, die ein „berechtigtes Interesse“ geltend machen konnten. Dieser Begriff ist allerdings in der Praxis schwer zu fassen, die Folge wäre wohl ein nationaler Fleckerlteppich, bei dem der Zugang in jedem Staat unterschiedlich gehandhabt würde. Außerdem ist die Zugangskontrolle in einem solchen Fall deutlich komplexer. Der Plan, durch die breite Transparenz von vornherein keinen Nährboden für Geldwäsche entstehen zu lassen, wäre damit wohl passé.  Nachgerade gefährlich könnten sich die ebenfalls ventilierte Ideen auswirken, den betroffenen wirtschaftlichen Eigentümern mitzuteilen, wer ihre Daten abgefragt hat. In einem Europa, in dem Journalisten zunehmend Bedrohungslagen ausgesetzt sind – von Einschüchterungsklagen bis zu physischer Gewalt – wäre das wohl eine enorme Hürde.

EuGH: Medien haben „berechtigtes Interesse“

In seinem Urteil hat der EuGH übrigens ausgeführt, dass „sowohl die Presse als auch die zivilgesellschaftlichen Organisationen, die einen Bezug zur Verhütung und zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ aufweisen, ein berechtigtes Interesse an den Eigentümerdaten haben. Dennoch gibt es aktuell auch für diesen Personenkreis in Österreich keinen Zugang. Aus dem Finanzministerium heißt es, man arbeite an einer Gesetzesnovelle, in der auch Einsichtsrechte für Journalistinnen und Journalisten vorgesehen seien. Man rechne mit einem Beschluss „spätestens mit der Sommerlegistik 2023“. In Luxemburg – dem Ausgangspunkt für das EuGH-Urteil – haben heimische Medienvertreter übrigens bereits seit einigen Wochen wieder Zugang zum Register.

 

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).