Für den Fall, dass die Stadt eine bloße Presseanfrage nicht ernst genug nehmen würde, beantragte profil die Informationen damals zusätzlich auf Basis des Wiener Auskunftspflichtgesetzes. So ein Gesetz gibt es für jedes Bundesland und auch für den Bund. Es ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern, Auskünfte von Behörden zu erhalten – und dafür gegebenenfalls auch vor Gericht zu ziehen. Wie sich herausstellen sollte, war das im konkreten Fall eine durchaus weitsichtige Entscheidung.
Wiener „Privatsachen“
Von der Stadt kam nämlich hauptsächlich eine eher allgemein gehaltene Ausführung retour – mit einer Ausnahme: Zumindest die Liste mit den 14 Adressen wurde profil bekannt gegeben. Zum Rest der Anfrage trudelte dann Mitte Oktober 2023 – also drei Monate nach der Anfrage – per RSa-Brief ein ablehnender Bescheid von „Wiener Wohnen“ ein. Die Argumentation zusammengefasst: Aus Datenschutzgründen dürfe man keine Auskunft geben. Das „Geheimhaltungsinteresse“ der Betroffenen sei wichtiger. Die Verträge seien eine rein interne Angelegenheit.
Mietverhältnisse zwischen der öffentlichen Hand und politischen Parteien als Privat- und Geheimsache? profil kam das spanisch vor und entschloss sich, vor Gericht zu ziehen. Aufgrund der von der Stadt übermittelten Adressenliste war es in der Zwischenzeit übrigens gelungen, die 14 Objekte zuzuordnen: Eines davon entfiel auf die ÖVP, ein weiteres auf die KPÖ – die restlichen zwölf jedoch auf die Rathaus-Partei SPÖ beziehungsweise auf ihr zuzuordnende Organisationen. profil verfasste nicht nur eine Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (VGW), sondern auch einen Artikel, welcher im Dezember 2023 veröffentlicht wurde. Im Zuge dessen waren Anfragen an die jeweiligen Mieter der Parteilokale erfolgt, ob sie denn ihrerseits Auskunft über den Zins geben würden. Siehe da: ÖVP und KPÖ gaben Zahlen bekannt, die SPÖ mauerte.
Stadt Wien nahm sich Rechtsanwalt
Und mauern kann auch „Wiener Wohnen“. Im Mai 2024 übermittelte das Verwaltungsgericht, bei dem der Akt nunmehr lag, profil eine Stellungnahme, welche „Wiener Wohnen“ als Antwort auf die Beschwerde von profil verfasst hatte. Schon aus dem Briefkopf ging hervor: Die Stadt Wien hielt zur Verteidigung ihres eigenen Bescheids juristischen Beistand für notwendig und hatte sich einen Anwalt genommen. Und zwar einen durchaus namhaften Datenschutzrechtler.
profil hingegen agiert im gesamten Verfahren bis heute ohne anwaltlichen Beistand. So kam es dann auch Anfang Juni 2024 zu einer mündlichen Verhandlung am VGW, bei der die beiden Verfasser dieses Artikels – beide keine ausgebildeten Juristen – dem Profi-Anwalt von Wiener Wohnen gegenübersaßen. Mit dem Resultat, dass das Gericht profil in wesentlichen rechtlichen Grundsatzfragen recht gab.
Aus einer Ablehnung wurden zwei
Einem Wunsch kam das VGW jedoch nicht nach: dass das Gericht gleich selbst entscheidet, dass die Informationen zur Miethöhe und zur Bewertungsgrundlage herauszugeben sind. Da seitens der Stadt „überhaupt keine Ermittlungsschritte gesetzt wurden“, die aber „zwingend erforderlich“ seien, um über die Auskunftserteilung zu entscheiden, verwies das Gericht die Angelegenheit diesbezüglich an „Wiener Wohnen“ zurück. Mit anderen Worten: Die Stadt hatte sich die Angelegenheit gar nicht genau genug angesehen, sondern auf Basis rechtlicher Grundsatzargumente eine Informationsherausgabe von vornherein abgelehnt. Mit diesen Argumenten blitzte die Stadt aber dann bei Gericht ab.
Was daraufhin folgte, könnte aus der Feder Franz Kafkas stammen. Die Stadt will immer noch keine Auskunft geben. Vor wenigen Tagen schickte sie nicht einen ablehnenden Bescheid, sondern gleich zwei: einen von „Wiener Wohnen“ für die 14 Adressen und ein weiteres Objekt, nach dem profil gefragt hatte. Und einen vom städtischen Immobilienmanagement bezüglich noch einer Adresse, die Teil der Anfrage gewesen war.
Verträge weg
Neben einer Vielzahl rechtlicher Argumente, die teilweise direkt auf Kollisionskurs mit dem rechtskräftigen Urteil des VGW gehen, stellt „Wiener Wohnen“ darin auch Überlegungen zur „Verfügbarkeit“ der Informationen an. Im Lauf der Zeit seien Mietverträge „in Verstoß“ geraten, heißt es da etwa. Mehr noch: „Wegen der langen Vertragslaufzeit ist es auch nicht in allen Fällen möglich, die Verträge durch Nachfrage bei den Vertragsparteien wiederherstellen zu können.“ Anlässlich der Stadtrechnungshofprüfung sei dies „in einem persönlichen Termin mit dem Großkunden SPÖ“ erörtert worden, und man habe „nach Möglichkeit“ um Übermittlung von Kopien ersucht. Offenbar nur teilweise erfolgreich: „In wenigen Fällen war es dadurch möglich, eine Kopie zu erlangen und zu verspeichern.“ Und man hält trotzig fest: „Darüber hinaus ist Wiener Wohnen zu solchen und insbesondere zu weiterführenden Nachforschungen auch nicht verpflichtet.“
Warum „Wiener Wohnen“ als Vermieter von sich aus offenbar kein gesteigertes Interesse am Vorliegen aller Mieterverträge hat, sei dahingestellt. Für eine Auskunft über die Miethöhe wäre das aber gar nicht notwendig. Da reicht – hoffentlich – ein Blick aufs Bankkonto oder auf Abrechnungsbelege. Und der wäre in den 14 Monaten seit der profil-Anfrage durchaus möglich gewesen. Nun heißt es aber wieder: zurück zum Gericht.