Investigativ

Ex-ÖIF-Geschäftsführer: „Habe meinen Wissensstand korrekt weitergegeben“

Im Millionen-Prozess um Immobiliendeals des Österreichischen Integrationsfonds war am Freitag der Hauptangeklagte am Wort. Er bestritt die Vorwürfe und sah sich durchs bisherige Verfahren bestätigt.

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Seit mehr als fünf Monaten wird in der prominenten Causa um frühere Immobiliendeals des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) verhandelt. Am Freitag war nach längerer Zeit wieder einmal die Seite der Angeklagten ausführlich am Wort. Zwei der fünf Beschuldigten im Millionenprozess meldeten sich mit Stellungnahmen zu Wort – darunter auch der Hauptangeklagte, ein früherer Geschäftsführer des Fonds.

Dieser bestritt einmal mehr vehement die Vorwürfe der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Gemäß Anklage soll der ehemalige Manager das oberste Entscheidungsgremium des ÖIF, das sogenannte Kuratorium, getäuscht haben, um Wohnhäuser und Wohnungen weit unter ihrem Wert verkaufen zu können – zulasten des Fonds, aber zugunsten eines Unternehmers, der mit einem seiner Freunde geschäftlich verbandelt war.

„Kein Informationsmonopol“

Er habe seinen eigenen Wissensstand korrekt weitergegeben, betonte der Hauptangeklagte am Freitag. Auch habe er gegenüber dem Kuratorium keineswegs ein „Informationsmonopol“ gehabt. In die Vorbereitung von Kuratoriumssitzungen seien mehrere Mitglieder der Geschäftsführung eingebunden gewesen. Alle bisher befragten Kuratoriumsmitglieder hätten ausgesagt, dass es in den Sitzungen meist rege Diskussionen gegeben habe – und sie mitunter auch extern Erkundigungen eingeholt hätten. Der Integrationsfonds habe von 2005 bis 2012 aus dem Betrieb von Flüchtlingswohnungen einen Verlust von 3,87 Millionen Euro gehabt. Für die Grundsatzfrage, die Immobilien zu verkaufen, sei dies ein wichtiger Faktor gewesen.

Alle Angeklagten haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Im Zuge der Verhandlung kamen am Freitag dann auch noch zwei von der WKStA beauftragte Immobiliengutachter zu Wort. Schließlich spielt die Frage, wie viel die Wohnungen und Häuser seinerzeit tatsächlich wert waren, eine zentrale Rolle im Verfahren. Die beiden Sachverständigen gingen in dieser Verhandlung noch nicht auf ihre Ergebnisse ein, sondern erläuterten lediglich die Art und Weise ihrer Befundaufnahme.

Drive-By-Besichtigungen

Einer der Experten nutzte die Gelegenheit, um prophylaktisch zu betonen, dass „Drive-By-Besichtigungen“ in der Immobilienwelt durchaus üblich seien. Konkret heißt das: Man setzt sich ins Auto, fährt zu einem Mietshaus, schaut sich die öffentlich zugänglichen Bereiche an – inspiziert aber keine der Wohnungen. Das könnte im Prozess noch für Diskussionen sorgen: Auf Angeklagtenseite begründet man die niedrigen Kaufpreise nämlich damit, dass die Flüchtlingswohnungen in einem desolaten Zustand gewesen seien.

Er sei persönlich bei allen Liegenschaften gewesen und habe Informationen von den jeweiligen Hausverwaltungen angefordert, erklärte der Sachverständige. Jedoch: „In Wohnungen war ich nicht.“ Er betonte, dass das „auch nicht sinnvoll gewesen“ wäre: Aus drei oder vier besichtigten Wohnungen könne man nämlich nicht auf den Zustand aller 120 schließen. Das sei „nicht treffsicher“ – noch dazu, wenn der Bewertungsstichtag zehn Jahre zurück liege. Der Darstellung des Gutachters zufolge, wären Drive-By-Besichtigungen kombiniert mit Informationen aus Unterlagen wie Zinslisten im Immobilienbusiness gängige Grundlage für Investitionsentscheidungen. Er verwies darüber hinaus auch auf ein Urteil des Landesgerichts Wien, in dem eine Drive-By-Besichtigung als ausreichend angesehen worden sei. Nähere Umstände des Falles gingen aus der Präsentation nicht hervor.

Man wird sehen, ob eine derartige Wertermittlung auch in der vorliegenden Causa ausreicht. Für die Angeklagten geht es immerhin um bis zu zehn Jahre Gefängnis – und für die Republik um einen potenziellen Millionenschaden.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.