INVESTIGATIV

Investor Pecik, seine Autos und Thomas Schmid: „Na wurscht“

Ronny Pecik lieh dem früheren Generalsekretär im Finanzministerium Luxusautos, nun ermittelt die Korruptionsstaatsanwaltschaft. Was der Unternehmer den Ermittlern über Schmid und die „Schlangengrube“ Telekom Austria erzählte – und wer noch mit seinen Autos durch die Gegend fuhr.

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Luxusautos und Herrenanzüge – so lässt sich die bunte Causa um den prominenten Investor Ronny Pecik und den ehemaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, zusammenfassen. Bekanntlich hegt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den Verdacht, Pecik könnte Schmid verbotenerweise Vorteile zugewendet haben: in Form von kostenlosen Autoleihen und feinem Zwirn vom italienischen Herrenschneider. Während sich Schmid auf dem Weg zum begehrten Kronzeugenstatus reuig zeigt, bestreitet Pecik die Vorwürfe vehement. profil liegt nun das Protokoll seiner jüngst erfolgten Beschuldigteneinvernahme vor. Und dieses lässt durchaus tief blicken.

Das Geständnis Schmids sei „falsch und erlogen“ und „aus menschlicher Sicht … letztklassig“, betonte Pecik gegenüber den Ermittlern. Er selbst habe „zu keiner Sekunde“ Schmid gebraucht, um etwas zu bewerkstelligen. Er habe lediglich „einem jungen, sympathischen, strebsamen Freund“ seine privaten Autos geborgt. Um zu unterstreichen, dass er in Schmid in erster Linie einen Freund und nicht einen Mitarbeiter des Finanzministeriums gesehen habe, verwies Pecik nicht nur darauf, dass er Schmid einst vor Drogenkonsum gewarnt habe. (profil berichtete bereits im Juni 2020 über Kokain-Vorwürfe gegen Schmid – ein entsprechendes Ermittlungsverfahren wurde zwischenzeitlich wegen Verjährung eingestellt.) Darüber hinaus hielt sich Pecik gegenüber den Ermittlern allerdings auch nicht mit Details aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich Schmids zurück, die bis dato keinen Eingang in den Ermittlungsakt gefunden hatten und keinerlei strafrechtliche Relevanz aufweisen.

„Ruttenstorfer rausschmeißen!“

Wie mehrfach berichtet, hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zahlreiche Chatnachrichten zwischen Pecik und Schmid ausgewertet. Darin ging es oft um die teilstaatliche Telekom Austria. Pecik war dort 2011 eingestiegen und hatte seine Anteile 2012 an die mexikanische „América Móvil“ weiterverkauft – blieb aber bis 2017 für die Mexikaner im Aufsichtsrat. Er sei bei der Telekom in eine „Schlangengrube“ geraten, erzählte Pecik nun den Ermittlern. „Hätte ich gewusst, was mich erwartet, hätte ich die Transaktion nicht gemacht.“ 

Schmid hat ausgesagt, es sei „immer wieder Thema“ gewesen, dass „Pecik bestrebt war, den Aufsichtsratsvorsitz in der Telekom zu übernehmen“. Das Finanzministerium hatte als oberster Eigentümervertreter für die österreichischen Anteile an der Telekom bei grundlegenden Entscheidungen naturgemäß einiges mitzureden. Pecik betonte nun gegenüber den Ermittlern, dass es nur „einmalig“ ein Thema gewesen sei – nämlich als Ex-OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer diesen Job im Jahr 2015 antrat. „Es könnte allerdings durchaus sein, dass das Thema auch noch angedauert hat, als Ruttenstorfer dann bereits Aufsichtsratspräsident war, weil es ja auch für mich die Frage war, wie es weitergehen wird.“

Die damaligen Chats zwischen Pecik und Schmid bezüglich Ruttenstorfer lesen sich freilich nicht immer so nobel distanziert. „Die sollen Ruttenstorfer raus schmeißen!! Betriebsrat macht voll mobil gehen (sic!) Ruttenstorfer!!!“, schrieb Pecik im September 2016 dem damaligen Generalsekretär im Ministerium. Im Juni 2016 hatte Pecik Schmid – offenbar zynisch gemeint – wissen lassen: „Rutti vertritt gut die Interessen von Ö!!!!!!“ Schmid fand das „Arg“. Und Pecik ergänzte: „Rutti ist echt a Beach!!!“ Das englische Wort „bitch“ heißt so viel wie „Schlampe“. profil distanziert sich ausdrücklich von dieser Ausdrucksweise, will aber auch nicht verheimlichen, auf welche Art und Weise hier zwischen einem Aufsichtsrat und einem wichtigen Vertreter auf Eigentümerebene in Bezug auf ein teilstaatliches Unternehmen kommuniziert wurde.

„Messenger für den Minister“

In einem Analysebericht hat die WKStA festgehalten, Schmid habe Pecik zwischen März 2015 und April 2016 in vier Fällen geholfen, „dringende Wünsche nach Terminen“ beim damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling „kurzfristig zu erfüllen“. Pecik wiederum betont seit längerem, Schmid dafür gar nicht benötigt zu haben. „Es gab eine sehr direkte Kommunikationslinie von mir zu Dr. Schelling und umgekehrt“, sagte der Unternehmer nun aus: „Es habe sowohl ich ihn angerufen als auch er mich. Es ist aber auch vorgekommen, dass beispielsweise MMag. Schmid mir ein SMS geschrieben hat, dass ich erreichbar sein soll, weil der Chef mich in ca. 15 oder 30 Minuten anrufen wird.“ Schmid sei „Mädchen für alles“ gewesen, sozusagen „Messenger für den Minister“. „Dr. Schelling hat zu mir gesagt, wenn er selbst nicht da ist, dann soll ich mit Thomas Schmid reden.“

Kennengelernt hatte Pecik seinen nunmehrigen Widersacher Schmid allerdings schon früher. „Ich habe MMag. Schmid über den damaligen Minister Spindelegger kennengelernt, der mir damals zu einem spontanen Anlass gleichzeitig Sebastian Kurz und Thomas Schmid vorgestellt hat“, gab der Unternehmer zu Protokoll. Pecik sah sich selbst demnach als „Mentor“ und Schmid als seinen „Schüler“. „Es ging unter anderem darum, dass MMag. Schmid Karriere machen wollte und so schnell wie möglich viel Geld verdienen und reich werden wollte“, behauptet Pecik. Schmid habe zwar nicht zum engsten Kreis seiner privaten Freunde gezählt, aber zu seinen engsten „beruflichen Freundschaften, die sich zwangsläufig aus der beruflichen Situation ergeben und wo das Verhältnis dann zwangsläufig in Richtung des Privaten geht“.

„Wollte ihm behilflich sein“

Solchen Freunden borgt ein großzügiger Unternehmer wie Pecik offenbar gerne auch Autos in einer Preisklasse von 120.000 Euro (Mercedes GLS) bis 270.000 Euro (Porsche Panamera). Im Fall von Schmid kam es nicht nur einmal, sondern – wie die WKStA festgestellt hat – rund dreißig Mal dazu. Pecik sagte nun aus, er habe erst durch das Ermittlungsverfahren realisiert, „wie oft es ganz offensichtlich zu Fahrzeugleihen von mir an MMag. Schmid gekommen ist“. Beim ersten Mal habe Schmid ihn gefragt, ob er sich ein Auto ausborgen kann, um dringend seine Eltern in Tirol besuchen zu können. „Ich wollte ihm behilflich sein, weil er das Auto gebraucht hat, um zu seinen Eltern zu fahren. Ganz generell ist es so, dass, wenn mich ein guter Freund anruft und sich ein Auto ausborgen will und insofern meine Hilfe braucht, dass ich dies natürlich auch gerne tue.“

Es sei ihm „nicht unrecht“, wenn die Fahrzeuge aus seinem etwa zwanzig Autos umfassenden Fuhrpark „bewegt“ würden, sagte Pecik aus, weil er „Parkpatschen“ vermeiden wollte. „Ich sage Ihnen, dass ich keine Sekunde daran gedacht habe, dass MMag. Schmid von mir als Beamter Autos geliehen bekommt. Die Beamteneigenschaft war mir zum Zeitpunkt der Autoleihen nicht bewusst.“ Er habe Schmid „für gar nichts gebraucht“, sondern habe „alle Zugänge selbst“ gehabt. „Ich habe MMag. Schmid zum Beispiel René Benko vorgestellt, ihm einen Kurs im ‚Bilanzlesen‘ in St. Gallen empfohlen. Einmal hat er mich angesprochen, dass er gern bei Redbull einsteigen würde, weil er gewusst hat, ich kenne Dietrich Mateschitz. … Ein anderes Mal wollte MMag. Schmid zu América Móvil wechseln.“ Er, Pecik, habe sogar mit einem Verantwortlichen dort darüber gesprochen, und „der hat gesagt, es ginge grundsätzlich in Ordnung“, aber Schmid müsse „natürlich kündigen beim BMF“.

„Wollte ihn nicht enttäuschen“

Dass die Fahrzeugleihen in einem Zusammenhang mit Peciks Telekom-Angelegenheiten gestanden seien, bestreitet der Unternehmer. Er habe Schmid mit den Autos nicht gewogen halten wollen. „Es ist schon so, dass er sich häufiger als andere Autos von mir ausgeborgt hat“, gab Pecik zu. „Ich zähle es aber nicht und wie ich bereits gesagt habe, war ich nach dem Aktenstudium selbst verwundert, dass es bei MMag. Schmid so häufig war.“ Einmal habe sich Schmid ein Auto ausgeborgt, um nach Italien zu fahren. Von seinem, für den Fuhrpark zuständigen Mitarbeiter, habe er danach erfahren, dass Schmid in Apulien gewesen sei, sodass „auf dem Auto dann plötzlich 3000 km mehr drauf waren“.

Entwickelt hat sich das regelmäßige Auto-Ausborgen Pecik zufolge so, dass Schmid ihn knapp nach der ersten Leihe noch einmal um ein Fahrzeug gebeten habe. „Das hat mich kurz irritiert, ich habe aber dann gedacht ‚na wurscht‘ im Sinne von OK, ich borge ihm erneut einen Pkw.“ Hat der Unternehmer Schmid jemals gesagt, dass es ihm eigentlich nicht so ganz recht ist, wenn sich dieser Autos ausborgt? Nein, habe er nicht, gab Pecik zu Protokoll: „Es war mir einerseits nicht so wichtig und andererseits hat er sich immer sehr gefreut über das Verborgen der Autos und ich wollte ihn nicht enttäuschen.“ Den Wert der Fahrzeugleihen könne er nicht beziffern, sagte Pecik zu den Ermittlern: „Ich bin allerdings froh , dass Sie diese Feststellungen getroffen haben, weil ich diesen Betrag nun von MMag. Schmid verlangen werde und den Betrag dem St. Anna Kinderspital spenden möchte.“

Schramböck, das „tolle Auto“ und ein „Patschn“

Tatsächlich war Thomas Schmid nicht die einzige Person, der Pecik eines seiner Autos überließ. Die Ermittler stießen im Handy des Unternehmers auf Chatnachrichten, die allem Anschein nach von Margarate Schramböck stammen – einst Managerin der Telekom-Tochter A1 und später Wirtschaftsministerin. Aus Chats mit Schmid ergibt sich, dass Pecik Schramböck seinerzeit bei der Telekom durchaus favorisierte. Im April 2016 war Schramböck bereits bestellt, stand aber noch vor ihrem Dienstantritt bei A1. In einer Nachricht an den damaligen Aktionärsvertreter und Konzernaufsichtsrat Pecik hieß es: „Lieber Ronny, danke nochmal für das tolle Auto, macht Spaß!“ Daraufhin folgte eine „kurze Info“, die sich offenbar auf Vorgänge bei der Telekom bezog. Sechs Tage später dann die Nachricht: „Lieber Ronny, es tut mir so leid, es ist wirklich rechts vorne ein Platter. Ich übernehme natürlich alles, das ist mir jetzt sehr peinlich! Du bist so nett und borgst mir das Auto und ich schaff es nicht aufzupassen! Bitte entschuldige. Schlüssel habe ich angegeben (sic!) lg margarete“. Pecik nahm es gelassen: „Liebe Margarete bitte mach dir keine Sorgen!! Es ist nur ein patschn!!!!!“

Schramböck ließ eine profil-Anfrage vorerst unbeantwortet. Die frühere Wirtschaftsministerin wurde im Jänner 2023 als Zeugin zur Thematik Pecik-Schmid-Telekom einvernommen. Dabei wurde sie von den Ermittlern auch gefragt, ob sie Wahrnehmungen habe, „dass Pecik dem Schmid Maßanzüge bezahlt hat bzw. Luxusfahrzeuge unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat“. Schramböcks Antwort: „Nein, dazu habe ich keine Wahrnehmungen.“ Eine allfällige Fahrzeugleihe Peciks an sie selbst brachte sie dabei nicht zur Sprache – danach gefragt wurde sie allerdings auch nicht. Damals dürften die Ermittler noch nicht über die nun vorliegenden Chat-Nachrichten verfügt haben.

Übrigens scheint noch ein weiterer Telekom-Manager einst ein Auge auf Peciks Fuhrpark geworfen zu haben. Folgende Chat-Nachricht aus dem Juli 2015 ordnen die Ermittler Alejandro Plater zu: „Ronny, do you think i can borrow one of you big cars tomorrow night?“ Pecik generös: „Of course !!! You must!!!“. Betont sei: Gegen Schramböck und Plater bestehen keinerlei Vorwürfe in Zusammenhang mit der Pecik-Schmid-Causa.

Chats mit dem Schneider

Pecik koordinierte für Freunde und Mitarbeiter offenbar nicht nur angemessene Fortbewegungsmittel, sondern auch passende Kleidung vom italienischen Herrenschneider. Die WKStA geht dem Verdacht nach, Pecik habe Schmid gratis Anzüge zukommen lassen – profil berichtete. Pecik bestreitet zwar nicht die Vermittlung des begehrten Schneiders Antonio V., betont jedoch, dass er davon ausgegangen ist, Schmid hätte die Anzüge selbst bezahlt (was dieser jedoch offenbar nicht getan hat).

Die Ermittler haben zuletzt dazu Chatnachrichten zwischen Pecik und dem Schneider ausgewertete. Ende November 2015 – knapp vor der Lieferung der Anzüge – schrieb Antonio V. an den Unternehmer: „Dan Thomas hat 16500 du hast 1700 + 500 from letze mal = 18700 sagen van am mittwoch“. Pecik wiederum schickte dem Schneider eine Nachricht, die eigentlich an eine Mitarbeiterin gerichtet war: „Liebe B. kannst du von der Firmenkasse 17000€ mir leihen und am Mittwoch Antonio geben wenn er Sachen bringt, bitte!!!“ Tatsächlich dürfte die Lieferung der Anzüge, die auch jene für Schmid umfasste, am darauffolgenden Mittwoch erfolgt sein. Ob der „Thomas“ in der Chat-Nachricht Thomas Schmid ist, blieb vorerst offen. Dessen Anzüge kosteten eigentlich nur 3500 Euro, nicht 16500.

Unklar ist zudem, ob Schmied einige Monate später nochmals Anzüge erhielt. Am 20. April 2016 schrieb Schmid an Pecik: „War super Gespräch! Stehe vor dem Spiegel! Danke dir für alles. Super Hammer Klamotten:-)))“ Etwas zuvor, am 9. April 2016, hatte Antonio V. folgendes an Pecik geschrieben: „Ciao totale deine ist 3964 . 2 anzug ist geschenk  Thoams ist 11440 = 15400 ciao Antonio bitte sagen welche tag ?“ Reichlich kryptisch. Drei Tage später, am 12. April 2016, informierte jedoch Pecik wiederum Schmid: „Bitte ruf kurz an! Antonio kommt heute um 13 h!!!!!“

profil fragte beim Schneider nach, ob mit „Thoams“ Thomas Schmid gemeint gewesen sei und ob dieser Anzüge als Geschenk erhalten sollte. Die Anfrage blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Pecik meint auf profil-Anfrage zu den diversen Chat-Details, die Angelegenheit liege fast zehn Jahre zurück. Er betont jedoch, Thomas Schmid keine Anzüge geschenkt zu haben.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.