Jenseits von Signa: Die Innsbrucker Benko-Häuser
Von Stefan Melichar und Eva Sager
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Wäre die Tiroler Landeshauptstadt ein Monopoly-Spielbrett, man müsste in der Innsbrucker Innenstadt recht oft Miete an René Benko bezahlen. Er wäre dort der Mann mit dem Schnauzer und den vielen Grundstücken. Nicht Benko persönlich wohlgemerkt. Aber seine „Laura Privatstiftung“, die der einst gefeierte Immobilien-Tycoon Ende 2006 errichtet hat: zur „Sicherung der Versorgung der Begünstigten“. Die „Begünstigten“, das waren damals die Stifter – Benko und seine Mutter – sowie die Nachkommen des Unternehmers. Mittlerweile ist dieser Vermerk übrigens aus der Stiftungsurkunde verschwunden und einem allgemeinen Verweis auf eine nicht öffentliche Zusatzurkunde gewichen, in der nun der Kreis der Glücklichen definiert ist.
Während also die insolvente Signa Holding gerade dabei ist, ihre Besitztümer – vom Klobesen bis zum Kleiderbügel – im Internet zu versteigern, hat sich profil auf die Suche nach Vermögenswerten gemacht, die in den Privatstiftungen des Signa-Gründers geparkt sind. Und siehe da: Laut Eintragungen und Urkunden aus dem Grundbuch findet sich darunter ein in den Jahren 2006 bis 2008 zusammengekauftes Portfolio aus Zinshäusern und Wohnungen, die bereits 2017 insgesamt 120 Millionen Euro wert waren (augenscheinlich ein Vielfaches des Anschaffungspreises). Wer den Innsbrucker Immobilienmarkt im Auge hat, könnte vermuten, dass der Wert in den vergangenen Jahren eher noch weiter gestiegen sein dürfte.
Zieht man die Spielfigur auf dem imaginären Monopoly-Brett vom Innsbrucker Hauptbahnhof aus in Richtung Altstadt zum „Goldenen Dachl“ oder zum ersten großen Signa-Vorzeigeprojekt „Kaufhaus Tyrol“, kommt man mit großer Wahrscheinlichkeit an gleich mehreren Zinshäusern von Benkos Laura Privatstiftung vorbei – sie besitzt diese übrigens nicht direkt, sondern über Zwischenfirmen. Manche der Gebäude sind modern, andere Altbauten – teils mit protzigen Fassaden und großen Fenstern. Insgesamt geht es um zehn Gebäude. Neun davon gehören der Privatstiftung über Zwischenfirmen zur Gänze. Im zehnten besitzt sie neun von zwölf Wohnungen beziehungsweise Büros, wobei ein kleiner Eigentumsanteil hier auch auf Benkos zweite österreichische Privatstiftung entfällt: die „Familie Benko Privatstiftung“. Bei vielen der Häuser finden sich im Erdgeschoß Geschäftslokale, darüber Wohneinheiten und Büros.
Dass im Benko-Universum abseits der Signa ein solcher Immobilienschatz existiert, scheint durchaus bemerkenswert. Wobei auch hier vor einigen Jahren ein externer Investor an Bord geholt wurde – möglicherweise, um das starre Betongold schnell zu flüssigem Geld zu machen: Die Zinshäuser dienen als Sicherheiten für Hypothekaranleihen, welche 2017 mit einer Laufzeit von 50 Jahren begeben wurden. Die Nennwerte der einzelnen Anleihen summieren sich auf 70 Millionen Euro. Dieser Betrag – plus Zinsen und Kosten – ist mit Pfandrechten im Grundbuch besichert. Damals wurde auch per Gutachten der Marktwert der Immobilien ermittelt: insgesamt rund 120 Millionen Euro. Gezeichnet hat die Anleihen eine deutsche Versicherung: die „Volkswohl-Bund Lebensversicherung a.G.“
Wie es dazu gekommen ist und ob sie die Anleihen immer noch hält, wollte die Versicherung auf profil-Anfrage nicht beantworten: „Zu möglichen Einzelinvestments aus dem Kapitalanlagenbereich äußern wir uns grundsätzlich nicht öffentlich“, heißt es knapp. Dabei dürfte die Versicherung nicht nur bei den Benko-Zinshäusern, sondern auch bei der Signa investiert haben. Sie findet sich auf Gläubigerlisten, welche die Signa Prime Selection AG und die Signa Development Selection AG im Zuge ihrer jeweiligen Insolvenzanmeldung bei Gericht hinterlegt haben. Diese Listen deuten darauf hin, dass die Volkswohl-Versicherung Genussscheine im Bereich der beiden Signa-Immobilien-AGs gezeichnet haben könnte.
profil hat bei zwei Vorständen der Laura Privatstiftung nachgefragt – ohne eine Antwort zu erhalten. Offen ist somit unter anderem, ob bei einem Verkauf der Zinshäuser nach ordnungsgemäßer Bedienung der Anleihegläubiger ein positiver Saldo übrig bleiben würde. Und auch die Frage, ob sich die Laura Privatstiftung mit ihrem Vermögen an der Sanierung der Signa-Gruppe beteiligen wird.
Soweit profil bis dato herausfinden konnte, gehören der Benko-Stiftung laut Grundbuch neben dem Zinshaus-Portfolio – jeweils über Zwischenfirmen – einzelne Wohnungen an zumindest fünf Adressen in Innsbruck. Außerdem jene Villa, in der Benko bis zuletzt seinen gemeldeten Hauptwohnsitz hatte und bei der sich die Finanz ein Pfandrecht von zwölf Millionen Euro vormerken ließ. An einem früheren Wohnsitz Benkos in der Innsbrucker Höhenstraße ist neben der Laura Privatstiftung auch die Familie Benko Privatstiftung beteiligt. Allein gehören der Laura-Stiftung die Nobelabsteige „Chalet N“ sowie eine Pension in Lech, ein Grundstück beim Golfplatz in Seefeld, auf dem ein Luxus-Resort geplant ist, sowie ein Anteil an einem Grundstück in Hall. Alles immer über Zwischengesellschaften.
Aktuell wird die angespannte Situation beobachtet und laufend geprüft.
Öffentliche Hand als Mieterin
Was einige Mieter der Zinshäuser betrifft, zeigt sich durchaus eine gewisse Nahebeziehung zur öffentlichen Hand. Ein Eckhaus in der Innsbrucker Museumstraße soll für die „Lebensraum Tirol Holding GmbH“, die zu 100 Prozent dem Land gehört, zum „Tirol Haus“ umgebaut werden. Ein entsprechender Vorvertrag wurde unterzeichnet. Auf Anfrage teilt die GmbH mit: „Aktuell wird die angespannte Situation rund um die Signa durch die Lebensraum Tirol Holding beobachtet und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Vertrag laufend geprüft.“ Bisher seien keine Kosten entstanden. Falls die Vertragsbedingungen eigentümerseitig nicht eingehalten werden könnten, hätte man „keinerlei Verpflichtungen“. Durchaus überrascht reagierte man auf den Hinweis von profil, dass es sich bei dem Haus um gar kein Objekt der Signa handelt. Offenbar verschwimmen selbst in Benkos Heimatstadt mitunter die Wahrnehmungen, wem eigentlich was gehört.
Auf einer Türklingel des Gebäudes in der Museumstraße steht übrigens: „Die Grünen“. Auf profil-Nachfrage teilen die Tiroler Grünen mit, man sei längst ausgezogen. Man sei von 2001 bis 2017 eingemietet gewesen, die Mietkonditionen hätten dem marktüblichen Preis entsprochen. Ansprechpartner sei die Hausverwaltung gewesen: „Als Grüne haben wir uns von Benko immer fern gehalten, und wie sich herausstellt, war diese Entscheidung auch gut.“
Das einzige Gebäude aus dem Zinshaus-Portfolio, das außerhalb der unmittelbaren Innenstadt liegt, beherbergt unter anderem eine vom Land Tirol, vom Sozialministerium und vom Bildungsministerium finanzierte Interessensvertretung für Menschen mit Behinderung. Auch in jenem Zinshaus, in dem die Benko-Stiftungen nur einen Teil der Wohnungen besitzen, finden sich Spuren zum Land Tirol. Wie seitens des Landes auf profil-Anfrage bestätigt wird, sind der „Tiroler Bodenfonds“ sowie die „Anlaufstelle für Opferschutz“ in Büros untergebracht, die der Besitzgesellschaft der Stiftungen zurechenbar sind. Die Räumlichkeiten würden zu einem ortsüblichen Mietzins angemietet, heißt es. Bis vor rund eineinhalb Jahren war auch die Landesgeschäftsstelle der „Freiheitlichen Wirtschaft“ in diesem Haus angesiedelt – ob auch in diesem Fall das Büro den Benko-Stiftungen gehörte, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Ein besonderer Mieter findet sich übrigens in einem Zinshaus aus dem Reich der Laura Privatstiftung in der Meraner Straße: Hier sitzt das Innsbruck-Büro des Insolvenz-Entgeltfonds (IEF). Der sorgt dafür, dass bei Pleiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterbezahlt werden. Falls sich der IEF einmal umschauen möchte, was abseits der Signa zum Benko-Imperium gehört, ist der Weg denkbar kurz.
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Eva Sager
seit November 2023 im Digitalteam. Schreibt über Gesellschaft und Gegenwart.