Kriegsverbrechen bei Öl-Projekt im Sudan? Frühere OMV-Partner vor Gericht
Es ist ein Gerichtsprozess, der nicht nur in Bezug auf seine erwartete Dauer, sondern auch mit Blick auf die Tragweite Maßstäbe setzt. Am kommenden Dienstag startet vor dem Bezirksgericht von Stockholm die Hauptverhandlung gegen zwei Verantwortliche des schwedischen Ölkonzerns Lundin Energy. Der Vorwurf: Mittäterschaft bei schweren Kriegsverbrechen im Zuge einer Ölsuche im südlichen Sudan in den Jahren 1997 bis 2003. Verhandelt werden soll an drei Tagen pro Woche – bis zum Frühjahr 2026. Ein Monsterprozess, der von Österreich aus wohl mit Argusaugen beobachtet wird: An dem Sudan-Projekt war nämlich auch die teilstaatliche OMV beteiligt.
Die schwedische Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten zusammengefasst vor, Kriegsverbrechen des sudanesischen Regimes unterstützt zu haben, um das lukrative Bohrprojekt voranzutreiben. Es sei darum gegangen, mit militärischer Gewalt Kontrolle über jenes Gebiet herzustellen, in dem die Ölsuche vorangetrieben wurde. Dort herrschte allerdings Bürgerkrieg. Regierungstruppen und verbündete Milizen sollen – so der Vorwurf – systematisch Zivilisten angegriffen haben oder zumindest undifferenziert und unverhältnismäßig vorgegangen sein. Den Angeklagten könnten im Fall einer Verurteilung lange Haftstrafen drohen.
Im Rahmen des seit 2010 laufenden, höchst aufwendigen Ermittlungsverfahrens wurden zahlreiche Zeugen und auch mutmaßliche Opfer einvernommen. Im November 2021 erhob die schwedische Staatsanwaltschaft dann Anklage. Es ist eine Causa von internationaler Bedeutung.
Die Rolle der OMV
Die OMV war im Rahmen des seinerzeitigen Sudan-Projekts Teil eines Konsortiums, das von Lundin angeführt wurde. Gegen den österreichischen Konzern oder dessen Vertreter werden in der schwedischen Anklage keine Vorwürfe erhoben. Dennoch musste sich auch das teilstaatliche österreichische Unternehmen in der Vergangenheit wiederholt Kritik gefallen lassen.
profil berichtete im Juli 2022 ausführlich über die Rolle der OMV und sprach in diesem Zusammenhang auch mit dem schwedischen Chefankläger in dieser Causa. Für diesen scheint klar, dass die OMV laufend über die Kämpfe informiert war und auch über den Einsatz der Regierungsarmee für die Sicherheitsbelange des Ölkonsortiums Bescheid wusste. Nach schwedischem Strafgesetz seien jedoch nur die beiden beschuldigten Lundin-Manager zu belangen. Diese hätten den entscheidenden Einfluss auf die Aktivitäten gehabt und seien verantwortlich für die wesentlichen Kontakte mit dem sudanesischen Regime gewesen, meinte der Staatsanwalt. Die Frage, wie sich die OMV-Vertreter in den Sitzungen verhalten hätten sollen, wollte der Ankläger nicht kommentieren: „Sie müssen bedenken, dass wir nach schwedischem Recht keine Haftung für Untätigkeit haben, nur für aktive Handlungen. Als Staatsanwalt sollte ich nicht über andere Aspekte spekulieren.“
Zwischen Verantwortung und Profit
Lundin und die beiden Angeklagten haben sämtliche Vorwürfe immer zurückgewiesen. Das Unternehmen legt seine diesbezüglichen Standpunkte ausführlich auf einer eigenen Internetseite dar.
Die OMV hat Kritik am eigenen Handeln im Sudan immer zurückgewiesen und noch im Vorjahr darauf gepocht, ein hohes Maß an Verantwortung an den Tag gelegt zu haben. Trotz der höchst problematischen Umstände verkaufte der teilstaatliche Konzern seine Projektanteile letztlich um satte 105,6 Millionen Euro. Bei kumulierten Kosten von 57,2 Millionen Euro blieb rechnerisch ein Gewinn von rund 48,4 Millionen Euro.