Investigativ

Kurz-Einvernahme: Gekommen, um zu schweigen – und dann doch gesprochen

Was sagt Sebastian Kurz zu den Umständen seines Mitschnitts eines Telefonats mit Thomas Schmid? Er belastet Schmid, kritisiert die WKStA und sieht sich völlig unschuldig. profil zitiert aus einem sonderbaren Einvernahmeprotokoll.

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Warum hatte Sebastian Kurz seinen einstmaligen „Prätorianer“ Thomas Schmid im Oktober 2021 angerufen, das Gespräch heimlich aufgezeichnet, um den Mitschnitt dann gut ein Jahr im Safe seines Anwalts abzulegen? Hat er auch dafür gesorgt, dass Schmid betreffende Ermittlungsakten an Journalisten gespielt wurden? Und hat er noch Kontakt zu anderen ehemaligen Mitstreitern, die von der WKStA als Beschuldigte geführt werden? Man kann ja mal fragen.

Am 28. November war Sebastian Kurz zur Beschuldigteneinvernahme vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geladen – zum mittlerweile dritten Mal seit 2021 (die erste Einvernahme fand nach langer Debatte unter der Leitung eines Richters statt, Kurz war damals noch aktiver Bundeskanzler). Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Kurz einerseits wegen falscher Beweisaussage vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss, andererseits wegen seiner Rolle in der „Beinschab“-Inseratenaffäre. Der frühere ÖVP-Chef bestreitet alle Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung.

Eigentlich war Kurz in Begleitung seines Anwalts Werner Suppan nur erschienen, um der WKStA zwei Schriftsätze zu übergeben: Eine einseitige „Verantwortliche Äußerung“, in welcher der Ex-Kanzler erklärt, er habe das Telefonat mit Schmid 2021 aufgenommen, um herauszufinden, ob dieser „sein Fehlverhalten zugibt“. Daneben übergab Kurz noch einen 21-seitigen Schriftsatz seines Anwalts, der den Falschaussagevorwurf widerlegen und ausgewählte Aussagen Schmids erschüttern soll.

Wo er aber schon da war, hatte die WKStA dann doch ein paar Fragen – heraus kam ein 22-seitiges Protokoll, das nun Teil des Ermittlungsakts ist. Dieses liegt profil vor.

Vorneweg: Substanziell Neues kam in der fünf Stunden und 45 Minuten dauernden Befragung (mit Pausen) nicht heraus. Kurz legte fortgesetzt Wert auf die Feststellung, dass er sich strafrechtlich nie etwas zuschulden kommen habe lassen, bei Thomas Schmid war er da nicht ganz so überzeugt. Das scheint nun Teil der Strategie zu sein: Wenn überhaupt jemand etwas angestellt hat, dann war es Schmid – und nicht etwa Kurz.

Warum er Schmid 2021 angerufen und aufgezeichnet hatte, wollte die WKStA wissen?

Es war eine Kombination aus der ausgelösten Irritation aufgrund seiner Reaktion auf unser Telefonat zuvor, die genaue Auseinandersetzung mit dem Strafakt und dem eindeutigen Gefühl, dass er sich da etwas zuschulden kommen hat lassen, und der Wunsch mehr oder potentiell involvierte Personen herauszufinden.“ Er habe „die Informationen gewollt, um ein klares Bild für mich zu bekommen. Ich weiß nicht, ob sie sich das vorstellen können, wenn ihnen etwas vorgeworfen wird, was sie nicht begangen haben, dann hören sie sich natürlich jedes Detail an, jeden Namen, der genannt wird, jede Gewichtung ganz genau an, um Klarheit zu bekommen, was die Wahrheit ist und wo sie überall im Widerspruch steht, mit dem was von der WKStA in den Raum gestellt wird.“

Warum Kurz den Mitschnitt nicht schon viel eher vorgelegt hatte, wo er doch – seiner Ansicht nach – entlastet werde?

„Ich habe die Aussage deshalb vorgelegt, weil es medial ein Thema war. Grundsätzlich würde ich es begrüßen, wenn Verfahren vor Ermittlungsbehörden und nicht in der Öffentlichkeit geführt werden. Weil ich einem massiven öffentlichen Vorverurteilung ausgesetzt war, hielt ich es für notwendig, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen und dass MMag. Schmid die Anschuldigungen gegen mich einfach erfunden hat, um selbst einen Vorteil zu erhalten, nämlich straffrei auszugehen.“

Auf Nachfrage der WKStA offenbarte Kurz, dass er selbst mit einer Anklage rechnet – und den Gesprächsmitschnitt eigentlich erst vor Gericht vorlegen wollte.

„Auf Nachfrage der WKStA in Beobachtung anderer Strafverfahren bisher hatte ich manchmal den Eindruck, dass vehement versucht wird von der Staatsanwaltschaft an der Ursprungsthese festzuhalten, auch wenn andere Beweise und Aussagen diese Ursprungsthese schon in Frage gestellt haben. Daher war mein persönlicher Eindruck, dass die Staatsanwaltschaft ,Beweise hin oder her‘ ohnehin stets das Ziel haben würde mich anzuklagen, und daher habe ich mich persönlich nicht nur darauf eingestellt, sondern auch meine eigene Energie und meine Beweise für meine Unschuld grundsätzlich für das Verfahren vor Gericht vorgesehen.“

Die Feststellung transportiert einmal mehr den Vorwurf, die Staatsanwaltschaft würde einseitig verfolgen und willkürlich anklagen. Kurz hat die WKStA freilich schon kritisiert, als er noch Bundeskanzler war, das kommt nicht überraschend.

Überhaupt habe Schmid in dem Telefonat 2021 die Wahrheit gesagt – und nicht etwa im Zuge von mittlerweile 17 Einvernahmen (in welchen Schmid Kurz teils schwer belastete).

„Meiner Ansicht nach sagt MMag. Schmid im geheim aufgezeichneten Telefonat die Wahrheit und nicht in der Beschuldigtenvernehmung. Auch dabei ging es ihm darum, seinen Kronzeugenstatus zu erreichen. Ganz allgemein finde ich interessant und denke berücksichtigungswert, dass er den Inhalt des aufgezeichnetes Telefonats Ihnen gegenüber niemals erwähnt hat, zahlreich Vernehmungstage mit Ihnen verbracht hat, Ihnen detailreich geschildert hat, wann er mich getroffen hat, wo er sein Handy dabei hingelegt hat, mit welchem Fahrer ich zum Termin erschienen bin, ob es in der Früh oder am Abend war, interessanterweise das klitzekleine Detail, dass er mit mir ein Telefonat geführt hat, wo er in weiten Teilen das genaue Gegenteil gesagt hat wie in den Kronzeugenvernehmungen, genau dieses eine klitzekleine Detail nicht berichtet hat. Ich kann mir nicht helfen, aber für mich wirkt das doch offensichtlich, dass hier jemand frei von der Seele weg spricht in einem Telefonat wo er nicht merkt, dass es aufgezeichnet wird und auf der anderen Seite keine Skrupel hat, in tagelangen Gesprächen mit Ihnen Dinge zu erfinden, die nicht der Realität entsprechen mit dem sehr klaren Kalkül dahinter.“

Das ist jetzt insofern interessant, als Schmid nach eigener Darstellung damals fürchtete, aufgezeichnet zu werden, weshalb er „herumgeschwurbelt“ habe.

Im Verlauf der Einvernahme versuchte Kurz mehrfach, Schmid schlecht aussehen zu lassen, um sich zugleich von ihm abzugrenzen.

„Meine Wahrnehmung ist, dass ich ihn aufgefordert oder ihm nahegelegt habe, dass - wenn er tatsächlich unkorrekt gehandelt hat - dies auch zuzugeben und klarerweise auch öffentlich zu machen, nachdem es ja auch medial ein riesiges Thema war. Seine Antwort, das mit seinem Anwalt besprechen zu müssen, war für mich irritierend, da ja jeder wissen sollte, ob er sich etwas zu schulden kommen hat lassen oder nicht … Die Reaktion, dass er sich mit seinem Anwalt besprechen müsse, war für mich etwas, was ich als dubios oder irritierend empfunden habe.“

Oder: „Was er sagt ist nicht die Bibel, sondern seine Aussage entspricht in vielen Bereichen nicht der Wahrheit. Trotzdem hat er mir, wie sich jetzt rückblickend feststellen lässt, damals nie einen ehrlichen Gesamtüberblick über das, was er sich zuschulden kommen hat lassen, gegeben, sondern Vorwürfe gegen ihn als konstruiert bezeichnet und versucht, sein Fehlverhalten und seine Formulierung zu verharmlosen.

Ob er, Kurz, noch Kontakt zu Leuten aus seinem ehemaligen Stab hat, namentlich Gerald Fleischmann, Johannes Frischmann und Stefan Steiner (allesamt Mitbeschuldigte, die sämtliche Vorwürfe bestreiten)?

Natürlich. Wir unterhalten uns über diese Vorwürfe nicht, die sind ja schon ein Jahr alt. Über Berufliches oder Privates tauschen wir uns aber sehr wohl aus.

Was hat es mit einem „Amtsvermerk“ auf sich, der Verdachtslagen gegen Thomas Schmid beschreibt und unter bemerkenswerten Umständen im März 2021 an die Öffentlichkeit gelangt war. Hatte Kurz dafür gesorgt, dass der Bericht der WKStA an Journalisten gespielt wurde?

Nach einer kurzen Besprechung mit seinem Anwalt beantwortete Kurz diese Frage nicht. Er ließ auch offen, ob er 2021 Chatnachrichten zwischen Thomas Schmid und ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian an Journalisten weitergegeben hatte. Schmid hatte in einer seiner Einvernahmen ausgesagt, dass er Kurz die Katzian-Chats übergeben hatte – gegen das Versprechen, dass die nicht öffentlich wurden. Die Chats landeten schließlich in der „Kronen Zeitung“, was laut Schmid zum Bruch mit Kurz führte.

Kurz dazu: „Wie vorher schon ausgeführt, habe ich aufgrund der medialen Berichterstattung ein Interesse gehabt, mir ein Gesamtbild zu machen und nicht schrittweise durch die mediale Veröffentlichung von Chatnachrichten immer neue Aspekte von Thomas SCHMIDs Agieren scheibchenweise zu erlangen. Mir hat er allerdings nur meine Chatnachrichten mit ihm übergeben.“

Zu wesentlichen anderen Punkten – so etwa zu seinem Wissen über das „Beinschab-Umfragen-Tool“ – entschlug er sich der Aussage.

„Ich bin heute nur da, um zum Telefonat auszusagen.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.