Kurz und sein Telefonmitschnitt: Was Thomas Schmid dazu sagt
Vor einigen Tagen ließ Sebastian Kurz das Transkript eines Telefonats mit Thomas Schmid veröffentlichen, das Kurz im Oktober 2021 heimlich aufgezeichnet hatte. Eine Reaktion auf die kurz zuvor öffentlich gewordenen Einvernahmeprotokolle von Thomas Schmid.
Wie ausführlich berichtetet, hatte Schmid den vormaligen ÖVP-Bundeskanzler gegenüber der WKStA unter anderem in der „Causa Beinschab“ schwer belastet.
In dem Monate vor der ersten Beschuldigteneinvernahme Schmids aufgezeichneten Telefonat hatte Schmid das noch nicht getan: Weder hatte er Kurz eine Involvierung in die Affäre um manipulierte Meinungsumfragen vorgeworfen, noch hatte er persönlich dafür die Verantwortung übernommen. Schmids zentrale Botschaft in dem Telefonat war vielmehr, dass sie beide – Kurz und Schmid – sich nichts zuschulden kommen hätten lassen.
Wie passt das zusammen?
Am 21. Oktober wurde Schmid ein weiteres Mal von der WKStA einvernommen – zum mittlerweile 16. Mal. Auch dieses Protokoll liegt profil vor, zuvor hatte bereits das ORF-„Mittagsjournal" berichtet.
„Sichtlich ,herumgeschwurbelt‘“
Schmid über Schmid und Kurz: „Unmittelbar nach den Durchsuchungen (Anm.: der ÖVP-Parteizentrale), ich glaube am 7. Oktober 2021, ich weiß es war noch in der Früh und ich war zuhause, hat Kurz mich angerufen. Er hat mir sinngemäß gesagt, es ist nun zu retten was zu retten ist, ich müsse jetzt die Schuld auf mich nehmen. Er hat mir dann sinngemäß einen Text diktiert (diesen hat er erkennbar vorgelesen bzw vorbereitet gehabt), nämlich, dass ich bestätige, dass er mit dem Beinschab-Tool nichts zu tun habe und auch nichts davon wisse. Ich habe ihm gesagt, dass ich mir das überlegen muss, fragte aber, ob ich ihm irgendeine Stellungnahme abgeben kann, ich sah mich verpflichtet zu unterstützen. Ich habe unmittelbar danach mit meinem Anwalt Kontakt aufgenommen und ihm über das Gespräch und den Wunsch von Kurz berichtet. Er riet mir dringend davon ab, man müsse vorher alles genau lesen und analysieren, das könne man auch nicht von mir verlangen. Kurz hat mehrmals versucht, mich zurückzurufen.“
Am 18. Oktober 2021 telefonierten die beiden ein weiteres Mal – und dieses Mal lief aufseiten von Kurz offenbar der Recorder mit. Schmid dazu: „Ich bin zur damaligen Zeit so wie mein ganzes Umfeld davon ausgegangen, dass behördliche Telefonüberwachungen laufen. Wir haben zwar bewusst nur mehr über Signal oder Whatsapp telefoniert und gechattet, dennoch wusste keiner, ob man nicht auch das überwachen kann. Ich war daher schon grundsätzlich vorsichtig. Im Zuge des Telefonats habe ich nach den ersten Minuten vor allem nach seiner Frage zu den strafrechtlichen Vorwürfen und ob ich mir die erklären könne den Eindruck gewonnen, dass vielleicht auch Kurz das Telefonat aufzeichnen könnte. Wenn ich jetzt das Transkript kenne, war dies sicher nach den offensichtlichen Suggestivfragen, wie ,Aber ich habe dir doch nie irgendwie... wir haben doch nie einen Auftrag gegeben, oder wir haben doch nicht einmal über und Inserate und sowas geredet‘ oder ,Ich habe doch nie gesagt, du sollst der Beinschab irgendwelche Aufträge geben, oder?' der Fall. Da aber sowohl Kurz als auch ich gleichermaßen wussten, dass das Gegenteil der Wahrheit entsprach und ich ja nicht nur seine Aufträge im Zusammenhang mit dem Beinschab-Österreich-Tool kannte, sondern besonders weil ich mich mit ihm sehr häufig über Inserate und deren wichtige Wirkung bei der Steuerung von Medien unterhalten habe, habe ich mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen, dass es eine ,Verteidigungsrede‘ für die überwachende Staatsanwaltschaft oder für seine eigene Aufnahme sei. Ab diesem Zeitpunkt habe ich sichtlich ,herumgeschwurbelt‘. Ich habe ihm die damalige gemeinsame Verteidigungslinie ,bestätigt‘, wonach es ja gar keine Straftaten gegeben hätte und habe alles klein geredet. Bei seiner nochmaligen Nachfrage zu seinem Auftrag und ,welches kranke Gehirn darauf kommt‘, und dass es für mich „´,eh leid tut‘, habe ich nicht mehr gewusst, ob er hier eine gemeinsame Verteidigungslinie ,diktiert‘, oder ob sein Plan ist, mich zum Sündenbock zu machen. Ich habe deshalb sehr kryptisch und ausweichend geantwortet, ,Naja, das mit dem Anstiften, das ist ja zum Beispiel irgendwie etwas was ... ich kann dir das nicht konkret beantworten, weil das immer etwas Abstraktes ist.‘"
Es sei für ihn Schmid, „bezeichnend, dass Kurz, der von sich behauptet vollkommen unschuldig zu sein, in einem Gespräch künstlich auf eine mehrfache Bestätigung hinzuwirken versuchte, dass er vom Tool nichts wissen, obwohl dies schon damals zahlreichen Chats und Beweisergebnissen widersprach, die in allen Medien überall präsent waren“.
„Es hat förmlich ,geknistert‘‘
Auf Nachfrage der WKStA, warum er, Schmid, das Telefonat mit Kurz bei keiner vorangegangenen Einvernahme erwähnt hatte, entgegnete dieser: „Ich hatte das auf dieses Telefonat folgende Treffen bei der politischen Akademie noch unangenehmer in Erinnerung und habe deshalb - ohne danach gefragt worden zu sein - auf dieses gleich am Beginn der Vernehmung am 21. Juni 2022 verwiesen. Bei diesem Treffen bin ich ja schon aufgrund des seltsamen Telefonats davon ausgegangen, dass mich Kurz möglicherweise abhören bzw. aufnehmen möchte. Deshalb habe ich vorab Mag. Blümel gefragt, ob er weiß, dass Kurz ,verwanzt‘ ist. Wir sind damals sehr weit auseinander gesessen (es war ein Seminarraum), es hat förmlich ,geknistert‘ und ich bin schon aufgrund der Körpersprache von Kurz sehr misstrauisch gewesen. Wir haben uns auch dort - ähnlich wie im Telefonat - wechselseitige ,Durchhalteparolen‘ zugerufen bzw. in Wordings der Unschuld gesprochen. Er hat es bei diesem Treffen nochmal darauf angelegt mich zu eindeutigen (ihn entlastenden) Aussagen zu bewegen und hat noch einmal sehr vehement und unangenehm darauf gedrungen, dass ich ihm unbedingt das ,Kastl‘ geben müsse. Das sei ihm sehr wichtig für die Vorbereitung des Untersuchungsausschusses, er wolle ein Team mit der Auswertung beauftragen, um zu ,screenen‘ welche Inhalte die anderen Parteien diskreditieren könnten. Er hat nämlich immer wieder darauf hingewiesen, dass die anderen Parteien ja sicher genauso wären und das müsse man finden.“
Auf weitere Nachfrage der WKStA, warum Schmid in dem Telefonat nicht explizit erwähnt habe, dass die notorischen Beinschab-Aufträge von Kurz selbst gekommen waren, sagte Schmid: „Es war für mich eine extreme Drucksituation und ich habe ja eine Überwachung befürchtet. So eine Antwort wäre damals daher keinesfalls in Betracht gekommen, weil sie ja der gemeinsamen Verteidigungslinie widersprochen hätte.“
Ob Schmid eines der Telefonate mit Kurz aufgezeichnet habe? Schmid gegenüber der WKStA: „Nein, ich habe keine Mitschnitte von Telefonaten gemacht und habe auch keine Screenshots oder sonstige ,Beweissicherungsaktionen‘ gemacht.“
Die WKStA geht übrigens davon aus, dass Kurz das Telefonat mit Schmid am 18. Oktober 2021 nicht selbst aufgezeichnet hat. Vielmehr soll das iPhone eines anwesenden Chauffeurs von Kurz verwendet worden sein.