Lobbying-Milliardäre: Von Stiftungen, Dufreunden und Lausbuben
Von Stefan Melichar
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Findige Unternehmer mit viel Geld und einem ausgefuchsten Plan. Ein befreundeter Minister, dessen privates E-Mail-Postfach für das Einwerfen von Wünschen genutzt werden kann. Abgeordnete mit einem offenen Ohr für dienliche Gesetzesänderungen. Boulevardzeitungen, bei denen man mehr als ein Mal eine Intervention wagen darf. Ein karrierebewusster Spitzenbeamter, der irgendwann zu viel Eigenleben entwickelt. Und ein Szene-Gastronom als Schaltstelle für Lobbying à la carte.
Was wie ein Drehbuch für die nächste Staffel der ORF-Serie „Vorstadtweiber“ klingt, entstammt einem Auswertungsbericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vom 1. Februar 2024. Die unfreiwilligen Hauptdarsteller: das Zeitungsmacher-Ehepaar Eva Dichand („Heute“) und Christoph Dichand („Kronen Zeitung“) sowie der Investor Michael Tojner.
Bekanntlich ermittelt die WKStA gegen die Dichands wegen Korruptionsverdachts. Inseratenvergaben der öffentlichen Hand sollen gegen gewogene Berichterstattung in Bezug auf den damaligen Polit-Shootingstar Sebastian Kurz und seine ÖVP abgetauscht worden sein. Doch nicht nur das: Auch spezielle Wünsche von Eva Dichand in Bezug auf das Privatstiftungsrecht hätten berücksichtigt werden sollen. Die Dichands und auch Kurz haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
Die Wünsche der Stifter
Das Thema Privatstiftungen klingt nach spröder Juristerei. Es hat für einen kleinen, aber reichen Teil der Bevölkerung jedoch große finanzielle und emotionale Tragweite – und steht im Zentrum des WKStA-Amtsvermerks von Anfang Februar. Dieser liegt profil vor, Mitte der Woche berichteten „Der Standard“, der ORF und der Podcast „Die Dunkelkammer“ erstmals darüber.
Es geht – wie so oft – ums Geld: Privatstiftungen wurden in den 1990er-Jahren eingeführt, um große Vermögen dauerhaft parken zu können. Der Stifter überträgt sein Hab und Gut an die Stiftung, die keinen Eigentümer hat, sondern rechtlich für sich selbst steht. Weitgehend unabhängige Stiftungsvorstände managen das Vermögen, ein festgelegter Kreis aus Begünstigten erhält Zuwendungen – letztlich Geld. Der Vorteil: Das Ganze war zumindest zunächst steuerlich ziemlich günstig. Außerdem können große Besitztümer über Generationen hinweg beisammengehalten werden. Der Nachteil: Stifter müssen die direkte Kontrolle aufgeben und können das Konstrukt auch dann nicht leicht beenden, wenn es wirtschaftlich eigentlich von Vorteil wäre. Das Vermögen steckt praktisch fest, Ausschüttungen sind nicht jederzeit so einfach möglich.
Im Jahr 2017 legte das Justizministerium (BMJ) unter Minister Wolfgang Brandstetter einen Entwurf für eine Gesetzesnovelle vor. Doch der stieß bei den Betroffenen auf wenig Gegenliebe – unter anderem offenbar bei Eva Dichand. Die Dichands zählen zum Kreis der Privatstifter und sind politisch bestens vernetzt. Eva Dichand und Thomas Schmid, der damalige Generalsekretär und Kabinettschef im Finanzministerium, kennen einander seit Studienzeiten – und später wurden beide mächtige Menschen im Staate. Ende Juni 2017 schreibt eben dieser Thomas Schmid an seinen Minister Hans Jörg Schelling (ÖVP): „Eva Dichand und Stiftungen sind total sauer. Brandstetter Begutachtungsentwurf ist schlecht und beinhaltet Transparenz Regelungen. Sie macht jetzt Terror.“
„Danke, dass Du dich drum kümmerst!“
Und das ist nicht die einzige Nachricht zwischen den beiden. Im nun vorliegenden Amtsvermerk listet die WKStA mögliche weitere Interessenslagen von Eva Dichand auf: Einmal beschwerte sie sich bei Schmid über eine „blöde“ Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bezüglich „Stiftungen und Kunstwerke (dass die nicht beim Begünstigten haengen durfen)“. Nachsatz: „Danke, dass Du Dich drum kummerst!“
Ein andermal vertrat das BMF eine gegenteilige Rechtsansicht über die steuerlichen Konsequenzen einer möglichen Umgestaltung im Stiftungsgefüge rund um Eva Dichand. Eine Intervention des Steuerberaters beim Sektionschef dazu hatte offenbar keinen Erfolg. Die von Dichand und anderen Privatstiftern vehement abgelehnte Gesetzesnovelle des BMJ hingegen verschwand in der Schublade, nachdem sich auch das Finanzministerium – wo Eva Dichand laut obigem Schmid-Chat ordentlich Luft abgelassen hatte – dagegenstemmte. Neben mehr Transparenz waren darin auch Änderung in Bezug auf die Machtbalance zwischen Stiftungsvorstand und Stiftern angedacht.
„Dufreund“ und „Lausbub“
Rund um diese gescheiterte Novellierung stieß die WKStA jedoch auf weitere spannende Interventionsversuche. Nicht zuletzt wegen eines profil-Artikels aus dem Jahr 2021 nahmen die Ermittler nun die Connection zwischen den Dichands und dem Milliardär Michael Tojner, der das umstrittene Hochhausprojekt am Wiener Heumarkt betreibt, genauer unter die Lupe. (profil hatte in Zusammenhang mit einem früheren Ermittlungsverfahren, von dem Tojner betroffen war, aus Akten zitiert, die nun das Interesse der Dichand-Kurz-Ermittler weckten. Betont sei, dass Tojner in der vorliegenden Causa nicht zu den Beschuldigten zählt und alle sonstigen Vorwürfe immer bestritten hat.)
Sichergestellte E-Mails und Dokumente deuten darauf hin, dass Tojner die Novellierung des Stiftungsrechts seinerseits vorantreiben wollte, um mit einer Investorengruppe in einem generalstabsmäßig geplanten Coup die wertvollen Begünstigtenrechte der B&C Privatstiftung übernehmen zu können. Dort wurden einst die
Industriebeteiligungen von Bank Austria und Creditanstalt geparkt. Bereits im April des Jahres 2017 schien Christoph Dichand in einer Projektunterlage als einer von Tojners Co-Investoren bei dem geplanten Deal auf.
Lobbying beim Minister
Wie sich aus dem Amtsvermerk der WKStA ergibt, zogen Tojner und seine Anwälte alle Register in Sachen Lobbying. Man stand mit zwei damaligen SPÖ-Nationalratsabgeordneten in Kontakt: Hannes Jarolim und Peter Wittmann. Und man schickte einen eigenen Gesetzesvorschlag an eine private E-Mail-Adresse von Minister Brandstetter, den Tojner gegenüber einem Berater als „persönlichen Dufreund“ bezeichnete. Brandstetter und Jarolim wiesen gegenüber dem „Standard“ Fehlverhalten zurück. Wittmann erklärte in einer Stellungnahme im Bezug auf seine Rolle: „Es ist richtig, dass wir uns seine Vorschläge angehört haben, aber wir haben keine Umsetzungsschritte gesetzt.“
In den bisher vorliegenden Daten konnte die WKStA übrigens keine Kommunikation zur Stiftungs-Novelle im Jahr 2017 zwischen Tojner und Christoph Dichand finden. Kurioserweise könnte es sich ergeben haben, dass „DDr. Tojner im BMJ (erfolglos) für eine Novelle, Dr. Eva Dichand im BMF (erfolgreich) gegen eine Novelle intervenierte“.
Weitere potenzielle Investoren, die im Zuge des B&C-Projekts auftauchten, waren Andritz-Chef Wolfgang Leitner und KTM-Boss Stefan Pierer. Im Oktober 2018 schrieb Tojner dann an Christoph Dichand: „Rene benko will auch mitmachen…“ Der „Krone“-Herausgeber zeigte sich skeptisch: „Sind wir nicht schon voll? Denke, wir brauchen noch Platz für öbib, habe schon pos. Signal.“
Szene-Gastronom als Verbindungsmann
Zunächst sah man im Tojner-Lager in der Staatsholding ÖBIB, die etwas später zur ÖBAG werden sollte, offenbar einen guten Partner in Sachen B&C-Deal. Dann entwickelte BMF-Generalsekretär Schmid, der damals zum Karrieresprung ansetzte und ÖBAG-Chef werden wollte, ein unerwünschtes Eigenleben. „Die Sache mit Thomas Schmid entwickelt sich leider nicht sehr erfreulich“, schrieb Tojner einem Wiener Szene-Gastronomen, den er offenbar wiederholt für Lobbying im politiknahen Bereich einsetzte: Schmid habe ihn „wie ein ‚Lausbub‘ seit 3-4 Wochen“ nicht zurückgerufen und im Hintergrund Gespräche geführt, die Tojners Interessen offenbar zuwiderliefen. Der Gastronom antwortete eilfertig: „Was soll ich machen? Ihn treffen???“
Letztlich wurde aus den B&C-Plänen nichts, obwohl Tojner lange daran feilte. Im Februar 2019 antwortete Christoph Dichand dem Milliardärskollegen auf eine diesbezügliche Nachricht: „Lieber Michi! Bitte möglichst wenig per Mail senden.“ Die WKStA hält darüber hinaus fest, dass Tojner mehrfach versucht hätte, „seine Interessen durch Intervention bei Dr. Eva Dichand für eine ihm wohlwollende Berichterstattung in ‚Heute‘ und bei Dr. Christoph Dichand bei der ‚Kronen Zeitung‘ durchzusetzen“. In einigen Fällen sei ersichtlich, dass den Interventionen auch entsprochen werden sollte. Die Dichands haben derartige Einflussnahme auf ihre Redaktionen immer bestritten.
Kommenden Freitag soll das Urteil im Prozess gegen Sebastian Kurz wegen des Verdachts der Falschaussage vor dem Ibiza-U-Ausschuss fallen (der Ex-Kanzler bestreitet die Vorwürfe). Thomas Schmid, der Kronzeugenstatus anstrebt, hat sowohl in der dortigen Causa als auch in Bezug auf die Dichand-Kurz-Ermittlungen belastende Aussagen getätigt. Nun könnte sich erstmals zeigen, ob ein Gericht ihn grundsätzlich für glaubwürdig hält. Das Urteil wird erst nach dem Redaktionsschluss der nächsten profil-Ausgabe fallen. Wir berichten ausführlich auf profil.at.
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).