Investigativ

Notstand erfunden? Heikle Fragen um neue Biogas-Anlage in NÖ

Wurde in der Region Amstetten die Gefahr eines Notstands herbeigeredet, um ein umstrittenes Müllentsorungsprojekt möglichst rasch durchzupeitschen? Im Zentrum der Affäre: ÖVP-Politiker Anton Kasser, der oberste politische Abfallentsorger der Republik.

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Politisch gesehen ist Anton Kasser so etwas wie der oberste Müllentsorger der Republik: Als Präsident der „Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Abfallwirtschaftsverbände“ vertritt er die Interessen von Gemeinden und Gemeindeverbänden mit insgesamt rund sieben Millionen Einwohnern. In Niederösterreich steht der ÖVP-Landtagsabgeordnete einer ähnlichen Organisation vor. Und im Bezirk Amstetten hat Kasser nicht nur das Amt des Bürgermeisters von Allhartsberg inne, das er bei der Gemeinderatswahl am 26. Jänner zu verteidigen gedenkt. Er ist auch Obmann des regionalen „Gemeinde Dienstleistungsverbands“ (GDA), der unter anderem die Müllentsorgung von mehr als 30 Kommunen regelt. Doch hier gibt es nun ein Problem.

Das Problem hat rund 20 Millionen Euro gekostet und steht in der Gemeinde Aschbach-Markt: Es handelt sich um eine neue Biogas-Anlage, die vertragsgemäß seit Jahresbeginn den Biomüll zu übernehmen hat, welcher in 34 GDA-Gemeinden anfällt. Betreiber ist die örtliche Firma Fuchsluger, die 2022 eine diesbezügliche Ausschreibung gewonnen hat. Und wie so oft im Bereich von Infrastrukturprojekten prallen auch hier Interessen aufeinander. Die Anlage steht nämlich gerade einmal 200 bis 300 Meter von einer Wohnsiedlung entfernt. Und manch Anrainer ist alles andere als glücklich über die groß angelegte Müllentsorgung vor der eigenen Nase.

Nun gibt es rechtsstaatliche Mechanismen, um solche Konflikte zu entscheiden. profil-Recherchen werfen allerdings die Frage auf, ob diese Mechanismen hier ordnungsgemäß gegriffen haben – und nicht vielleicht sogar bis zu einem gewissen Grad ausgehebelt wurden.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.