Umstrittene Anlage besonders schnell umgesetzt
Oft hört man, wichtige Infrastrukturprojekte würden in endlos langen Genehmigungsverfahren stecken bleiben. Davon kann bei der Biogas-Anlage im Bezirk Amstetten keine Rede sein. Die Fuchsluger GmbH beantragte im März 2023 beim Land Niederösterreich die Genehmigung. Keine zwei Jahre später steht die Anlage. Dass das bei einer kalkulierten Bauzeit von rund einem Jahr überhaupt möglich war, liegt an einem besonderen rechtlichen Umstand: Grundsätzlich haben Beschwerden gegen behördliche Bescheide aufschiebende Wirkung. Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung aber ausschließen, wenn aus ihrer Sicht Gefahr im Verzug besteht. Und genau das ist hier geschehen.
Mehrere Anrainerinnen und Anrainer haben – vertreten durch die auf Umweltverfahren spezialisierte Anwaltskanzlei List – zwar beim Landesverwaltungsgericht (LVwG) Niederösterreich eine Beschwerde eingebracht. Über die Genehmigung hat das LVwG bis heute nicht entschieden, den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht aber bestätigt. Die Firma Fuchsluger durfte die Anlage also bereits bauen.
Brisantes Schreiben bei Gericht vorgelegt
Die Art und Weise, wie es dazu gekommen ist, wirft heikle Fragen auf. Einerseits stützte das LVwG seine Entscheidung im Februar 2024 darauf, dass dem Betreiber bei einer Verzögerung ein unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil drohen würde. Andererseits stellte das Gericht auch ein überwiegendes öffentliches Interesse fest. Im Beschluss, der profil vorliegt, heißt es, dass eine ordnungsgemäße Behandlung biogener Abfälle „aufgrund der auslaufenden Verträge für 34 Gemeinden nur bis Ende des Jahres sichergestellt“ sei. Mit anderen Worten: Ohne Start der Fuchsluger-Anlage per 1. Jänner 2025 stünde die Region ohne Biomüll-Entsorgung da, weil die Verträge mit den bisherigen Entsorgern enden würden.
Wie gelangte das Gericht zu dieser Einschätzung? Augenscheinlich lief das so: Die Fuchsluger GmbH legte dem LVwG ein Schreiben des Gemeindeverbands vor – unter anderem unterzeichnet von Obmann Kasser. Darin sprach sich der GDA vehement für die rasche Umsetzung aus und wies darauf hin, dass die Entsorgung damals auf Grundlage „eines noch bis Ende 2024 aufrechten Vertragsverhältnisses“ mit mehreren Kompostierungsanlagen erfolge, dass diese „aktuelle Entsorgungsmöglichkeit ab 2025 nicht mehr besteht“ und dass auch „nicht auf kurzfristige Übergangslösungen zurückgegriffen werden“ könne.
Gefahr eines Notstands herbeigeredet?
Keine ordentliche Biomüllentsorgung mehr, wenn das Projekt nicht fertig wird? Das klingt nach einem drohenden Notstand. Aber stimmt das auch?
Das Schreiben ist mit 22. Jänner 2024 datiert. profil-Recherchen zufolge hat der GDA den damals noch aufrechten Vertrag mit der sogenannten „ARGE Kompost Amstetten“ jedoch von sich aus gekündigt – und zwar erst Monate später mit einem wiederum auch von Kasser unterzeichneten Schreiben vom 10. April 2024. Ein Sprecher der „ARGE“ bestätigte das Kündigungsdatum und teilte profil auf Anfrage mit: „Natürlich wäre die ARGE Kompost in der Lage gewesen, weiterhin die Biomüllabfälle zu übernehmen.“ Hätte rechtlich etwas dagegen gesprochen? Hätte etwa erneut ausgeschrieben werden müssen? Laut ARGE-Sprecher wurde der Vertrag 2012 für zehn Jahre geschlossen und sei seit 2022 auf Basis einer mündlichen Verlängerung weitergelaufen – also offenbar auch bis dahin schon ohne neuerliche Ausschreibung.
Politiker ließ heikle Fragen unbeantwortet
Sollte mithilfe eines erfundenen Notstands das Biogas-Projekt schneller durchgepeitscht werden? War dem GDA und Obmann Kasser bewusst, dass die Fuchsluger GmbH das Schreiben bei Gericht als Beweis vorlegen würde? Sowohl der GDA als auch Kasser ließen zahlreiche Detailfragen von profil zum Schreiben vom 22. Jänner 2024 unbeantwortet. Allgemein teilte der GDA mit, man habe entschieden, die Verwertung von Bioabfällen dahingehend zu optimieren, auch das entstehende Gas zu nutzen. An einer europaweiten Ausschreibung hätten mehrere Anbieter teilgenommen, Fuchsluger sei Bestbieter gewesen. Auf Basis dieses Vertragsabschlusses sei der GDA rechtlich verpflichtet, ab dem 1. Jänner 2025 „das Material der Firma Fuchsluger zur Behandlung gemäß den technischen Vorgaben der Ausschreibung zu überlassen“. Das Projekt verfolge „eine klare Ausrichtung auf Klimaschutz und die Reduktion von Treibhausgasen“. Man habe „volles Vertrauen in die rechtskonforme Abwicklung und Durchführung der behördlichen Verfahren durch die zuständigen Behörden“.
Betreiberfirma: „Projekt sehr sorgfältig geplant und umgesetzt“
Auch die Firma Fuchsluger ging auf profil-Anfrage nicht auf das GDA-Schreiben ein. Man betont, der Genehmigungsbescheid sei „nach einer sehr umfangreichen Bewertung und Überprüfung durch die zuständigen Amtssachverständigen und Juristen“ erstellt worden. Eine EU-Verordnung ziele darauf ab, Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie beschleunigt umzusetzen. Das Projekt sei „sehr sorgfältig und unter Mithilfe ausgewiesener Experten geplant und umgesetzt“ worden. Auflagen der Behörden würden eingehalten. Man gibt sich zuversichtlich, dass in den noch offenen Verfahren die Gerichte die behördlichen Entscheidungen bestätigen würden.
Falls nicht, könnte das weitreichende Folgen haben: Sollten sich die Anrainer mit ihrer Beschwerde durchsetzen, würde wohl nachträglich die Genehmigung wegfallen – mit potenziell gravierenden Konsequenzen. Im Beschluss vom Februar 2024 meint das LVwG, dass „selbst die zwischenzeitige Vollendung des Bauwerks einem späteren Abbruch nicht entgegenstünde“. Die schnelle Tour birgt eben auch gewisse Risiken.