Investigativ

ÖVP-Wahlkampfagentur im Fokus von WKStA und Wettbewerbsbehörde

Mitten in den niederösterreichischen Landtagswahlkampf platzten Ermittlungen gegen die Werbeagentur Media Contacta. Der Verdacht: „Wettbewerbsbeschränkende Absprachen“. Das Unternehmen erhielt mehr als eine Million Euro aus Ministeriumsaufträgen – und wird immer wieder für ÖVP-Wahlkämpfe gebucht.

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Für die ÖVP Niederösterreich kommen die Ermittlungen zur Unzeit, elf Tage vor der Landtagswahl: Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) ermittelt im Umfeld der ÖVP-nahen Werbeagentur Media Contacta, es geht dabei um mögliche Ungereimtheiten bei Auftragsvergaben von öffentlichen Stellen an die Agentur. Das bestätigten die Wettbewerbshüter auf eine gemeinsame Anfrage von profil, ORF, „Der Standard“ und „Der Spiegel“. Die Media Contacta gerät damit gleich doppelt in den Fokus. Bereits heute, Mittwoch, in der Früh war durch einen „Kurier“-Bericht ein Verfahren bekannt geworden, das die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zusammenhang mit der Agentur gegen insgesamt sechs Personen führt. Der Verdacht: „Wettbewerbsbeschränkende Absprachen“ bei Aufträgen.

Die Media Contacta mit Sitzen in Niederösterreich und Wien ist  keine Unbekannte: Zu den prominenten Auftraggebern der Werbe- und Eventagentur zählen mehrere ÖVP-geführte Ministerien, das Land Niederösterreich und die ÖVP selbst, die besonders in Wahlkampfzeiten auf die Leistungen der Agentur setzte.

WKStA leitete Ermittlungen ein

Die nun bekanntgewordenen Ermittlungen wurden durch eine Anzeige des SPÖ-Nationalratsabgeordneten Jan Krainer ins Rollen gebracht. Im Zuge des Untersuchungsausschusses, der mutmaßliche ÖVP-Korruption untersuchen sollte, stieß Krainer auf Akten zur Media Contacta, die er der Ermittlungsbehörde übergab. Sein Verdacht: Mehrere Veranstaltungsfirmen könnten ihre Angebote an Ministerien miteinander abgestimmt haben – mit dem Ziel, dass die öffentlichen Aufträge der Media Contacta zufallen. Das wäre Wettbewerbsverzerrung.

Die WKStA sah in der Sachverhaltsdarstellung offenbar ausreichend Verdachtsmomente, um Ermittlungen einzuleiten. Der Geschäftsführer der Media Contacta, Peter Madlberger, ließ über einen Sprecher ausrichten, dass er die Vorwürfe aus der Anzeige „in vollem Umfang bestreitet“. Im Vorjahr wurde Madlberger im U-Ausschuss befragt, er betonte, er führe ein „redliches Unternehmen“. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Mehr als eine Million Euro von Ministerien

Fest steht: Zwischen 2018 und 2021 erhielt die Media Contacta von türkis-geführten Ministerien Aufträge in der Gesamthöhe von 1,1 Millionen Euro. Gegenleistung: Die Agentur plante etwa das „Familienfest“ im Schloss Schönbrunn im Jahr 2018, für das es hinterher viel Kritik gab, weil es von Ministeriumsgeldern bezahlt, aber von ÖVP-Politikern wie Sebastian Kurz als Bühne genutzt wurde.

Im offiziellen Niederösterreich ist die Media Contacta derart gut vernetzt, dass die Büros der Agentur zwischenzeitlich sogar in einem Gebäudekomplex des niederösterreichischen Landhauses angesiedelt waren. Wie viel Miete dafür bezahlt wurde, wollte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner auf eine parlamentarische Anfrage der Neos im Jahr 2019 nicht bekanntgeben. „Datenschutz“, lautete das Argument, inzwischen ist die Agentur umgezogen.

Enge Verflechtungen

Für Events des Landes wird die Media Contacta trotzdem gerne gebucht. Zuletzt organisierte die Agentur sechs Veranstaltungen für die großangelegte niederösterreichische „Landesstrategie 2030“, eine Art Zukunftsvision der Landesregierung. Dafür kalkulierte die Agentur mit Kosten von 646.000 Euro, wie ein bisher unveröffentlichtes Angebot ans Land zeigt, das profil vorliegt.

Neben öffentlichen Stellen im Einflussbereich der ÖVP setzt auch die Partei selbst auf die Dienste der Agentur. Man kennt einander gut: Geschäftsführer Peter Madlberger arbeitete einst für die ÖVP-Landespartei und war als Kommunalpolitiker in Korneuburg aktiv, bevor er sich ganz aufs Agenturbusiness verlegte und seither die Scheinwerfer auf Parteifreunde richtet: Bei Pressekonferenzen, Podiumsdiskussionen oder Wahlkampfevents. Im Landtagswahlkampf 2018 mietete die Media Contacta laut Krainers Anzeige etwa die blau-gelbe Fahrzeugflotte für die ÖVP-Landespartei an. Unklar ist, ob die Agentur auch im aktuellen Landtagswahlkampf engagiert wurde.

Dafür spricht: Als die ÖVP Niederösterreich Anfang Jänner mit 3200 Funktionärinnen und Funktionären ihren perfekt inszenierten Wahlkampfauftakt in St. Pölten zelebrierte, war Peter Madlberger zur Stelle – als einer der Moderatoren des Mega-Events. Die Partei ließ die Frage nach einem allfälligen Wahlkampfengagement der Media Contacta unbeantwortet. Ein Sprecher verneinte aber vehement den von der SPÖ gehegten Verdacht, wonach die ÖVP über Treuhänder an der Agentur beteiligt sei.

Mehr Details zu den Ermittlungen lesen Sie im kommenden profil, das ab Samstagfrüh als e-Paper zu haben ist.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).