Investigativ

Offshore-Russe: Warum Kurz-Zeuge Afinogenov bei neun Karibik-Firmen auftaucht

Ein steuerschonender Jet-Deal, Verbindungen zur Kreml-Elite und nach Österreich – Valery Afinogenov sollte für Ex-Kanzler Sebastian Kurz die Glaubwürdigkeit von Thomas Schmid erschüttern. Er selbst findet sich in großen Datenleaks aus der Welt der Briefkastenfirmen.

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+ Sebastian Kurz steht wegen des Vorwurfs der Falschaussage vor Gericht. Er bestreitet das und hat zwei russische Geschäftsleute ins Spiel gebracht, die an der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Thomas Schmid rütteln sollen. Einer von ihnen ist Valery Afinogenov.

+ Wie Recherchen von profil zeigen, ist Afinogenov kein unbeschriebenes Blatt. Sein Name taucht in großen Offshore-Datenlecks auf – in Zusammenhang mit neun Karibik-Firmen, in deren Administration er offenbar eingebunden war.

+ Eine dieser Firmen wurde dazu genutzt, einen Privatjet steuerschonend in die EU zu importieren. Möglicherweise lagen die Voraussetzungen für das legale Steuerschlupfloch jedoch gar nicht vor.

+ Bei einigen anderen dieser Offshore-Firmen tauchten hochrangige russische Persönlichkeiten auf – zum Beispiel ein ehemaliger Vize-Minister, der später Chef einer Rüstungsfirma wurde. Und die Ex-Frau eines mittlerweile sanktionierten Politikers der Putin-Partei „Einiges Russland“.

+ In diesem Offshore-Netzwerk lagen Assets im Wert von zig Millionen Euro, Dollar und Rubel. Zumindest zwei der Karibik-Firmen erregten die Aufmerksamkeit der zuständigen Anti-Geldwäsche-Behörde.

+ Afinogenov erwies sich allem Anschein nach als guter Zuarbeiter für reiche russische Geschäftsleute und deren Partner in Politik und Wirtschaft. Dreh und Angelpunkt war eine Immobilienfirma in Moskau, die mit der österreichischen Immofinanz Geschäfte machte. Darüber hinaus gibt es weitere Verbindungen nach Österreich.

+ Die Frage, ob jemand aus dem Kreis der hochrangigen Offshore-Kontakte in das Zustandekommen seiner Aussage für Kurz involviert war, ließ Afinogenov – wie alle anderen Fragen – unbeantwortet.

Sommer 2013: Ein Grüppchen höchst wohlhabender russischer Geschäftsleute steht vor einem in diesen Kreisen nicht unüblichen Problem. Man hat sich gerade einen Privatjet gegönnt – eine schmucke Gulfstream G280 um rund 22 Millionen Dollar direkt vom Hersteller. Nun ist der Flieger fertig, aber es gilt, noch ein kleines Hindernis zu überwinden. Wenn der Jet in der EU landet, fallen nämlich eigentlich zwanzig Prozent Umsatzsteuer an. Das ist eine Menge Geld, das sich manche ersparen wollen. Und in der findigen Welt der Steueroasen und Briefkastenfirmen gibt es tatsächlich eine Lösung dafür. Diese benötigt allerdings ein paar komplexere Umsetzungsschritte. Und im konkreten Fall war jemand in diese Umsetzung involviert, der ein Jahrzehnt später in Österreich überraschend große Bekanntheit erlangen sollte.

Valery Afinogenov ist einer jener beiden russischen Geschäftsmänner, die aktuell Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz vor Gericht helfen sollen, die Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Thomas Schmid zu erschüttern. Kurz wird bekanntlich von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) Falschaussage vor dem Ibiza-Untersuchungsausschuss vorgeworfen. Der frühere Regierungs- und ÖVP-Chef bestreitet den Vorwurf. Morgen, Freitag, soll am Wiener Straflandesgericht das Urteil fallen.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).