Investigativ

Ott-Freispruch: Zweifel, die bleiben

Der Ex-FPÖ-Abgeordnete Jenewein wurde in erster Instanz für schuldig befunden, der frühere BVT-Beamte Ott freigesprochen. Warum der spektakuläre Prozess rund um den Verdacht verbotener Informationsweitergaben noch lange nicht das letzte Kapitel in der Causa um den mutmaßlichen Russland-Spion Ott ist.

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In Europa spielten sich in den vergangenen Tagen gleich zwei spektakuläre Gerichtsprozesse im Geheimdienst-Milieu ab: In London wurden Mitglieder eines bulgarischen Agentenrings für schuldig befunden, der für den mutmaßlichen Kreml-Spion und Ex-Wirecard Vorstand Jan Marsalek tätig gewesen sein soll. Und in Wien musste Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott vor Gericht Platz nehmen – gemeinsam mit drei Mitangeklagten, darunter dem ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten und nunmehrigen blauen Parlamentsmitarbeiter Hans- Jörg Jenewein. Hier ging es um den Verdacht verbotener Informationsweitergabe.

Ott ist die personifizierte Verbindung zwischen den beiden Causen. Gegen den Ex-BVTler wird auch ermittelt, weil er „einen geheimen Nachrichtendienst der Russischen Föderation unterstützt“ haben soll. Das BVT war das frühere Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Gemäß Verdachtslage soll Ott Marsalek Informationen zukommen lassen und in dessen Auftrag auch Diensthandys mehrerer früherer Kabinettsmitarbeiter des Innenministeriums zum Transport nach Moskau bereitgestellt haben. Aus Chats zwischen Marsalek und dem Chef der Londoner Bulgaren-Bande, welche vom britischen Geheimdienst sichergestellt wurden, ergibt sich der Verdacht, dass die Bulgaren-Truppe in die Organisation der Übergabe involviert war.

Marsaleks Wiener Quellen

Einer, gegen den die nun in London verurteilten Bulgaren spioniert haben, war der Journalist Christo Grozev, lange wohnhaft in Wien. Grozev stand seit Jahren im Visier des Kremls. Unter anderem hatte er die Verbindung zwischen dem Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny und dem russischen Geheimdienst aufgedeckt. Chats aus dem Londoner Prozess zeigen, was Marsaleks Bulgaren-Truppe mit Grozev vorhatte: unter anderem einen IS-Selbstmordattentäter anzuheuern, der auch Grozev in den Tod reißen würde.

In Österreich wurde im Dezember 2024 eine hier lebende Bulgarin festgenommen, die im Auftrag der Londoner Agentengruppe mehrere Personen ausgespäht haben soll – darunter den Chef der „Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst“ Omar Haijawi-Pirchner, ÖVP-Wien-Obmann Karl Mahrer und profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer. 

Ott bestreitet den Vorwurf der Russland-Spionage ebenso wie jene Vorwürfe, die rund um Jenewein gegen ihn erhoben wurden. 

Diese Vorwürfe bezogen sich auf Handlungen rund um den BVT-Untersuchungsausschuss 2018 und den Ibiza-U-Ausschuss 2021 und stützten sich in erster Linie auf Chats zwischen den Angeklagten aus diesen Zeiträumen. Die Staatsanwaltschaft sah in Jenewein, der FPÖ-Fraktionsvorsitzender im BVT-U-Ausschuss war, den Anstifter. Ott und eine mitangeklagte ehemalige Kabinettsmitarbeiterin aus dem Innenministerium sollen ihm als Informationsbeschaffer gedient haben – mit unlauteren Mitteln. Alle bestritten immer sämtliche Vorwürfe. Jenewein hat im Vorjahr darüber hinaus öffentlich erklärt, dass es für ihn nie „auch nur irgendwie denkbar“ gewesen wäre, dass Ott mit russischen Geheimdiensten in Verbindung stehen könnte.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.