Investigativ

Ott-Prozess: Neue Vorwürfe, neue Angeklagte

Geheime Infos, heikle Fotos und ein Agent in Lederhosen: Kommende Woche startet das bisher größte Gerichtsverfahren gegen den mutmaßlichen Russland-Spion Egisto Ott und den früheren FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein. Ein Blick in den brisantesten Akt der Republik.

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Eigentlich hätte der Prozess schon am 4. März starten sollen – am Faschingsdienstag. Und irgendwie hätte das auch nicht so schlecht gepasst. Schließlich geht es bei einem der Vorwürfe, über die am Wiener Straflandesgericht verhandelt werden soll, um einen Agenten in Lederhosen. Das kann schon Assoziationen mit der fünften, närrischen Jahreszeit wecken – was allerdings der Gesamtbedeutung der Causa nicht gerecht würde. Diese spielt nämlich vor dem Hintergrund des wohl größten Geheimdienstskandals in der österreichischen Geschichte: dem Angriff auf das frühere Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) in der Ära des damaligen blauen Innenministers Herbert Kickl. Angesichts dessen ist es dann vielleicht doch nicht verkehrt, dass – dank einer Vertagungsbitte der Verteidigung – das Verfahren erst am Freitag losgeht. In der Ernsthaftigkeit der Fastenzeit, mit Konzentration auf das Wesentliche.

Die Justiz wagt einen neuen Anlauf in der Causa um den früheren BVT-Beamten und mutmaßlichen Russland-Spion Egisto Ott: Dieser stand eigentlich schon im Vorjahr erstmals vor Gericht. Nach mehreren Verhandlungstagen wurde das Unterfangen allerdings vorerst gestoppt. Die Staatsanwaltschaft Wien brachte nämlich weitere Anklagen gegen Ott und den zweiten zentralen Beschuldigten, den früheren FPÖ-Nationalratsabgeordneten Hans-Jörg Jenewein, ein. Nun wird quasi wieder von vorne verhandelt – allerdings über ein ganzes Bündel aus Vorwürfen, die aus vier verschiedenen Anklageschriften beziehungsweise Strafanträgen stammen. Neben Ott und Jenewein müssen auch noch zwei weitere Personen auf der Anklagebank Platz nehmen: ein Bekannter Otts, der ebenfalls aus dem Geheimdienstmilieu stammt, und eine frühere Beamtin des Innenministeriums.

Gemeinsam ist vielen der Vorwürfen, dass es dabei um die Beschaffung oder die Weitergabe von Informationen geht, welche die Staatsanwaltschaft als geheim einstuft. Besonders spannend scheint jedoch, dass zumindest ein Teil der angeklagten Vorgänge aus den Jahren 2018 und 2019 in einem gewissen Zusammenhang mit der damaligen BVT-Affäre gesehen werden könnte.

Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Anna Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.