Ott-Prozess: Spielte „Alpha 77” eine Schlüsselrolle?
Der ehemalige Staatsschützer und mutmaßliche Spion Egisto Ott nahm am Mittwoch zum dritten Mal auf der Anklagebank im Wiener Straflandesgericht Platz. Ebenfalls angeklagt ist der Ex-FPÖ-Politiker und blaue Parlamentsmitarbeiter Hans-Jörg Jenewein. Vorgeworfen wird ihnen die Verletzung des Amtsgeheimnisses und die Anstiftung dazu.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Ott im Auftrag von FPÖ-Mann Jenewein beabsichtigte vertrauliche Informationen zu einem Treffen europäischer Nachrichtendienste zu besorgen. Für Jenewein habe Ott auch die Mitgliederliste der Ibiza-Ermittlungskommission „Soko Tape“ beschaffen sollen.
Urteil gab es am Mittwoch keines, Jenewein hatte sich am Montag einer Operation unterzogen und war deshalb verhindert. Und doch offenbarte der Prozesstag ein paar Einblicke in die Verteidigungsstrategie der Beschuldigten.
„Gehen Sie zum Elmayer“
Weil der große Schwurgerichtssaal renoviert wird, fand die Verhandlung in einem provisorischen Saal statt, dessen Tür kaputt ist. Ott gab keine Interviews, er legte den Journalistinnen und Journalisten einen Benimmkurs ans Herz: "Zuerst grüßt man, dann stellt man Fragen."
Der Prozesstag war kurz, die Frage der parlamentarischen Immunität des Mitangeklagten Jenewein wurde diskutiert. Ergebnis: Jenewein sei nicht von einer parlamentarischen Immunität geschützt.
Auf der Zeugenliste war auch ein prominenter Name: Bundeskriminalamt-Direktor Andreas Holzer richtete 2019 die “Soko Tape” ein, und zwar im Auftrag des damaligen Generaldirektors für öffentliche Sicherheit, Franz Lang. Holzer sagte aus, er habe die rund zehn Mitglieder für die Kommission ausgewählt, es wären ihm bekannte und gute Ermittler aus verschiedenen Bereichen gewesen.
Schon damals sei die Verdachtslage in Richtung Spionage zum Nachteil der Republik gegangen, so Holzer, und das habe bedingt, dass die Mitglieder der Kommission geheim bleiben müssen. Herabgestuft wurde die Klassifizierung dieses Dokuments erst im Rahmen des BVT-Untersuchungsausschusses.
Ott sitzt mit verschränkten Armen und heruntergezogenen Mundwinkeln. Hat Ott die Namen weitergegeben? Seine Verteidiger versuchen, den Kreis der möglichen Täter zu erweitern: Sie werfen die Frage auf, wie viele Menschen im Innenministerium von den Mitgliedern der Soko gewusst haben mussten.
„Nicht die hellsten Kerzen am Kuchen“
Der Höhepunkt des Verhandlungstages war die Einvernahme von Bezirksinspektor H., Ott lächelte ihm zu. H. ist wie Ott vom Dienst freigestellt, die Beiden hatten in der Vergangenheit bei Ermittlungen zusammengearbeitet.
In den Chats zwischen Ott und dem erstangeklagten Jenewein ist immer wieder die Rede von „AH“, dabei handelt es sich laut Staatsanwalt ganz klar um den Zeugen H. Von ihm soll Ott Informationen erhalten haben – „direkt aus dem BKA“.
Gechattet wurde dabei nicht nur über übliche Messenger, sondern über Chats in Videospielen. Das sei in Polizeikreisen verbreitet, so H., der sich in den Chatrooms „Alpha 77“ nannte.
H. wies Ott im Sommer 2019 darauf hin, dass er sich die Mitglieder der „Soko Tape“-Kommission genauer ansehen solle. Er brauche Namen, antwortete der Angeklagte, mehr als nur die Spitznamen. Fünf davon waren ihm zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt.
Warum habe man darüber gesprochen, fragt der Richter, denn H. hatte in seiner Einvernahme auch angegeben, dienstlich nicht damit befasst gewesen zu sein. „Das war in allen Zeitungen damals, dass diese Wahnsinns-Partie politisch gesteuert war“, sagt H. – damit meinte er die Soko-Tape. Und die Mitglieder seien, so H., nicht die „hellsten Kerzen auf der Torte gewesen“. Ott habe H. abermals nach den Nachnamen der Kommissionsmitglieder gefragt, da er etwas über die Kommission schreiben müsse - für wen blieb offen.
Ott hatte in seiner Befragung angegeben, mit H. eine mündliche Abmachung gehabt zu haben, dass für ihre nicht-dienstlichen Aktivitäten keine dienstlichen Quellen anzuzapfen. Dass es eine Art Vereinbarung gab, bestreitet H. nicht.
Wer waren die Informanten von H., wenn es keine dienstlichen Quellen waren, wollte der Richter wissen. Es sei unter „Kiwaran“ zwar üblich, Kollegen kurz mal eine Nachricht zu schreiben. Das hätte er im gegenständlichen Fall aber nicht getan, behauptet H.: „Wissen Sie, was die Kollegen für Qualifikationen gehabt haben?“, fragt H. und holt zu einem Angriff gegen das ehemalige BVT aus: „KV-, ÖAAB-Mitglied oder FCG-Mitgliedschaft oder am besten noch Chorsingen im Stift Göttweig – Sie glauben, dass ich mit denen Rede?"
Mitte Februar soll der Prozess weitergehen, der Staatsanwalt ist nicht glücklich darüber, dass nun abermals Monate zwischen den Verhandlungsterminen liegen.
Dem abwesenden Jenewein wird weiters vorgeworfen, verbotenerweise Fotos aus einem U-Ausschuss aufgenommen zu haben und an Ott geschickt zu haben. Weil bei einer Hausdurchsuchung bei ihm ein Schlagring sichergestellt wurde, muss er sich auch nach dem Waffengesetz vor Gericht verantworten. Die Spionagevorwürfe gegen Ott sind nicht Teil dieses Verfahrens.