Ott/Jenewein-Prozess: Schuldspruch für Jenewein, Freispruch für Ott
Hat ein umtriebiger früherer Verfassungsschützer Amtsgeheimnisse verraten? In Wien wurde am Montag der Prozess gegen den früheren BVT-Beamten Egisto Ott fortgesetzt. Neben ihm auf der Anklagebank sitzen Hans-Jörg Jenewein, ehemaliger Nationalratsabgeordneter und mittlerweile parlamentarische Mitarbeiter der FPÖ, eine frühere Kabinettsmitarbeiterin des BMI unter dem damaligen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl und ein deutscher Bekannter Otts. Erste Verhandlungstage gab es eigentlich bereits Ende des Vorjahres. Wegen neuer Anklagepunkte wird der Fall jedoch nun vor einem Schöffengericht gänzlich neu verhandelt.
Dass Informationen weitergegeben wurden, wird von den Angeklagten nicht bestritten – die Frage ist (neben anderen strafrechtlichen Vorwürfen), ob es der rechtlichen Definition des Amtsmissbrauchs beziehungsweise des Verrats von Amtsgeheimnissen entspricht oder nicht. Nicht alle Angeklagten sind von sämtlichen Vorwürfen gleichermaßen betroffen. Es geht unter anderem um die Teilnehmerliste eines europäischen Geheimdienst-Spitzentreffens, um ein Foto, das Jenewein von BVT-Beamten im U-Ausschuss aufgenommen hat und um ein Foto von BVT-Beamten bei einem Treffen mit südkoreanischen Geheimdienstlern, wobei einer von ihnen zünftig eine Lederhose trug.
Für Montag waren am Wiener Straflandesgericht vier Zeuginnen und Zeugen geladen: Ein suspendierter Polizeibeamter, der für Ott Informationen beschafft haben soll, die dieser dann an Jenewein weitergeleitet haben soll. Eine hohe Beamtin, die aktuell in der nunmehrigen Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst tätig ist, die Auskunft darüber geben sollte, welche Informationen an den BVT-Untersuchungsausschuss im Jahr 2018 geliefert wurden – denn immer wieder berufen sich Verteidiger der Angeklagten darauf, dass „jeder davon gewusst habe“ und es somit kein Amtsmissbrauch sein könne, bzw. auch, dass die Kabinettsmitarbeiterin keine Hoheitsbefugnisse habe und somit keinen Amtsmissbrauch begehen könne.
Zu Beginn der Verhandlung stellte Jeneweins Verteidiger zwei ergänzende Fragen zur Beschaffung von Dokumenten ohne Parteienkennung: Unter anderem, warum das jemand wollen sollte. Es geht um Jeneweins Zeit als Abgeordneter im einstigen BVT-Untersuchungsausschuss. Ihm wird vorgeworfen, sich Unterlagen ohne Partei-Wasserzeichen besorgt zu haben, um diese gegebenenfalls besser weitergeben zu können. Jenewein ließ offen, welche Gründe es dafür geben könnte. Die Verteidigung verwies darauf, dass Aktenweitergaben einer Abgeordneten einer anderen Partei aufgeflogen seien, diese aber lediglich einen Ordnungsruf erhalten habe.
Der „TikTok“-Chat
Zeuge zwei ist „Alpha77“ – bzw. könnte es sein, er selbst gibt in der Befragung an, dass er sich nicht mehr erinnern kann. Der Mann kennt Ott aus der Zusammenarbeit, er soll für Ott Namen besorgt haben, die er dann wiederum an Jenewein weitergegeben hat. Der frühere Polizeibeamte nutzte die Befragung für scharfe Kritik an einem Teil seiner früheren Kollegenschaft, nämlich an der sogenannten Soko Tape, die anlässlich der Ermittlungen rund um die Entstehung des Ibiza-Videos gegründet wurde.
Die Befragung der dritten Zeugin – der DSN-Beamtin - fand fast zur Gänze unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Im öffentlichen Teil der Befragung gab sie Einblick darüber, wer wann von den Namen der Beamten gewusst habe, die an Treffen des Berner Klubs teilnahmen. Ihre Grundaussage, bei der die Medien anwesend sein durften: Namen von BVT-Beamt:innen sind geheim, ihre Veröffentlichung stellt ein Sicherheitsrisiko dar, Jenewein habe kein Anrecht auf die Namen, nur weil er Teil des ständigen Unterausschusses des Innenausschusses war. Es wäre komisch gewesen, wenn ein Abgeordneter nach den Namen von Geheimdienstmitarbeitern gefragte hätte, so die DSN-Mitarbeiterin. Es würden eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen, um die Identitäten der BVT- und nunmehrigen DSN-Beamtinnen und -Beamten zu schützen und auch die Mitarbeiter:innen des Innenministeriums diesbezüglich zu sensibilisieren.
Auf die DSN-Beamtin folgte dann als Zeuge der ehemalige BVT-Direktor Peter Gridling. Er wurde zur Gänze unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen.
Abgelehnt wurde eine von Otts Verteidigern beantragte Trennung der Verfahren: Erneut problematisieren die Anwälte, dass ihr Mandant kein faires Verfahren bekomme, und übten Kritik am Richter-Wechsel. Gleichzeitig wollten Sie den Termin für eine mögliche Einvernahme weiter nach hinten schieben. Eingebracht wurde auch ein Antrag, den Staatsanwalt als Zeugen einzuvernehmen. Dieser Antrag wurde abgelehnt – ebenso wie alle anderen Anträge auf weitere Einvernahmen.
Früher als erwartet kam es Montagnachmittag zu Urteilen: Jenewein und die ehemalige Kabinettsmitarbeiterin wurden schuldig gesprochen. Die Schöffen befanden Jenewein der Anstiftung des Amtsmissbrauchs und dem Schlagringbesitz schuldig, die Mitarbeiterin wurde des Amtsmissbrauchs schuldig befunden. Beide bekamen eine Freiheitsstrafe von 12 Monaten, ihr Anwälte erbaten drei Tage Bedenkzeit. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Ott und der Viertangeklagte wurden freigesprochen. Die Richterin betonte, dass es sich dabei um Zweifelsfreisprüche handelte. Für das Hohe Gericht war nicht nachvollziehbar, woher Ott seine Informationen erhielt. Die Staatsanwaltschaft hat Berufung gegen die Freisprüche eingelegt.
Der jetzige Prozess dürfte jedenfalls ohnehin nicht das Ende der gesamten weitreichenden Causa rund um Egisto Ott sein – weitere Ermittlungen laufen noch. Gegen Ott wird seit 2017 von der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts der Russland-Spionage ermittelt. Im März 2024 wurde er festgenommen, Ende Juni dann wieder auf freien Fuß gesetzt. Der ehemalige BVT-Chefinspektor soll drei Diensthandys von früheren Kabinettmitarbeitern des damaligen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) und einen speziell verschlüsselten SINA-Laptop im Wege des mutmaßlichen Russland-Spions Jan Marsalek an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB übergeben haben. Ott bestreitet auch diese Vorwürfe.