Ein russisches Werk für die Sperrholz-Produktion: Die Industrie ist stark von den EU-Sanktionen betroffen.
Investigativ

Putins Bäume: Die schwierige Jagd nach illegal importiertem Holz

Seit dem Vorjahr verbieten EU-Sanktionen die Einfuhr von Holz aus Russland. Doch offenbar können diese nur allzu leicht umgangen werden. Behörden und Branchenvertreter sind alarmiert.

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April 2023, ein Café irgendwo in Niederösterreich: profil hat sich hier mit einem Mann verabredet, dem etwas unter den Nägeln brennt. Es geht um Russland und um den – wie er meint – halbherzigen Umgang der EU mit den Sanktionen gegen jenes Land, das seit Februar 2022 einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Der Mann, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist ein Veteran im Bereich des Holzhandels. Und genau in diesem Geschäftssegment ortet er schwere Versäumnisse, was die Umsetzung der wirtschaftlichen Strafmaßnahmen gegen das Putin-Regime anbelangt.

Anfang April 2022 setzte die EU Holz und Holzprodukte aus Russland auf ihre Sanktionsliste. Bis 10. Juli 2022 lief eine Übergangsfrist für bereits abgeschlossene Verträge. Seither sind Importe in die Europäische Union untersagt. Nichts geht mehr – allerdings nur auf dem Papier. Vieles deutet darauf hin, dass sich sehr rasch Umgehungskonstruktionen etablieren konnten. Der Trick ist einfach: Das Holz kommt eben nicht mehr direkt aus Russland, sondern legt einen Zwischenstopp in anderen Staaten außerhalb der EU ein, etwa in der Türkei oder in Kasachstan. Dann erfolgt der Import in die Union – über Mitgliedsländer, in denen manchmal möglicherweise nicht allzu genau hingeschaut wird.

Internationale Recherche

profil hat sich gemeinsam mit dem ORF, dem „Standard“, dem Investigativ-Podcast „Die Dunkelkammer“ und der deutschen Rechercheplattform „Paper Trail Media“ auf die Spuren des verbotenen Holzes begeben. Es handelt sich um eine Kooperation im Rahmen des länderübergreifenden Projekts „Deforestation Inc.“ des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), das sich seit dem Vorjahr mit den schmutzigen Seiten des Holzgeschäfts auseinandersetzt. profil hat bereits Anfang März 2023 erste Artikel dazu veröffentlicht.

Doch zurück zum erwähnten Kaffeehaus-Termin in Niederösterreich. Der Gesprächspartner, der über lange Erfahrung und beste Kontakte im Holzhandel verfügt, schildert dabei folgende Problematik: Birkensperrholz aus Russland habe sich am Markt gut etabliert, dann seien die Sanktionen in Kraft getreten. Nun würden plötzlich riesige Mengen davon aus der Türkei und aus Kasachstan in die EU importiert – mehr als in diesen Ländern überhaupt produziert werden könne. Es handle sich dabei oft um Umgehungsgeschäfte. Früher habe ein Kubikmeter Birkensperrholz aus Russland rund 800 Euro gekostet. Nun würde es Abnehmern in Nicht-Sanktionsländern für 400 Euro angeboten, die es dann wiederum für 1000 Euro in die EU weiterverkaufen, wo es dringend benötigt werde. Die Zollbehörden würden nicht gut genug hinsehen, beklagt der Mann. Ehrliche Marktteilnehmer, die sich mühsam nach neuen – teils gar nicht vorhandenen – Rohstoffquellen umsehen müssen, hätten einen enormen Wettbewerbsnachteil. Neben Birkensperrholz soll dies vor allem auch die sibirische Lärche betreffen, die als besonders schwierig zu ersetzen gilt.

Überraschende Herkunftsländer

Kann das stimmen? Nun: Tatsächlich spricht einiges dafür, dass sich derartige Umgehungswege für sanktioniertes russisches Holz etabliert haben. Auch nach Österreich.

Da wären einmal die nackten Zahlen: Im Jahr 2021 hat Österreich gemäß Eurostat-Statistik gerade einmal 1.350 Kilogramm Holz und Holzwaren aus Kasachstan importiert. 2022 waren es dann 188 Tonnen – also die 140-fache Menge. In absoluten Zahlen noch mehr ins Gewicht fällt jedoch die Türkei: Gelangten 2021 von dort rund 1500 Tonnen Holz und Holzwaren nach Österreich, waren es ein Jahr später mehr als 3500 Tonnen.

Gleichzeitig manifestiert sich der sanktionsbedingte Einbruch der Importe von russischem Holz nach Österreich in der Statistik. Alles, was sich diesbezüglich seit Mitte 2022 offiziell bei den Importzahlen findet, sind Restbestände, die bereits vorher in der EU vorhanden waren und nach und nach aufgezehrt werden:

„Nicht alle lehnen ab“

profil hat bei Franz Mühlbauer, dem für Holzhandel zuständigen Branchenvertreter in der Wirtschaftskammer Österreich, nachgefragt. Seine Einschätzung: „Die Sanktionen kamen überraschend, wir waren nicht darauf vorbereitet.“ Heuer werde es mit vorhandenen Restbeständen noch funktionieren, nächstes Jahr werde es dann allerdings knapp. „Die sibirische Lärche ist nicht zu ersetzen – weder qualitativ, noch quantitativ“, sagt Mühlbauer. Man versuche, sich mit vermehrten Importen aus nordischen Ländern zu behelfen.

Er bekomme jedoch auch immer wieder illegale Angebote aus Serbien oder aus der Türkei, erzählt der Branchenvertreter, der selbst ein Holzhandelsunternehmen betreibt: „Es wird immer wieder versucht, Holz aus Russland über Umwege einzuführen. Diese Angebote lehne ich natürlich ab, aber es gibt manche, die das nicht tun.“ Neben Kasachstan und der Türkei seien auch Aserbaidschan und Usbekistan beliebte Umgehungswege. Dabei ließe es sich – theoretisch – gut kontrollieren, ob Sanktionen eingehalten würden, meint Mühlbauer: Anhand der Struktur des Holzes sei die sibirische Lärche gut erkennbar. Wird Birke aus Kasachstan angeboten, sei ebenfalls zu vermuten, dass der Ursprung eigentlich in Russland liege.

Die Kasachstan-Russland-Connection

profil wurde ein E-Mail zugespielt, das im heurigen Frühjahr an ein deutsches Holzunternehmen ergangen sein soll. Derartige Angebote finden ihre Wege freilich auch nach Österreich. Inhalt: „Hiermit schicke ich dir die Preisliste fuer Birkensperrholz hergestellt in Kasachstan. EUTR-Dokumente in Ordnung. Ich warte sehr auf deine Rueckinfo. MfG Dmitry“.

Mit „EUTR“ ist die „EU Timber Regulation“ – zu Deutsch: EU-Holzhandelsverordnung – gemeint. Der Anbieter will mit dem Hinweis suggerieren, dass mit dem Holz alles in Ordnung sei. Möglicherweise ist es das auch. Was jedoch stutzig macht, ist die Person des „Dmitry“. profil-Informationen zufolge soll es sich bei dem Mann um einen gewissen Dmitry S. handeln. Sein XING-Account enthält als Ortsangabe St. Petersburg und einen Lebenslauf, der auf eine langjährige Karriere beim russischen Holz-Riesen „Sveza“ hindeutet.

Das Mordaschow-Imperium

Sveza bezeichnet sich selbst als „weltweit führend in der Produktion von Birkensperrholz“. Das Unternehmen zählte bis vor kurzem nebst dem Stahlkonzern „Severstal“ zum Imperium des russischen Oligarchen Alexei Mordaschow. Dieser wurde bereits im Vorjahr mit EU-Sanktionen belegt. Im Oktober 2022 soll Moraschow dann die Kontrolle über Sveza an das Management des Unternehmens abgegeben haben.

Mordaschow zufolge brach die Birkensperrholzproduktion von Sveza in Folge der EU-Sanktionen auf 20 bis 40 Prozent der vorhandenen Kapazitäten ein. Nicht auszuschließen also, dass sich auch Sveza-Mitarbeiter Dmitry S. nach einem neuen Job umsehen musste. Laut seinem XING-Profil schied er im Oktober 2022 beim Holzkonzern aus und ist seither als Verkaufsberater tätig – für Birkensperrholz. Zusatzvermerk: „in der EU unter den neuen Gegebenheiten“ („in EU in new conditions“). Irritierend ist freilich, dass S. bis zuletzt als Ansprechpartner samt Foto auf der Sveza-Website zu finden war. Und zwar als „Export Verkaufsmanager“.

Verhökert Dmitry S. nun via Kasachstan und über eine Gmail-Adresse Birkensperrholz, das eigentlich von Sveza kommt? Sowohl der Konzern als auch Dmitry S. ließen Anfragen unbeantwortet. Allerdings verschwand in der Folge der Kontakt zu Verkaufsmanager S. sang- und klanglos von der Sveza-Website.

Stockerau, St. Petersburg, Vietnam

In einer Geschäftsbeziehung zur Sveza-Gruppe stand auch eines der bedeutendsten Unternehmen im österreichischen Holzhandel. Die JAF-Gruppe mit Hauptsitz in Stockerau beschäftigt eigenen Angaben zufolge knapp 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 58 Standorten in 19 Ländern. profil berichtete Anfang März über JAF in Bezug auf – ebenfalls sanktioniertes – Teak-Holz aus Myanmar. Russischen Zolldaten zufolge, die „Paper Trail Media“ ausgewertet hat, kam es im Jahr 2022 zu Lieferungen einer Sveza-Tochterfirma an JAF. Als Datum der Verzollung ist in den Daten der 13. Juli 2022 angeführt – drei Tage nach Ende der Übergangsfrist für die Sanktionen am 10. Juli 2022.

Auf Anfrage teilt JAF mit: „Die Verhandlungen zu der von Ihnen angesprochenen Transaktion wurden noch vor Beginn des Krieges geführt und am 21. Februar 2022 abgeschlossen. … Der Eigentumsübergang erfolgte am 8. Juli 2022 und sollte dementsprechend nicht von den Sanktionen betroffen gewesen sein.“ Die Ware im Wert von rund 140.000 US-Dollar sei am 8. Juli in St. Petersburg an einen von JAF beauftragten Frächter übergeben und dann direkt nach Vietnam geliefert worden. Danach hätten keine Geschäftsvorgänge mehr stattgefunden. Möglicherweise sei die Exportanmeldung durch die Sveza-Firma einige Tage nach der Übergabe erfolgt, oder die Anmeldung sei nacherfasst worden. Mit Ausbruch des Krieges habe JAF jedenfalls „noch bestehende Geschäftsverbindungen mit der Sveza-Gruppe vollständig beendet“.

„Immer neue Umgehungspraktiken“

Dass sich Umgehungskonstruktionen etabliert haben, weiß man auch bei JAF: „Unsere Mitarbeiter werden penibel dazu geschult, dass Angebote insbesondere über Birken- und Lärchenholz mit Herkunftsangabe Kasachstan, China, Kirgistan etc. höchstwahrscheinlich tatsächlich aus Russland stammen, und sind angewiesen, solche Angebote konsequent abzulehnen. Die immer neuen Umgehungspraktiken anderer Marktteilnehmer werden durch uns beobachtet und in Form von Warnungen regelmäßig an die Kolleginnen und Kollegen weitergegeben.“ JAF sei „die Problematik durch das Vorgehen einiger Player in der Branche“ nicht nur bewusst, man sehe sich vielmehr als Geschädigte, da man selbst „konsequent einen sauberen Weg“ verfolge. „Durch die Umgehungspraktiken wird der Markt verzerrt, und wir erleiden dadurch wirtschaftlichen Schaden.“

Wer diese „Player“ sind, will JAF auf Anfrage nicht konkret sagen. Es handle sich jedoch um andere international tätige Holzhandelsunternehmen, die in Konkurrenz zu JAF stünden: „Die Nachfrage nach hochwertigen Holzprodukten aus Russland besteht grundsätzlich nach wie vor. Wir bedienen diese aufgrund der Sanktionen nicht. Wenn unsere Mitbewerber dies tun, verschaffen sie sich damit unrechtmäßig einen Wettbewerbsvorteil.“ Die Importstatistik der EU zeige bei jenen Produktgruppen, wo es bisher vorwiegend Importe aus Russland gegeben hat, „einen erheblichen Anstieg von Importen aus anderen Ländern, insbesondere der Türkei und Kasachstan“, hält JAF fest: „Der Schluss, dass es sich um verdeckte Importe von Waren aus Russland handeln könnte, liegt nahe.“ JAF habe auch entsprechende Meldungen „bei den Behörden abgesetzt“.

Kontrollen und Anzeigen

In Österreich überprüft das Bundesamt für Wald, ob Holzimporte im Einklang mit der EU-Holzhandelsrichtlinie stattfinden. Dabei spielt die Überprüfung von Lieferketten eine wichtige Rolle. Seit In-Kraft-Treten der Sanktionen legt das Amt bei seinen Kontrollen auch ein besonderes Augenmerk auf russisches Holz. In drei Fällen erstattete man Anzeige bei den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften wegen mutmaßlicher Sanktionsverstöße, wie das Bundesamt für Wald auf Anfrage mitteilt. Doch nicht nur aus konkreten Kontrollen heraus sei man tätig geworden. Man habe auch Verdachtsmomente an die Justizbehörden weitergeleitet, wenn sich aus Importdaten entsprechende Hinweise ergeben hätten.

Bei den Anzeigen an die Staatsanwaltschaften Innsbruck, Salzburg und Wels auf Basis der drei durchgeführten Kontrollen sei es um Lieferungen von rund 212 Tonnen sibirisches Lärchenschnittholz sowie 19 Tonnen beziehungsweise 20 Tonnen Lärchenschindeln gegangen, teilt das Amt mit: „Im ersten Fall erfolgte die Lieferung direkt aus der Russischen Föderation, in den beiden weiteren Fällen war als Ursprungsland Kirgisistan genannt, der vermutete Ursprung lag jedoch ebenfalls in Russland.“ Die Anzeige bezüglich des Schnittholzes, das ursprünglich in Deutschland verzollt wurde, wurde bereits im August 2022 erstattet, die Anzeigen wegen der Schindeln im Jänner 2023.

Austausch mit anderen Ländern

Vom Zoll werden dem Bundesamt für Wald wöchentlich Daten übermittelt: Diese würden „sorgfältig geprüft und auch dahingehend überwacht, um veränderte Handelsrouten, die auf mögliche Umgehungen der geltenden EU-Sanktionen hinweisen, frühzeitig erkennen zu können“, heißt es seitens des Bundesamts auf Anfrage. „Im Zuge dessen sind beispielsweise gestiegene Importzahlen aus der Türkei aufgefallen.“ Dieser Hinweis sei an das für die Sanktionsüberwachung zuständige Zollamt Österreich weitergegeben worden. Darüber hinaus habe man Hinweise zu möglichen Umgehungen beziehungsweise Sanktionsverstößen an die bulgarischen Behörden weitergeleitet. Umgekehrt habe es ein Amtshilfeersuchen aus Lettland an die österreichischen Behörden gegeben – dies mit Blick auf ein Unternehmen aus Kasachstan. Mehrfach sei es zu einem Erfahrungs- und Informationsaustausch mit Behörden anderer EU-Staaten gekommen.

Man sieht: Die europaweite Jagd auf illegal importiertes Holz aus Russland ist in vollem Gange. Aber sie ist nicht einfach. So reicht es etwa für eine strafrechtliche Verurteilung nicht aus, dass tatsächlich russisches Holz importiert wurde. Es braucht auch eine entsprechende „subjektive Tatseite“ – also einen gewissen Vorsatz – beim importierenden Unternehmen. Bezüglich der 19 Tonnen Lärchenschindeln etwa konnte die Staatsanwaltschaft Innsbruck einen Vorsatz nicht nachweisen. Es seien zwar Beweisergebnisse dahingehend vorgelegen, dass das Holz – zumindest in ursprünglichem Zustand – aus Russland gekommen sei. Es konnte aber nicht einmal fahrlässiges Handeln beim Unternehmen und dessen Verantwortlichen nachgewiesen werden.

Kirgisistan, Estland, Österreich

Ähnlich liegt der Fall bei den 20 Tonnen Lärchenschindeln, mit denen sich die Staatsanwaltschaft Wels auseinandersetzte: Hier wurde Holz aus Kirgisistan über Estland in die EU eingeführt. Die Bestellung und Abholung erfolgte bei einem estnischen Unternehmen, die Schindeln waren mit kirgisischer Herkunft deklariert. Die Ermittler gelangten zu der Ansicht, dass die österreichische Firma nicht wissen konnte, ob das Holz gegebenenfalls ursprünglich aus Russland stammte. Auch bezüglich des Lärchenschnittholzes war der Staatsanwaltschaft Salzburg die strafrechtliche Suppe offenbar zu dünn. Alle drei Fälle wurden entweder eingestellt oder bereits vor dem eigentlichen Ermittlungsstadium mangels strafrechtlichen Anfangsverdachts niedergelegt. Das Bundesamt für Wald will nun neuerliche Importe der betreffenden Unternehmen allerdings einer genauen Kontrolle unterziehen.

Holzbusiness in Russland

Während russisches Holz sanktionsbedingt nicht in die EU importiert werden darf, ist der österreichische Holzkonzern Egger weiterhin vor Ort tätig und beschäftigt in Russland immerhin rund 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Selbstverständlich hält sich Egger an alle geltenden Vorschriften und hat dafür eine wirksame Compliance-Struktur und ein umfassendes Programm zur Einhaltung der Sanktionen und Embargos eingerichtet“, betont das Unternehmen. Dort hergestellte Produkte würden nur in Russland „sowie in den angrenzenden sogenannten Stan-Staaten“ verkauft. Die wirtschaftliche Entwicklung des Russland-Geschäfts sei „auf mehreren Ebenen herausfordernd und die Zukunft nicht vorhersehbar“.

Eine neue Entwicklung gibt es indes beim Spanplatten-Riesen „Kronospan“, der ebenfalls seinen Ursprung in Österreich hat. profil berichtete bereits Anfang März 2023 darüber, dass eine zypriotische Zwischenholding für Beteiligungen in Russland und Weißrussland in eine neue Eigentümerstruktur eingebracht worden war. Mittlerweile bestätigte Kronospan, das Russlandgeschäft abgespalten und an das lokale Management übergeben zu haben – dies offenbar im Wege einer liechtensteinischen Stiftung namens „Stiftung Causa“.

Der Hauptteil der Trennung sei bereits Ende August 2022 vollzogen gewesen, behauptet Kronospan in einer Aussendung. Allerdings wurde Kronospan-Direktor Peter Kaindl noch im Dezember 2022 von der russischen Nachrichtenagentur Interfax dahingehend zitiert, dass Kronospan plane, weiterhin in den russischen Markt zu investieren. Fragen dazu ließ das Unternehmen bis Redaktionsschluss ebenso unbeantwortet wie die Frage, ob es irgendwelche vertraglichen Bestimmungen gibt, die Kronospan gegebenenfalls eine Rücknahme des Russland-Geschäfts ermöglichen würden. Es könnten ja wieder besser Zeiten kommen.

Raiffeisen-Pfandrecht gelöscht

Bei der zypriotischen Zwischenholding „Kronospan Holdings East Ltd.“ war bis vor kurzem übrigens noch ein Pfandrecht von 315 Millionen Euro der – zur Raiffeisen Bank International gehörenden – Raiffeisenbank Russland eingetragen. 2021 hatte die RBI für Kronospan einen Kredit in dieser Höhe arrangiert. Zweck: Investments in Russland. Im Februar 2023 wurde das Pfandrecht nun aus dem zypriotischen Firmenbuch gelöscht. Dem Jahresabschluss der „Kronospan Holdings East Ltd“ zufolge wurden Bankverbindlichkeiten der russischen und weißrussischen Tochterfirmen über insgesamt 316,4 Millionen Euro zurückbezahlt und durch die neue Eigentümerfirma in Liechtenstein refinanziert.

Am von Raiffeisen arrangierten Konsortialkredit war die Unicredit Bank Austria beteiligt gewesen. Auch bezüglich der Bank Austria gibt es offenbar Bewegung: Im Oktober 2022 hat die „Kronospan Holdings East Ltd.“ eine Kreditvereinbarung mit der Bank über 100 Millionen Euro an eine andere zypriotische Kronospan-Firma übertragen. Diese wiederum schloss allerdings am selben Tag einen Kreditvertrag in genau derselben Höhe mit der „Kronospan Holdings East Ltd.“ ab. Insgesamt zeichnet sich das Kronospan-Imperium durch ein komplexes Geflecht aus Offshore-Firmen aus.

Im Geschäftsjahr 2022, das per 30. September 2022 endete, verzeichnete die „Kronospan Holdings East Ltd.“ gemäß konsolidiertem Jahresabschluss übrigens einen Umsatz von rund 1,27 Milliarden Euro (nach 1,18 Milliarden Euro im Jahr davor). Rund 760 Millionen Euro davon entfielen auf Russland und Weißrussland. Dieser Umsatz-Teil war im Jahresvergleich um 40 Prozent angestiegen.

 

Änderung Montag, 28. Juni 2023, 11:30 Uhr:

Der Kontakt zu „Verkaufsmanager“ Dmitry S. ist  nach Anfrage durch die recherchierenden Medien  von der Sveza-Website verschwunden.

Elena Crisan

Elena Crisan

war bis Oktober 2024 Journalistin im Online-Ressort.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.