Razzia bei deutschen Neonazis - Enkel von FPÖ-Politiker verhaftet, Hausdurchsuchungen auch in Österreich
Jörg Schimanek war immer schon sportlich. Als Jugendlicher trainierte er im Schwimmverein, boxte regelmäßig und jobbte nebenbei im Fitnessstudio. Für seine Zukunft hatte er einen klaren Plan: Er will nach dem Abitur zur Bundeswehr. Doch dann kam die Pandemie – und alles änderte sich. Die Fitnessstudios mussten schließen, und Jörg verlor seinen Job. Von einem Tag auf den anderen stand er ohne Arbeit und ohne klare Perspektive da. Als schließlich eine Gärtnerei in der Nähe nach Auszubildenden suchte, meldete er sich sofort. Die Arbeit an der frischen Luft schien genau das Richtige für ihn zu sein.
Das erzählte er vor vier Jahren der „Leipziger Volkszeitung“, einem Lokalblatt aus seiner Heimatgegend in Sachsen, die damals über das Leben von Azubis in der Krise berichtete. „Er war einer von vielen“, sagen Menschen, die ihn aus dieser Zeit kennen, „jemand, der in der Masse nicht weiter auffiel“. Doch aus dem einst unscheinbaren jungen Mann ist heute ein Anhänger radikaler, rechtsextremer Ideologien geworden – ein überzeugter Neonazi, der Sport dafür nutzt, um sich auf den „unausweichlichen Systemsturz“ vorzubereiten, wie es von der deutschen Bundesanwaltschaft heißt.
Waffen und NS-Gegenstände gefunden
Am Dienstag wurden der 24-jährige Jörg Schimanek, sein jüngerer Bruder Jörn (20) und sechs weitere Männer im Alter zwischen 21 und 25 Jahren in Sachsen und in Polen verhaftet. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen vor, Teil der „Sächsischen Separatisten“ zu sein, einer rechtsterroristischen Gruppierung, die sich selbst „SS“ nennt, rassistische und antisemitische Ideologien teilt und in Teilen apokalyptischen Vorstellungen nachhängt. Die Männer sind fest davon überzeugt, dass Deutschland vor einem „Kollaps“ steht.
Wenn „Tag X“ eintrifft, möchten sie Gebiete in Sachsen und gegebenenfalls auch in anderen ostdeutschen Ländern mit Waffengewalt erobern, „um dort ein am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen zu errichten“, heißt es von der Bundesanwaltschaft. Die Rede ist von „ethnischer Säuberung“, um die in ihren Augen unerwünschten Menschengruppen aus der Gegend zu „entfernen“. Die Brüder Jörg und Jörn Schimanek gehören mit zwei anderen Männern zur mutmaßlichen Spitze der Gruppe. Sie sind die Ursprungsmitglieder, die im November 2020 die militante Vereinigung gegründet hatten.
Jörg wird als „Rädelsführer“ bezeichnet. Jörn ist selbst tief in der rechtsextremen Szene drinnen. Im Februar nahm er am faschistischen Gedenkmarsch zum „Tag der Ehre“ in Budapest teil. Inzwischen zählt die Gruppe zwischen 15 und 20 Mitglieder. Die Männer sollen gemeinsam paramilitärische Einsätze geübt haben, wie man richtig mit Schusswaffen umgeht und was zu tun ist, wenn ein Häuserkampf bevorsteht. Bei Nachtmärschen sollen sie ihre Belastbarkeit trainiert haben. Dafür haben sie militärische Ausrüstungsgegenstände, etwa Tarnfleckanzüge, Gefechtshelme, Gasmasken und Schutzwesten, beschafft. Auf Anordnung der Bundesanwaltschaft fanden Razzien in und um Leipzig, in Dresden, im Landkreis Meißen und im polnischen Zgorzelec statt. Dort wurde der 24-jährige Jörg Schimanek verhaftet.
FPÖ-Familie im Visier der Ermittler
Die Festnahme der Brüder führte die Ermittler auch nach Österreich und damit in die rechtsextreme Vergangenheit der Familie Schimanek. Die jungen Männer sind die Söhne des verurteilten Neonazis Hans Jörg Schimanek junior. Er war einer der wichtigsten Kameraden und politischen Weggefährten des mehrfach verurteilten Neonazis Gottfried Küssel. 1995 wurde er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Er soll Wehrsportübungen veranstaltet haben. Mittlerweile hat er seine Strafe abgebüßt. 1999 wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Kurz vor seiner Festnahme war er nach Sachsen ausgewandert, wo auch seine Söhne Jörg und Jörn zur Welt kamen.
Ein Teil der Familie lebt nach wie vor in Österreich. Hans Jörg Schimanek senior ist FPÖ-Politiker, ehemaliger FPÖ-Landesparteiobmann von Niederösterreich und Großvater von Jörg und Jörn. Der 84-Jährige wollte heuer sein politisches Comeback feiern. Er kandidierte bei der Nationalratswahl auf dem – allerdings aussichtslosen – 70. Platz der Bundesliste der FPÖ.
Hinweise kamen aus USA
Unter den Festgenommenen sollen auch drei Mitglieder der in Teilen rechtsextremen AfD („Alternative für Deutschland“) aus Sachsen sein. Bei der Festnahme sei es zu einem Schusswechsel mit der Polizei gekommen, einer der beschuldigten Männer habe mit einer Langwaffe auf einen Polizisten geschossen, der daraufhin zwei Warnschüsse abgegeben hat. Der Beschuldigte erlitt einen Kieferbruch und musste ins Spital. Nähere Details, wie es zu seiner Verletzung gekommen ist, stehen nicht fest. Die drei Männer sollen von der AfD ausgeschlossen werden, das teilte die Partei am Mittwoch mit.
Sieben Männer befinden sich in Untersuchungshaft. Wann der letzte Beschuldigte – der mutmaßliche Rädelsführer Jörg Schimanek – dem Ermittlungsrichter vorgeführt wird, steht noch nicht fest. Nach seiner Festnahme in Polen warten die deutschen Behörden auf seine Auslieferung. Die Hinweise zur Gruppe sollen aus den USA gekommen sein. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur war dem FBI jemand aus Deutschland aufgefallen, der online in einem Chat unter einem "Nickname" entsprechende Inhalte preisgab.