Investigativ

Rechnungshof zerpflückt Eigen-PR der Regierung

Laut einem profil vorliegenden Rohbericht des Rechnungshofes läuft die Medienarbeit der Regierung intransparent. Das Kanzleramt schanzte ÖVP-nahen Medien Inserate zu – und löschte vor der Prüfung E-Mails. Eine Kampagne des Finanzministeriums war unzweckmäßig.

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Regieren und inserieren – die Gelder für Eigen-PR sitzen in Österreich traditionell locker. Zu locker, wie der Rechnungshof in einem bisher unveröffentlichten Rohbericht kritisiert, der profil vorliegt.

Die Prüfer untersuchten die „Kostentransparenz bei der Medienarbeit“ – so der Titel des Berichts – im Bundeskanzleramt (BKA), im Finanzministerium (BMF) und im Klimaschutzministerium (BMK) und stießen auf zahlreiche Probleme. Von unzweckmäßigen Kampagnen über Inserate für Parteimedien bis zu gelöschten E-Mails im Kanzleramt.

Vorneweg: Der Rechnungshof hat gegen die Bewerbung von Regierungsprojekten nichts Grundsätzliches einzuwenden; ein entsprechendes Informationsbedürfnis vorausgesetzt, sind Werbekampagnen legitim. Der Bericht kritisiert allerdings deren Umsetzung.

Die Beachtung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Gebarungsgrundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit war bei der Medienarbeit nicht ausreichend gegeben.

Rechnungshof-Rohbericht

Die Prüfer knöpften sich die Medienarbeit der Jahre 2019 bis 2021 vor, bis Ende 2019 war noch Türkis-Blau im Amt. Das BKA wurde von Ex-Kanzler Sebastian Kurz angeführt und das BMF von Gernot Blümel (beide ÖVP) – mit einer Unterbrechung nach der Ibiza-Affäre. Im Verkehrsressort überlappten sich im Prüfungszeitraum die Amtszeiten von Norbert Hofer (FPÖ) und Leonore Gewessler (Grüne). Von der Prüfung war jener Zeitraum umfasst, in dem das Werbevolumen der Regierung wegen der Corona-Kampagnen ein Rekordniveau erreichte (inzwischen reduzierten ÖVP und Grüne die Kosten für ihre Öffentlichkeitsarbeit wieder). Fatales Fazit des Berichts: „Die Beachtung der verfassungsrechtlich vorgegebenen Gebarungsgrundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit war bei der Medienarbeit nicht ausreichend gegeben.“

In den drei geprüften Jahren butterten BKA, BMF und BMK insgesamt 108 Millionen Euro in die Medienarbeit.

Problem 1: Inserate für ÖVP-nahe Medien

Für ihre Inseratenbuchungen vertrauen Kanzleramt und Ministerien auf die Dienste sogenannter Schaltagenturen. Das sind Unternehmen, die für groß angelegte Werbekampagnen Anzeigenflächen in Zeitungen und Onlinemedien buchen und an ihre Kunden weiterverkaufen – meist erzielen sie größere Rabatte, als das bei Einzelbuchungen der Fall wäre.

Bei der Covid-19-Kampagne änderte das Bundeskanzleramt die Schaltpläne der Agentur „ohne weitere Begründung z. B. in Bezug auf die Kommunikationsziele bzw. die Zielgruppen“. Einmal wurde die – inzwischen eingestellte – Tageszeitung der ÖVP Oberösterreich, das „Volksblatt“, in den Schaltplan aufgenommen.

Zweimal wurde die „Österreichische Bauernzeitung“ (im Eigentum des ÖVP-Bauernbundes) vom Kanzleramt in die Schaltpläne hineininterveniert.

Von einer Agentur wurde dem Kanzleramt ein „Kostenplan für die heute besprochene Exxpress Schaltung“ nachgereicht. Der „exxpress“ ist ein ÖVP-nahes Onlinemedium, das vom Sebastian-Kurz-Spender Alexander Schütz und seiner Frau Eva Hieblinger-Schütz gegründet wurde.

Anzeigen in Qualitätsmedien wurden in mehreren Fällen „reduziert“ oder ganz „aus der Planung genommen“, stattdessen wurden „andere Tageszeitungen („Heute“ und „Krone“) verstärkt eingeplant“, schreibt der Rechnungshof.

Auch das Finanzministerium „urgierte nachträglich weitere Schaltungen, für die zunächst kein Budget vorgesehen gewesen war. Unter den Buchungen waren auch solche für parteinahe Medien“, die teils bloß eine geringe Printauflage vorweisen konnten, schreibt der RH. Darunter: die Magazine des Wiener und des Oberösterreichischen ÖVP-Seniorenbundes („ab5zig“ und „Wiraktiv“). Begründungen dafür waren im BMF laut dem Prüfbericht „nicht erfasst“.

Für den RH war „nicht erkennbar, ob bzw. inwieweit die Änderungen [von BKA und BMF, Anm.] eine tatsächliche Optimierung der Schaltpläne in Hinblick auf die Kommunikationsziele und Zielgruppen darstellten“. Das ist Prüferdeutsch und bedeutet: Die Sinnhaftigkeit der mit Steuergeld bezahlten Annoncen in parteinahen Medien ist höchst fragwürdig.

Die großzügigen Inseratengelder, die in der Ära Kurz an Boulevardmedien (etwa jene der Familie Dichand) ausgeschüttet wurden, sind Gegenstand von Ermittlungsverfahren. profil berichtete hier ausführlich darüber.

Problem 2: Blackbox im Bundeskanzleramt

Wer wie Ex-Kanzler Kurz die Message kontrollieren will, braucht Messagekontrolleure. Obwohl es im Bundeskanzleramt bereits eine Fachabteilung für Öffentlichkeitsarbeit gab, wurde unter Kurz eine eigene Stabstelle Medien direkt beim Kanzler eingerichtet, um – wie Kritiker meinen – die Medienarbeit besser steuern zu können. Die Abteilung wurde von Kurz-Intimus Gerald Fleischmann geleitet und nach Kurz’ Rücktritt im Dezember 2021 aufgelöst. Fleischmann ist heute Kommunikationschef der ÖVP-Bundespartei.

Die Stabstelle Medien dokumentierte ihre Verwaltungstätigkeit nicht (aktenmäßig)

Rechnungshof-Rohbericht

Bei seiner Prüfung beförderte der RH Erstaunliches zutage: Die Stabstelle „dokumentierte ihre Verwaltungstätigkeit nicht (aktenmäßig)“, was die „Beurteilung von Rechtmäßigkeit und Sparsamkeit der gesetzten Handlungen deutlich erschwerte“. Das E-Mail-Postfach der Stabstelle wurde bereits vor der Prüfung „gelöscht“.

Zwischen der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit und der Stabstelle Medien gab es offenbar ein Kommunikationsproblem: Die Fachabteilung bestätigte die rechnerische Richtigkeit von Rechnungen über Gesundheitsbroschüren im Wert von 400.000 Euro, „ohne einen Nachweis zur tatsächlichen Leistungserbringung zu dokumentieren“. Die fraglichen Leistungsaufstellungen eines externen Dienstleisters sollen laut RH an die Stabstelle Medien übermittelt worden sein, wo sie „in mehreren Kisten im Büro lagern“ – von dort fanden sie aber nie den Weg zur Fachabteilung.

Welcher Kanzler im vergangenen Jahrzehnt am meisten Geld für PR ausgab? Unser Faktencheck-Team hat es hier recherchiert.

Problem 3: Unzweckmäßige BMF-Kampagne

Die ökosoziale Steuerreform war eines der Prestigeprojekte der türkis-grünen Bundesregierung, und entsprechend wuchtig wurde sie vermarktet. Allerdings startete die Werbekampagne des Finanzministeriums, bevor der Nationalrat die Reform beschlossen hatte. Die Prüfer wiesen darauf hin, dass sich Gesetzesvorlagen im Zuge der parlamentarischen Diskussion noch ändern können. Auch wenn die Vorab-Bewerbung rechtlich „erlaubt“ war, erachtet der RH „die Durchführung von kostenintensiven Kampagnen zu noch nicht beschlossenen Maßnahmen als grundsätzlich unzweckmäßig und für im Einzelfall besonders begründungsbedürftig“.

Problem 4: Fragliche Medienkooperationen im BMK

Das Verkehrsministerium (heutige Bezeichnung: Klimaschutzministerium) schloss im Jahr 2016 – unter SPÖ-Führung – eine Medienkooperation mit dem Verlag Holzhausen ab, der das Magazin „Austria innovativ“ herausgibt. Das Ressort berappte jährlich 46.000 Euro und erhielt dafür 975 Jahresabos des Magazins. Der Deal lief auch unter grüner Führung weiter. Der Rechnungshof: „Der Empfängerkreis dieser Abonnements war im Ministerium weder in der Beauftragung noch im Zuge der Abrechnung dokumentiert.“ Dennoch bestätigte das Ressort die Richtigkeit der Rechnung und zahlte. Nicht die einzige Auffälligkeit: Das Ressort überwies unter Minister Hofer 300.000 Euro an den Sender ServusTV für die „Zurverfügungstellung“ von vier Fernsehbeiträgen, die das Ministerium auf seiner Website veröffentlichen durfte. Welche Beiträge das waren und wie oft sie angesehen wurden, konnte das BMK den Prüfern nicht beantworten. Der RH hielt fest, dass keine „Erwägungen zur Kostenangemessenheit“ vorlagen. Das BMK erklärte auf profil-Anfrage, dass die Kooperationen von Vorgängerministern abgeschlossen wurden. Der Kontrakt mit Servus TV „bestand ausschließlich 2019“. Die „Austria Innovativ“-Abos seien 2022 ausgelaufen und wurden „nach inhaltlicher Prüfung nicht verlängert“.

Problem 5: Intransparenz

Das gesetzlich vorgeschriebene Informationsbedürfnis wurde laut RH bei allen drei Stellen „nicht systematisch“ dokumentiert, Kampagnenziele und -zielgruppen wurden im Vorfeld nicht oder nur äußerst vage definiert. Die Prüfer empfehlen dem Kanzleramt, dem BMF und dem BMK, „die Durchführung von Erfolgskontrollen“ zur Wirkung der einzelnen Kampagnen. Das BKA antwortete nicht auf eine profil-Anfrage, das BMF erklärte, die RH-Vorschläge bereits umzusetzen. Der aktuelle Finanzminister Magnus Brunner habe die Schaltungen stark reduziert und eine Abteilung für „Vergabe und Recht“ eingeführt.

Im Klimaministerium sind laut RH insgesamt sechs Abteilungen in die Medienarbeit involviert, das erschwert laut RH „eine abgestimmte Vorgehensweise und die Kostenübersicht“. Die Gesamtverantwortung lag zum Prüfungszeitpunkt beim Generalsekretär des Ressorts, was laut Bericht „keine typische Aufgabe eines Generalsekretärs“ ist.

Dazu erklärte das BMK auf Anfrage, dass alle Schaltungen des Ressorts seit heuer über die neue Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit laufen. Die Stelle sorge dafür, dass für jede Kampagne „klar definierten Zielgruppen“ sichergestellt sind.

Der RH mahnte alle geprüften Stellen dazu, einen „Gesamtüberblick über die Aufwendungen für Öffentlichkeits- und Medienarbeit zu generieren“. Derzeit werden die Kosten für Kampagnen unter verschiedensten Posten verbucht.

Lob für Türkis-Grün gab es vom RH für das neue Medientransparenzgesetz, ab 2024 müssen alle gebuchten Inserate veröffentlicht werden.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.