Durchsuchungen und Festnahme: Ermittler schlagen bei René Benko zu
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Manchmal läuft es eben auch im ganz großen Immobilien-Business wie beim Monopoly-Spiel im Kinderzimmer: Gerade noch Herr über die teuersten Grundstücke, Häuser und Hotels – doch plötzlich stolpert man aufs „Gehen Sie in das Gefängnis“-Feld und muss ein, zwei Runden aussetzen.
Am vergangenen Donnerstag ist es in der größten Wirtschaftsaffäre der Republik – jener rund um Signa-Gründer René Benko und sein zusammengebrochenes Firmen-Imperium – zu einem veritablen Paukenschlag gekommen: Gegen 8.30 Uhr in der Früh werden Ermittler der Kriminalpolizei-Einheit „SOKO Signa“ beim gefallenen Immobilien-Tycoon in Igls, südlich von Innsbruck, vorstellig. Dort residiert Benko bekanntlich in einer riesigen Villa. Im Gepäck haben die Ermittler ein Schriftstück, das nichts Angenehmes für den Signa-Gründer verheißt: eine Festnahmeanordnung, ausgestellt von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) und genehmigt vom Landesgericht für Strafsachen Wien. Darin rechtlich durchdekliniert: ein dringender Tatverdacht in Bezug auf mehrere schwere strafrechtliche Vorwürfe kombiniert mit dem Verdacht auf Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr. Da hilft alles nichts: Benko muss mitkommen.
Noch am Donnerstag findet eine erste Einvernahme statt. Danach ordnet die WKStA die Einlieferung des einstigen Star-Unternehmers in eine Justizanstalt an und stellt beim Wiener Straflandesgericht einen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft. Benko wird nach Wien überstellt und um 17.10 Uhr in die Justizanstalt Josefstadt eingeliefert. Ab diesem Zeitpunkt hat das Gericht 48 Stunden Zeit, über eine allfällige U–Haft zu befinden. Bis zum profil-Redaktionsschluss am Donnerstagabend lag noch keine Entscheidung vor. Eine solche kann höchst unterschiedlich ausfallen: von der U-Haft bis zur Freilassung mit oder ohne Auflagen.
profil-Informationen zufolge fanden neben der Benko-Festnahme am Donnerstag auch noch zahlreiche Hausdurchsuchungen statt – an mehreren Orten in Tirol, Vorarlberg und Wien. Unter anderem geht es dabei um den Verdacht des Corona-Förderungsbetrugs bei der Luxus-Absteige Chalet „N" in Lech am Arlberg und um den Betrugsverdacht in Zusammenhang mit einer Bankkreditverlängerung.
Jetzt geht es um die Existenz
Unabhängig von der U-Haft-Entscheidung ist das Vorgehen der WKStA ein schwerer Schlag für den gefallenen Tycoon. Ein Schlag, der gewissermaßen an die Existenz geht. Der Signa-Gründer lebt trotz Pleite weiterhin wie ein Milliardär. Grundlage dafür ist nicht zuletzt die sogenannte „Laura Privatstiftung“, in der hohe Vermögenswerte gebunkert sind. Offiziell hat Benko keinen Einfluss auf die Stiftung, weshalb sie bisher weder von Insolvenzverwaltern, noch von Gläubigern angetastet werden konnte. Offizielle Begünstigte des Vehikels sind nahe Familienangehörige, der Signa-Gründer profitiert aber quasi indirekt mit. So kann er zum Beispiel weiterhin in der riesigen Villa südlich von Innsbruck residieren, die der Stiftung gehört, und auf dem Jagdgut der Stiftung in der Steiermark mit Gästen auf Hirsch-Pirsch gehen. Das wurde im Herbst 2024 bekanntlich dem damaligen Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer politisch zum Verhängnis.
Festgenommen
Am Donnerstag, um 17.10 Uhr, wurde der René Benko in der Justizanstalt Josefstadt in Wien eingeliefert. Er wurde am Donnerstagmorgen in den Büroräumlichkeiten in seiner Innsbrucker Villa festgenommen und später von den Ermittlern einvernommen. Ob U-Haft über den Signa-Gründer verhängt wurde, war bis Redkationsschluss nicht bekannt.
Die WKStA geht nun jedoch davon aus, dass Benko selbst „unter anderem faktischer Machthaber und wirtschaftlich Berechtigter der Laura Privatstiftung“ sein soll, wie die Behörde nach der Festnahme in einer Aussendung mitteilte. Dies soll der Signa-Gründer jedoch „im Rahmen seiner persönlichen Insolvenz verheimlicht“ haben. Damit habe Benko „Vermögenswerte verschleiert und das in der Stiftung vorhandene Vermögen weiterhin dem Zugriff von Behörden, Masseverwaltern und Gläubigern entzogen“.
Die Vermutung, dass in Wahrheit Benko selbst hinter der Stiftung steht, gibt es schon länger – der Ex-Tycoon hat das immer bestritten. Offenbar verfügt die WKStA mittlerweile jedoch über eine ganze Reihe von Indizien, die in diese Richtung deuten sollen. Die Behörde verwies am Donnerstag auf intensive Ermittlungen in den vergangenen Monaten: auf Ergebnisse „insbesondere einer Telefonüberwachung“ und „einer Auswertung des Nachrichtenverkehrs des Beschuldigten“ sowie auf „Aussagen von Geschäftspartnern, Geschäftsführung und Mitarbeitern“ im Rahmen von Einvernahmen.
Rechnung gefälscht?
Dass man erst eine entsprechend dichte Indizien-Lage abwarten wollte, erklärt wohl auch, warum der Zugriff gerade jetzt erfolgt ist. Während die WKStA in Zusammenhang mit der Privatstiftungs-Thematik Tatbegehungsgefahr ortete, sah sie in Bezug auf einen anderen Aspekt auch noch Verdunkelungsgefahr: Benko soll „nachträglich eine Rechnung hergestellt und damit Beweismittel gefälscht haben, um drei hochpreisige Schusswaffen dem Zugriff von Behörden, Masseverwaltern und Gläubigern zu entziehen“, teilten die Ermittler mit.
Nähere Angaben zu diesem pikanten Detail blieb die Behörde schuldig. Allerdings hatte bei Benko bereits im Juni 2024 eine Hausdurchsuchung stattgefunden. Und in der damaligen Anordnung, die profil vorliegt, war auch von Schusswaffen die Rede: So habe Benko „noch im Jahr 2023 hohe Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb zweier Flinten“ getätigt und es sei „sogar noch im Oktober 2023 eine Waffe der Marke Glock im Waffenregister erfasst“ worden. Im Vermögensverzeichnis im Rahmen des Konkursverfahrens seien dann jedoch keine Schusswaffen angeführt gewesen. Die WKStA war damals auf der Suche nach Hinweisen, um „die Frage des tatsächlichen Eigentums bzw. des allfälligen Beiseiteschaffens oder unterpreisigen Veräußerns“ zu klären.
Ob es bei der mutmaßlich fingierten Rechnung, die einer der Gründe für die nunmehrige Festnahme war, um dieselben Waffen ging, ist nicht bekannt. Dass der Grundverdacht von damals auch im jetzigen Zusammenhang eine Rolle spielt, steht hingegen fest. Ein Verdacht, den die WKStA damals wie heute hegt, ist jener der betrügerischen Krida: Benko soll demnach Vermögenswerte – wie eben hochpreisige Waffen oder Uhren – „verborgen bzw. ohne angemessene Gegenleistung veräußert und dadurch die Befriedigung von Gläubigern verhindert bzw. geschmälert haben“, hieß es seitens der Ermittler am Donnerstag. Dazu kommt mittlerweile auch noch der beschriebene Verdacht, Benko sei wirtschaftlich Berechtigter der Laura Privatstiftung, habe das jedoch „im Rahmen seiner Insolvenz als Einzelunternehmer verheimlicht“.
Die Festnahme beruht darüber hinaus auch noch auf zwei weiteren Verdachtspunkten – beide spielten bereits bei der Hausdurchsuchung im Juni eine Rolle: Einerseits geht es dabei um Betrugsverdacht in Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung der Signa Holding, der früheren Dach-Gesellschaft der Immobiliengruppe. Benko soll demnach Investoren unter einem Vorwand dazu verleitet haben, Geld zuzuschießen. Andererseits steht auch Untreueverdacht im Raum: Die Signa Holding soll eine Firma, der ein Villen-Projekt in Italien zuzurechnen ist, an eine liechtensteinische Benko-Stiftung verkauft haben – ohne ausreichenden Gegenwert. Benko hat jegliches Fehlverhalten immer bestritten. Sein Anwalt Norbert Wess wies die Vorwürfe rund um die Hausdurchsuchung im Vorjahr als „vollkommen haltlos“ zurück.
Insgesamt haben sich über die vergangenen Monate hinweg die Ermittlungen rund um Signa und Benko deutlich ausgeweitet – auch international. Die WKStA hat mittlerweile eine gemeinsame Ermittlungsgruppe mit den Staatsanwaltschaften Berlin und München gebildet. In Bezug auf München hat sich zuletzt auch ein neuer Verdachtsfall aufgetan: Benko und ein weiterer Beschuldigter sollen laut WKStA „Verantwortliche eines ausländischen Staatsfonds veranlasst haben“ in ein Immobilienprojekt zu investieren, wobei „ein Großteil des Geldes zweckwidrig verwendet“ worden sein soll.
Die italienische Justiz wiederum erließ im November 2024 eine Festnahmeanordnung gegen Benko und einen seiner engsten Vertrauten – dies im Rahmen eines riesigen Verfahrens gegen mehr als siebzig Verdächtige. Grundsätzlich geht es in dem Verfahren um Verdachtslagen wie Bestechung, Verrat von Amtsgeheimnissen und illegale Parteienfinanzierung – unter anderem in Zusammenhang mit behördlichen Genehmigungen für Immobilien-Projekte. Der Vorwurf gegen Benko war allgemein gehalten: Dieser sei so etwas wie der Kopf einer kriminellen Vereinigung gewesen. Anwalt Wess ließ damals wissen, sein Mandant sei „zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen“. Er werde „weiterhin – wie bisher – mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren“. Der Großteil der Sachverhalte in Italien habe überhaupt „keinen wie auch immer gearteten Bezug zu Signa, geschweige denn zu René Benko“. Ein ursprünglich unterstellter erschwerender Umstand – der Einsatz mafiaartiger Methoden – ist mittlerweile weggefallen.
Der private Finanzstriptease
Dass es 2024 zunehmend ungemütlich für Benko wurde, hat darüber hinaus damit zu tun, dass nicht nur zahlreiche Signa-Firmen Insolvenz anmelden mussten, sondern auch er selbst – in seiner Funktion als Einzelunternehmer. Am 7. März 2024 stellte der Signa-Gründer einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Landesgericht in Innsbruck. Auslöser: Bereits zwei Monate zuvor hatte die Finanzprokuratur, also die Anwältin der Republik, einen Insolvenzantrag gegen Benko eingebracht. Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, führte damals offene Forderungen gegenüber der Finanz ins Treffen. Mit dem Konkursverfahren wurde Benko quasi zu einem Finanzstriptease gezwungen.
Benkos Masseverwalter, Andreas Grabenweger, hatte es von Anfang an nicht leicht mit seinem prominentesten Fall. Zwei Milliarden Euro forderten Benkos Gläubiger von ihm, wovon aber nur ein Bruchteil anerkannt wurde. Der Zugriff auf die Insolvenzmasse gestaltete sich holprig. Vor allem deshalb, weil bis heute unklar ist, was genau in die Insolvenzmasse fällt. Zentrale Frage ist, ob der Masseverwalter auch auf das Vermögen der Laura Privatstiftung zugreifen darf oder nicht. Dort stecken beträchtliche Vermögenswerte – von Zinshäusern in Innsbruck, über die Benko-Villa in Igls bis hin zum Jagdgut in der Steiermark oder einer Beteiligung am Wiener Nobellokal „Fabios“.
Erzfeinde
Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, brachte einen Insolvenzantrag gegen Benko ein. Am 7. März 2024 stellte der Signa-Gründer dann selbst einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Landesgericht in Innsbruck. Mit dem Konkursverfahren wurde Benko quasi zu einem Finanzstriptease gezwungen.
Wie profil aus involvierten Kreisen erfuhr, wurde quasi um jede Uhr, um jedes Paar Manschettenknöpfe und um jede Jagdwaffe, die zugunsten der Gläubiger versteigert werden sollten, gefeilscht und gestritten. Schon in seinem ersten Bericht über den Verfahrensablauf attestierte der Masseverwalter dem gefallenen Tycoon einen „auffälligen Lebensstil“ – profil berichtete.
Letzten Endes soll Grabenweger eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet haben, um mehr Zugriff auf Benkos Privatvermögen und auf das Vermögen der Stiftung zu erlangen. Ob die Anzeige direkt mit den am Donnerstag erfolgten Hausdurchsuchungen und Benkos Festnahme zusammenhängt, wollte der Masseverwalter auf Nachfrage nicht kommentieren.
Ein spannendes Detail am Rande: Zuletzt ging man im Insolvenzverfahren unter anderem dem Verbleib eines präparierten Steinadlers nach, der ursprünglich eine von der Signa Holding gepachtete Jagdhütte im Karwendelgebiet geziert haben soll – dann jedoch verschwand. Da es sich um ein Geschenk der mittlerweile verstorbenen Pop-Diva Tina Turner handelte, könnte man vermuten, dass das gute Stück einen entsprechenden Verkaufswert haben würde. Doch der Zugriff gestaltet sich schwierig: profil-Informationen zufolge soll Benko angegeben haben, er habe den ausgestopften Vogel im Jahr 2017 von Turner als Geschenk erhalten und unmittelbar an seine Gattin weitergereicht. Und die ist bekanntlich nicht insolvent.
Das Signa-Kartenhaus
Sehr wohl insolvent sind zahllose Firmen aus dem Signa-Imperium. Es handelt sich um die größte Firmenpleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte: Allein die Passiva der drei größten Signa-Gesellschaften – der übergeordneten Signa-Holding, der Signa Prime und der Signa Development – belaufen sich auf fast elf Milliarden Euro. Ins Rollen kam die Pleite-Welle am 29. November 2023. Da meldete die Dachgesellschaft Signa Holding Insolvenz an. Einen Monat später ging dann auch Signa Prime pleite, das Schmuckstück der Immobiliengruppe. Dort waren die ganz besonders werthaltigen Immobilien wie das Goldene Quartier in Wien, aber auch der halbfertige Elbtower in Hamburg gebündelt. Und für die Signa Development, die sich mit der Entwicklung von Wohn- und Gewerbeimmobilien befasste, war das Spiel ebenfalls gelaufen.
Ursprünglich war eine Sanierung in Eigenverwaltung geplant. Diese mutierte aber recht bald zu einer sogenannten Treuhand-Sanierung, bei der das gesamte Restvermögen der Signa treuhändisch an ihre Gläubiger übertragen wurde. Im Frühling des Vorjahres legte der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, jedoch Rekurs gegen die Sanierungspläne der Signa Prime und Signa Development ein und bekam mittlerweile vom Oberlandesgericht Wien – und letztinstanzlich vom Obersten Gerichtshof – Recht. Jetzt wird die Insolvenzmasse der Signa Prime und Signa Development in einem normalen Konkursverfahren abgewickelt. Wie viel für die Gläubiger übrig bleibt, ist mehr als unklar. Aber angesichts der unzähligen Verflechtungen im Signa-Imperium, der Unmengen an gegenseitigen Haftungen und Forderungen und der noch immer ausständigen Bankkredite, dürfte am Ende des Tages nicht mehr allzu viel zusammenkommen.
Signa war schon immer ein Sonderfall in der europäischen Immo-Szene. Ein höchst schillernder zumal: 110 Immobilien, eingebettet in mehr als 1000 Gesellschaften. Und wie sich nach der Pleite herausstellen sollte, war keine einzige dieser Immobilien unbelehnt. Signa weckte jedenfalls lange vor der Pleite das Interesse der Aufsichtsbehörden. Als im März 2023 bekannt wurde, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) im Rahmen einer Gewerbeimmobilienprüfung ganz konkret für die Signa-Kredite der deutschen und österreichischen Kreditinstitute interessierte, hatte sich Benkos Firmengruppe schon mehr als zwei Jahre lang im Fokus der heimischen und europäischen Aufsicht befunden – profil berichtete exklusiv.
Waren die Kredite tatsächlich gut und ordentlich besichert? Waren die hohen Immobilienbewertungen gerechtfertigt? Was würde mit den Krediten passieren, wenn im Immobiliensektor Turbulenzen auftreten oder die Zinsen vom historisch niedrigen Niveau aus wieder ansteigen würden? 2023 trat dann das Worst-Case-Szenario ein: Nach Corona schlitterte die Gewerbeimmobilien-Branche in eine tiefe Krise. Wegen der hohen Inflation hob die EZB im Eiltempo die Zinsen an, die Bewertungen zahlreicher Immobilien purzelten in den Keller, und bei Signa schmolz das verfügbare Kapital nur so dahin.
Als dann im Spätsommer 2023 das geplante Investment eines südkoreanischen Fonds platzte, war intern wohl klar, dass es richtig eng werden würde. Im Zuge der Pleite der Signa Holding wurde im Dezember 2023 übrigens ein Finanzforensik-Team des Unternehmensberaters Deloitte beauftragt, die Buchungen der Signa-Gruppe insbesondere in den Monaten vor der Insolvenz ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Die Hauptfrage: Floss kurz vor der Pleite Geld aus der Gruppe, was letzten Endes eine Schädigung der Gläubiger bedeuten könnte? Und wenn ja, wohin? Deloitte stieß dabei laut einem Sanierungsbericht auf eine „hohe Anzahl an Transaktionen, die zeitlich nahe vor Insolvenzeröffnung durchgeführt wurden“. Benkos Festnahme am Donnerstag steht damit allerdings nicht in Zusammenhang.
Nach einer längeren Phase der Unsicherheit hat nun die Verwertung der Signa-Immobilien an Fahrt aufgenommen. Anfang der Woche gab der Masseverwalter der Signa Prime, Norbert Abel, bekannt, dass jenes Gebäude auf der Wiener Freyung, in dem der Verfassungsgerichtshof residiert, an die JR Investment GmbH des oberösterreichischen Industriellen Josef Rainer verkauft wird. Wie profil erfuhr, soll Rainers Gruppe zu diesem Zweck 100 Prozent der Kommanditanteile der „Renngasse 2 Beta KG“ und 90 Prozent der „Renngasse 2 Immobilien KG“ erwerben. Die Höhe des Kaufpreises ist nicht bekannt. Viel dürfte aber nicht übrigbleiben: Laut Grundbuch ist die Immobilie mit einem Pfandrecht von bis zu 120 Millionen Euro belehnt.
Im Oktober des Vorjahres ging die Bauruine des Kaufhaus Lamarr auf der Wiener Mariahilfer Straße an den Investor Georg Stumpf. In Berlin wurde das Luxuskaufhaus KaDeWe an die thailändischen Miteigentümer Central Group veräußert. Das Transaktionsvolumen soll 1,2 Milliarden Euro betragen haben. Wie viel davon tatsächlich in Cash geflossen ist und wie viel an gegenseitigen Forderungen aufgerechnet wurde, ist allerdings nicht bekannt.
Insgesamt läuft der Verkauf der Immobilien aber eher schleppend. Zu groß ist die Rechtsunsicherheit, ob in einem der zahlreichen Verfahren mögliche Verkäufe doch noch rückabgewickelt werden könnten. In seiner Hochblüte bewertete Signa das üppige Immobilienportfolio mit Häusern in bester Innenstadtlage in Wien, Berlin oder Zürich mit mehr als 20 Milliarden Euro. Heute stehen dem Forderungen von 12,5 Milliarden Euro gegenüber, wovon die Hälfte aber vom Masseverwalter bestritten wird.
Und die einst so üppig bewerteten Gebäude dürften ihr Geld von damals auch nicht mehr wert sein. Ein Beispiel: Im oben genannten Objekt Renngasse/Freyung lief Ende 2024 der Mietvertrag für das Bank Austria Kunstforum aus. Damit brachen auch die Mieteinnahmen weg – und ohne Mieter ist ein Gebäude eben auch weniger wert.
Dann ist da noch eine Black Box, die direkt mit der Laura Privatstiftung zu tun hat und zumindest die Immobilienverkäufe in Deutschland erschwert: Zwei Gesellschaften, die „Laura Holding“ und die „Laura Finance Holding“, wurden in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Immobilien-Projektgesellschaften in Deutschland zwischengeschaltet, damit sich Signa die Grunderwerbssteuer spart. Die Steuer wird nämlich dann nicht fällig, wenn ein Investor weniger als einen bestimmten Anteil (früher 95 Prozent, nunmehr 90 Prozent) einer Immobilienbesitzgesellschaft erwirbt. Stark vereinfacht gesagt: Signa kauft weniger als 95 Prozent, den Rest übernimmt eine der beiden Laura-Firmen. Damit der (legale) Trick funktioniert, dürfen die Firmen, welche die restlichen Anteile übernehmen, nicht der Signa gehören.
Jetzt vermuten sowohl die Gläubiger, als auch potenzielle Käufer hier und da, dass ein Teil der Einnahmen aus den Immobilienverkäufen direkt an René Benko fließen könnte. Damit schließt sich der Kreis zu den aktuellen Ermittlungen: 42 Prozent der Laura Holding GmbH gehören laut Firmenbuch der Laura Privatstiftung. Und nun hegt die WKStA aufgrund ihrer Ermittlungsergebnisse den dringenden Verdacht, dass Benko selbst wirtschaftlich Berechtigter der Stiftung ist, obwohl er offiziell nicht zum Kreis der Begünstigten zählt.
Aufstieg und Fall
Aber wie ist Benko überhaupt zu einem der reichsten Österreicher geworden? Lange war es eine Karriere wie aus dem Bilderbuch: Im Jahr 2004 übernahm der 27-jährige Benko das marode Kaufhaus Tyrol in Innsbruck und ließ die Shoppingmall im Herzen der Stadt vom Stararchitekten David Chipperfield neu bauen, sein „Gesellenstück“, wie er sagt. Drei Jahre später übernahm er von der Bawag P.S.K bereits ein ganzes Paket von Immobilien in der Wiener City, die er zum Luxus-Geschäftsviertel „Goldenes Quartier“ entwickelte.
Von da an schien das Wachstum des Immobilienunternehmers keine Grenzen zu kennen. Seine Signa-Gruppe baute Hotels und Einkaufszentren, erwarb Prestigeobjekte wie das KaDeWe in Berlin und das Chrysler Building in New York, das Hotel Bauer Palazzo in Venedig. Über ein schwer zu durchblickendes Dickicht an Stiftungen, Gesellschaften und Fonds beteiligte er sich an der Mediengruppe Funke, die Anteile an „Kurier“ und „Kronen Zeitung“ – und auch an „profil“ – hält. Er übernahm die deutsche Warenhausgruppe Galeria Karstadt Kaufhof und die Möbelkette kika/Leiner. Im Jahr 2021 schätzte das US-Magazin Forbes Benkos Vermögen auf 5,6 Milliarden Dollar. 2023 nahm ihn Forbes dann von seiner Milliardärsliste.
Benko und die Ex-Kanzler
Vor der Signa-Pleite scharrte René Benko ziemlich mächtige Freunde und Unterstützer um sich. Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer (l.) war Signa-Aufsichtsrat und Beiratsvorsitzender. Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz war als Investitionsvermittler für die Signa tätig.
An seine teils prominenten Investoren wie den österreichischen Bauunternehmer Hans-Peter Haselsteiner zahlte Signa hohe Dividenden aus. Benko suchte die Nähe zur Politik und holte sich Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Ex-Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn in den Signa-Beirat. Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz wurde als Investorenvermittler tätig. Zum traditionellen Törggelen der Signa tanzte jedes Jahr im Herbst Österreichs Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Medien an.
Heute wirft der Masseverwalter der Signa Prime, Norbert Abel, Benkos prominenten Wegbegleitern, die hohe Positionen bei Signa innehatten, schwere Versäumnisse vor. Er fordert von ehemaligen Managern, Aufsichtsräten und Beiräten wie Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, Signa-Finanzchef Manuel Pirolt, Ex-Raiffeisen-International-Chef Karl Sevelda und einigen mehr insgesamt eine Milliarde Euro zurück.
In ihrer Glanzzeit ließ sich Signa übrigens eine eigene Monopoly-Sonderedition maßschneidern – offenbar als Geschenk für Mitarbeiter. Ein „Gefängnis“-Feld sucht man darauf vergeblich, stattdessen wird man auf Urlaub ins „Chalet N“ in Lech am Arlberg geschickt. Manchmal klaffen Realität und Wunschwelt auch im Immobilien-Business deutlich auseinander. Für René Benko ist das alles freilich längst kein Spiel mehr. Rien ne va plus – nichts geht mehr. Zumindest vorerst.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Josef Redl
Wirtschaftsredakteur. Davor Falter Wochenzeitung.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.