Benko-U-Haft: Freunde, Feinde und die „Mama“
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Festnahme in Innsbruck, erste Befragung, Überstellung nach Wien im Polizeiauto, Einlieferung in die Justizanstalt Josefstadt, Einvernahme durchs Gericht, U-Haft-Beschluss – und dann erst einmal Pause: Auf hektische und dramatische Stunden Ende der vergangenen Woche folgten für Signa-Gründer René Benko Tage, in denen er zweifellos viel Zeit zum Nachdenken hatte. Nicht zuletzt darüber, wie er sich bei der nächsten Haftprüfung, die spätestens kommenden Freitag stattfindet, verhalten wird – vergangene Woche hat er zu den Vorwürfen noch geschwiegen.
In der Zwischenzeit lichten sich jedenfalls die Nebel, was die genaue Verdachts- und Indizienlage der Ermittlungsbehörden betrifft. profil berichtete im Lauf der Woche als erstes Medium über den konkreten Inhalt der Festnahmeanordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Und dabei zeigt sich vor allem eines: Im Benko-Krimi kommt es ganz zentral auf bestimmte Personen – teilweise auch auf Institutionen und Unternehmen – an. Wer sind die Freunde und Feinde des gefallenen Immobilien-Tycoons, die im Zentrum des Geschehens stehen? Und welche Rolle spielt eigentlich seine Mutter?
Haselsteiner erzählt
„Der Zeuge Dr. Hans Peter Haselsteiner konnte als langjähriger Bekannter und Mitinvestor von René Benko einen tiefen Einblick in die Gebarung des René Benko gewinnen“, schreibt die WKStA in der Festnahmeanordnung. Strabag-Gründer Haselsteiner war über seine Familienstiftung jahrelang einer der wichtigsten Investoren der Signa-Gruppe. Und über René Benko erzählt man sich, dass er durchaus Wert darauf gelegt haben soll, höchstpersönlich den Kontakt mit den großen Geldgebern zu halten. Es ist also davon auszugehen, dass Haselsteiner das eine oder andere darüber mitbekommen hat, wie im Benko-Umfeld der Hase läuft. Und diesbezüglich hielt Haselsteiner als Zeuge unter Wahrheitspflicht offenbar auch nicht hinter dem Berg.
Haselsteiner habe ausgesagt, er vermute, dass Benkos Mutter als Stifterin und Begünstigte der sogenannten Laura Privatstiftung das unterschrieben habe, „was ihr Sohn ihr vorgeschlagen habe“, heißt es in der Festnahmeanordnung. Das klingt juristisch-trocken, kann aber dramatische Auswirkungen haben. In der von Benko einst mit seiner Mutter gegründeten Privatstiftung sind wesentliche Teile des nicht zu knappen Familienvermögens gebunkert. Vereinfacht gesagt, ermöglichte es die Stiftungskonstruktion dem Signa-Gründer bisher, trotz persönlicher Pleite als Einzelunternehmer im März 2024 weiterhin wie ein Milliardär zu leben.
© APA/HANS KLAUS TECHT
STRABAG-MITEIGENTÜMER HANS PETER HASELSTEINER IM KLUB DER WIRTSCHAFTSPUBLIZISTEN
Vom Freund zum Feind
Hans Peter Haselsteiner war Signa-Investor. Heute ist er, wie viele andere frühere Wegbegleiter von René Benko, ein Belastungszeuge.
Allerdings kann Benko offiziell nur indirekt davon profitieren: Zum Begünstigtenkreis der Stiftung zählen – jedenfalls auf dem Papier – enge Familienmitglieder, nicht jedoch er selbst. Das macht die Situation zwar etwas kompliziert, hatte aber bisher den angenehmen Nebeneffekt, dass das in der Stiftung liegende Vermögen bis dato immun gegen den Zugriff des Insolvenzverwalters und der Gläubiger geblieben ist.
Aufgrund umfangreicher Ermittlungen hegt die WKStA nun jedoch den Verdacht, dass „die Stiftungskonstruktion lediglich zum Schein besteht und vorrangig dazu dient, nach wie vor vorhandenes Vermögen, das faktisch René Benko zuzurechnen ist, weiterhin dem Zugriff der Behörden, Masseverwalter und Gläubiger zu entziehen und ihm dennoch über seine Mutter als Strohfrau erhebliche finanzielle Zuwendungen, geldwerte Nutzungen und eine faktische Zugriffsmöglichkeit zu gewähren“. Damit begründet die WKStA die aus ihrer Sicht bestehende Tatbegehungsgefahr – neben Verdunkelungsgefahr einer der beiden Haftgründe.
Wie kommt die WKStA darauf? Einerseits führt sie Erkenntnisse aus abgehörten Telefonaten und aus der Auswertung von E-Mails und Handy-Chats ins Treffen. Andererseits verweisen die Ermittler auf zahlreiche Zeugenaussagen. Einer der Zeugen: Hans Peter Haselsteiner. Gemäß Darstellung der WKStA äußerte Haselsteiner als Zeuge unter Wahrheitspflicht die Vermutung, Benkos Mutter habe alles unterfertigt, was ihr Sohn ihr vorgeschlagen habe. Die Laura Privatstiftung habe sich – so weit er sich erinnern könne – niemals von sich aus in eine Vereinbarung eingebracht, sondern es sei Benko gewesen, der gemeint habe „das macht die Laura Privatstiftung beziehungsweise das macht die Mama“. Oder: „Die Mama kriegt immer von der Laura Privatstiftung das Geld, und die Mama schenkt es mir.“
Die Mama kriegt immer von der Laura Privatstiftung das Geld, und die Mama schenkt es mir.
Haselsteiner ist nicht der einzige hochrangige Signa-Investor, der zuletzt als Zeuge einvernommen wurde. „Fressnapf“-Gründer Torsten Toeller soll ausgesagt haben, Benko sei sowohl in der Signa-Gruppe als auch in der Firmengruppe rund um die Laura Privatstiftung „allmächtiger Alleinherrscher“ gewesen. In der Festnahmeanordnung hält die WKStA trocken fest: „Seine Angaben werden durch vorliegende WhatsApp-Nachrichten gestützt.“
Doch nicht nur Co-Investoren, die bei Signa viel Geld verloren haben, werden von der WKStA als Zeugen geführt. Auch einzelne Mitarbeiter aus dem engsten Benko-Umfeld wurden befragt. Sie dürften bei der Aufklärung der Causa Benko, deren Ende noch lange nicht in Sicht ist, wohl ebenfalls wichtige Rollen spielen.
Die Republik lässt nicht locker
Am 29. Jänner 2025 war für kika/Leiner tatsächlich Ladenschluss. Für immer und ewig. Die letzten 17 Filialen der 115 Jahre alten Möbelhaus-Kette schlossen endgültig ihre Pforten. Mehr als 1300 Menschen verlieren ihre Jobs, die Forderungen der Gläubiger belaufen sich auf 265 Millionen Euro. Was das mit René Benko zu tun hat? kika/Leiner gehörte bis 2023 zur Handelssparte der Signa. Dann verkaufte Signa die Liegenschaften der Möbelkette an die Immo-Gruppe Supernova. Das operative Geschäft, also der Möbelhandel, ging an den äußerst öffentlichkeitsscheuen Handelsmanager Hermann Wieser – um einen symbolischen Euro. Keine zwei Wochen nach dem Verkauf meldete die Möbelkette Insolvenz an.
Spätestens hier beginnt die offene Rechnung zwischen Signa, ihrem Gründer René Benko und dem Staat. Allein aus der damaligen kika/Leiner-Pleite blieb der Fiskus auf mehr als 40 Millionen Euro an Forderungen sitzen. Und spätestens ab diesem Zeitpunkt nahm sich Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, also der Anwältin der Republik, der Angelegenheit an.
Dass mittlerweile so viel über die – bis dahin streng gehüteten – Geheimnisse aus dem millionenschweren Benko-Reich bekannt ist, liegt nicht zuletzt an einem Insolvenzantrag. Diesen brachte Peschorn gegen René Benko Anfang 2024 ein. Er begründete den Antrag damals mit offenen Forderungen gegenüber der Finanz. Am 7. März kam Benko einer Gerichtsentscheidung zuvor und meldete selbst Insolvenz an – in seiner Rolle als Einzelunternehmer.
Zugriff
Im Fokus der Ermittler stand auch das Familiendomizil der Benkos in Igls bei Innsbruck und zahlreiche weitere Immobilien, die Benko privat oder beruflich genutzt haben soll.
Dann geschah Folgendes: Durch das Insolvenzverfahren wurde Benko zu einer Art Finanz-Strip gezwungen und musste sein gesamtes Vermögen offenlegen. Seine Gläubiger – und dazu gehören neben Banken, Steuerzahlern und Investoren auch ein arabischer Staatsfonds – fordern immerhin zwei Milliarden Euro. Woher und mit welchen Mitteln ihre Forderungen jetzt aber bedient werden sollen, muss erst in einer jahrelangen Kaskade an Gerichtsprozessen geklärt werden. Sollte sich der von der WKStA in der Festnahmeanordnung umfangreich begründete Verdacht, dass in Wahrheit Benko bei seinen Stiftungen schaltet und waltet, als zutreffend herausstellen, könnte das vieles abkürzen. Und es wäre wohl auch ein deutlich größeres Gesamtvermögen vorhanden als das, was aus dem schwierigen Verkauf der Signa-Immobilien übrig bleibt.
Ende 2023 schlitterten mit der Signa-Holding, der besonders werthaltigen Signa Prime und der Entwicklungssparte Signa Development die drei wichtigsten Gesellschaften im mehr als 1000 Firmen umfassenden Signa-Imperium in die Insolvenz. Zuerst sollten sie in Eigenverwaltung saniert werden, später wurde das ganze Vermögen der Signa treuhändisch den Gläubigern übergeben. Heute sind alle drei Gesellschaften ein Konkursfall ohne eine gesetzlich vorgegebene Mindestquote für die Gläubiger. Auch diese – verfahrenstechnisch höchst bedeutsame – Umwandlung in ein Konkursverfahren ging von der Finanzprokuratur aus. Peschorn legte Beschwerde gegen die Sanierungspläne der Signa Prime und Signa Development ein und bekam zuerst vom Oberlandesgericht und letztinstanzlich vom Obersten Gerichtshof recht. Die Unternehmen werden nun aufgelöst und das Vermögen, vor allem die Immobilien, schnell zu Geld gemacht. Möglicherweise fällt dadurch auch die Grundlage für eine bestimmte Form der von Signa praktizierten – legalen – Steuerminimierung weg. Das wäre unangenehm für die Investoren und Gläubiger, aber gut für den Staat.
Möglicherweise mischen die Erkenntnisse rund um die Benko-Festnahme auch in anderer Hinsicht die Karten neu: Bisher werden die Insolvenzverfahren bezüglich Benko und die pleitegegangenen Signas separat geführt. Sollte sich herausstellen, dass faktisch ohnehin alles immer Benko zuzuordnen gewesen wäre, könnte sich eine gesamthafte Abwicklung in einer Hand als zielführend erweisen.
Benko hat immer bestritten, im Hintergrund so etwas wie der faktische Machthaber oder Geschäftsführer der Signa beziehungsweise der Laura Privatstiftung gewesen zu sein. Zu den nun auf dem Tisch liegenden Vorwürfen machte er am Tag nach der Festnahme gegenüber dem Gericht keine Angaben. Daraufhin wurde U-Haft gegen ihn verhängt. Benkos Rechtsanwalt Norbert Wess ließ danach wissen: „Wir haben die Gerichtsentscheidung zur Kenntnis zu nehmen, möchten diese öffentlich aber nicht weiter kommentieren.“ Spätestens am 7. Februar muss das Gericht entscheiden, ob die U-Haft fortgesetzt wird. Es gilt in vollem Umfang die Unschuldsvermutung.
Diese beiden Männer werden keine Freunde mehr – René Benko und sein Masseverwalter Andreas Grabenweger. Vermutlich auch, weil Grabenweger Benkos Mutter in den Fokus genommen hat. Am Donnerstag fand am Landesgericht Innsbruck die erste Tagsatzung in einem Zivilprozess gegen die Mutter des Signa-Gründers statt. Im Zentrum der Klage stehen zwei Privatstiftungen, die INGBE Stiftung in Liechtenstein und die österreichische Laura Privatstiftung, deren Erststifterin und Begünstigte Benkos Mutter ist.
Benkos Vermögensverwerter
Der Masseverwalter will Zugriff auf das Stiftungsvermögen, um die Gläubiger von René Benko zu bedienen. Rechtlich war das bisher aber nicht möglich, weil Benko weder direkter Begünstigter ist, noch in den Stiftungen gesellschaftsrechtlich irgendetwas zu sagen hat. Grabenweger wirft Benkos Mutter jedoch vor, als Strohfrau zu agieren. Benko soll Vermögen in den Stiftungen geparkt haben, um es vor dem Zugriff der Gläubiger zu sichern – im Prinzip genau das, was mittlerweile auch die WKStA vermutet.
Benkos Mutter erschien am Donnerstag selbst nicht vor Gericht – sie war dazu auch nicht verpflichtet. Eine Entscheidung ist ohnehin nicht bald zu erwarten. Das Verfahren wurde vorerst geschlossen, bis eine rechtliche Vorfrage geklärt ist.
U-Haft?
Bis zum 7. Februar muss der Haftrichter entscheiden, ob Benko in U-Haft bleibt. Derzeit wartet er in der Justizanstalt Josefstadt in Wien auf die Entscheidung.
Der Gerichtstermin in Innsbruck ist freilich nur eine von vielen Stationen in einem der spektakulärsten Insolvenzfälle des Landes. Zwischen dem Masseverwalter und der Benko-Seite soll es zu einem regelrechten Katz-und-Maus-Spiel um persönliche Vermögenswerte wie Uhren, Manschettenknöpfe oder Jagdwaffen gekommen sein. Als es Grabenweger dann schaffte, persönliche, sehr hochpreisige Gegenstände Benkos zu versteigern, dürfte einiges davon allerdings über Umwege wieder beim gefallenen Tycoon gelandet sein. Die WKStA schließt aus Zeugenaussagen und Telefonüberwachungen, dass Vertraute Benkos einige Gegenstände wieder zurückgekauft haben sollen. Zum Beispiel soll Benkos versteigertes Motorboot dann von dessen ehemaligem Pilot abgeholt worden sein, der jetzt im Vorstand der Laura Privatstiftung sitzt. Die Ermittler schließen nüchtern, dass zahlreiche Gegenstände „von dessen Mutter beziehungsweise sonstigen Strohleuten für ihn zurückerworben wurden“.
Vergangene Woche wurde nicht nur Benko festgenommen, es kam auch zu einer Reihe von Hausdurchsuchungen. profil-Informationen zufolge sollen die Ermittler auch bei Personen aus dem erweiterten Familienkreis Benkos vorstellig geworden sein. Dem Vernehmen nach sollen diese dort einen Tresor mit zahlreichen Uhren und Bargeld gefunden und mitgenommen haben – Wertgegenstände, die sie wohl ebenfalls in Benkos Einflussbereich verorten.
Angriff aus der Opferrolle
Dass in den strafrechtlichen Ermittlungen gegen Benko und frühere hochrangige Signa-Manager einiges weitergegangen ist, liegt nicht nur an aussagefreudigen Investoren wie Haselsteiner. Es gibt auch potenzielle Geschädigte, die selbst Strafanzeigen erstattet haben. Vorreiterin war die Privatbank Schelhammer, die sich in Zusammenhang mit einer millionenschweren Kreditverlängerung betrogen fühlt. Die Schelhammer-Anzeige lag schon früh im Ermittlungsverfahren vor und war eine der Grundlagen für Hausdurchsuchungen im Juni 2024.
Mittlerweile hat jedoch auch ein saudi-arabischer Staatsfonds Anzeige erstattet. Der „Public Investment Fund“ investierte demnach 187 Millionen Euro in Anleihen einer Signa-Firma. Gemäß Verdachtslage soll den Saudis unrichtigerweise zugesichert worden sein, dass zumindest 113 Millionen Euro davon ausschließlich zur Finanzierung eines bestimmten Projekts in München verwendet würden. Auch hier steht Betrugsverdacht im Raum. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
All das wird sich Benko nun in der U-Haft durch den Kopf gehen lassen. Wie gehen er und seine Anwälte weiter vor? Eine schwierige Entscheidung unter verschärften Bedingungen.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.