Russisches Geld für Signa: 80 Millionen an kika/Leiner-Firma
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Hat er oder hat er nicht? Es ging lange Zeit als Gerücht in der heimischen Immo-Branche um: René Benko beziehungsweise seine Signa sollen sich auch von russischen Banken Geld geborgt haben. Waren es nun Milliarden oder Millionen? Und wofür genau? Ein erster Beleg dafür findet sich jetzt in einem Dokument der mittlerweile insolventen Signa Development, das für Anleiheinvestoren erstellt wurde und profil vorliegt.
Im mehrere Hundert Seiten starken Angebotsmemorandum der Signa Development zur Ausgabe einer 300 Millionen Euro schweren Anleihe der Signa Development Finance aus dem Jahr 2021 finden sich Erläuterungen zu einem 80 Millionen Euro schweren Kredit der VTB Bank (Europe) SE unter Einbeziehung ihrer Nierlassung in Wien an die LeiKi Immobilien Beteiligung GmbH. Die VTB Bank (Europe) SE gehört der russischen VTB, die sich mehrheitlich in Staatsbesitz befindet. Über die LeiKi Immobilien Beteiligung GmbH hielt die Signa Development indirekt das Eigentum an Immobilien der kika/Leiner-Möbelhausgruppe.
Schnell mal Geld von Russlands Hausbank
Der 80 Millionen Euro schwere Kredit soll laut Unterlagen im April 2021 an die LeiKi Immobilien Beteiligung GmbH begeben worden sein. Im Anleiheprospekt ist an einigen Stellen das abrufbare Kreditvolumen mit „bis zu“ 80 Millionen Euro beziffert. Laut Jahresabschluss der LeiKi Immobilien Beteiligung GmbH beliefen sich deren Verbindlichkeiten zum Jahresende 2021 tatsächlich auf 80,16 Millionen Euro, nachdem es ein Jahr davor noch null Euro gewesen waren. Das könnte darauf hindeuten, dass beim VTB-Kredit der volle Betrag ausgeschöpft wurde.
Die Signa Development Selection AG, in der wichtige Immobilien- und Entwicklungsprojekte der Gruppe gebündelt sind, ging laut Anleiheprospekt eine Haftung für den einjährigen Kredit ein, der am 30. April 2022 fällig wurde. Offenbar war eine vorzeitige Rückzahlung vereinbart, sobald der Verkauf dreier bestimmter Immobilienprojekte abgeschlossen sei. Ob das in dieser Form erfolgte, ist offen. Signa ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet. Dem Vernehmen nach wurde der Kredit allerdings mittlerweile getilgt.
Fest steht: kika/Leiner selbst dürfte von dem Geld nicht allzu viel gesehen haben. Laut Anleiheprospekt war vorgesehen, dass die LeiKi GmbH das Geld aus dem Kredit überwiegend allgemeinen Geschäftszwecken der Signa Development zufließen lassen sollte.
VTB Europe SE, die ihren Sitz in Frankfurt am Main hat, gehört mehrheitlich der VTB Bank mit Sitz in St. Petersburg. Es handelt sich um die zweitgrößte Bank Russlands. Sie steht zu 60,6 Prozent in Staatsbesitz und ist damit eine Bank von Kremls Gnaden. Das Pikante hier ist, dass Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen hat, worauf das Land mit weitreichenden wirtschaftlichen Sanktionen belegt wurden. Zahlreiche russische Banken, darunter eben auch die VTB, wurden vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen. VTB steht seit 8. April 2022 auf der EU-Liste der sanktionierten russischen Banken. Deshalb wurde im April des Vorjahres die VTB Europe liquidiert, sie hat also den Geschäftsbetrieb eingestellt; die Verwertung läuft noch. Und: Sie hat sich heuer am
2. Jänner umbenannt. VTB heißt jetzt OWH SE i.L. – der alte Firmenname dürfte bei der Verwertung der verbliebenen Vermögenswerte der Bank wohl nicht mehr dienlich sein.
Zurück zu Signa. Wurde der Kredit nun vor oder nach dem Einmarsch Russlands in sein Nachbarland getilgt? Wurde er zumindest getilgt, bevor die VTB auf der Sanktionsliste landete? Und weshalb hatte man bei Signa offenbar keine Bedenken, sich Geld von einer teilstaatlichen russischen Bank zu borgen, obwohl das Land bereits seit der Krim-Annexion 2014 verschiedenen Sanktionen und heftiger Kritik unterlag? All das wollte profil von Signa wissen. Bis Redaktionsschluss blieben diese Fragen unbeantwortet.
Signa hatte laut Anleiheprospekt übrigens bereits zuvor einen 10,2-Millionen-Euro-Kredit der VTB Bank (Europe) SE erhalten. Dieser wurde dann im April 2021 getilgt. Verboten waren Kreditbeziehungen zur VTB vor deren direkter Sanktionierung im Jahr 2022 nicht. Allerdings verweist Signa im Anleiheprospekt selbst darauf, dass auch eine gute Reputation wesentlich fürs Geschäft sei.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.