„Ansprechpartner bleiben gleich“
Doch nun stellen die Russland-Sanktionen die Firma vor Schwierigkeiten: Zwar wurde die russische Mechel-Mutter bisher nicht von der EU sanktioniert. Großbritannien hat allerdings Ende Februar deren Vorstandsvorsitzenden auf die Liste gesetzt – und die USA eben die Konzernmutter selbst. Letzteres führt offenbar dazu, dass Kunden und Geschäftspartner der MSSA, welche einen starken US-Bezug aufweisen, Probleme darin sehen könnten, weiterhin mit dem österreichischen Mechel-Ableger zusammenzuarbeiten.
profil-Informationen zufolge wandte sich die MSSA-Führung daher Mitte März vertrauensvoll per E-Mail an ihre Partnerunternehmen – und legte diesen eine durchaus kreative Lösung für das Sanktionsproblem dar. „Wie Sie sicherlich schon aus verschiedensten Quellen vernommen haben, haben uns die wegen ihrer Systemrelevanz für den russischen Staat jüngst erlassenen US-Sanktionen gegen unseren Mutterkonzern Mechel PAO mit voller Härte getroffen“, heißt es in dem Mail, das profil vorliegt. Dabei habe die MSSA – „abgesehen von der Eigentümerstruktur“ – keinerlei wirtschaftliche Verbindungen zu Russland. Man habe „unter Hochdruck“ an einer Lösung gearbeitet. Deren Kern sei nun, dass „sämtliche sanktionsrechtlich bedenklichen Geschäfte nicht mehr von Mechel abgewickelt“ würden, sondern von einer anderen österreichischen Firma namens Triton Stahlhandel GmbH, die „keinerlei Verbindungen zu oder nach Russland“ aufweise. Triton werde „den Großteil des Lagerbestandes von Mechel übernehmen“. Die Ansprechpartner für die Kunden „bleiben dabei die gleichen“.
Neue Firma, gleiche Ansprechpartner? Handelt es sich letztlich nur um eine Umgehungskonstruktion? Tatsächlich sind bei der Triton seit Mitte März zwei Personen als Prokuristen eingetragen, die genau diese Funktion seit Jahren auch bei der MSSA ausüben – und dies offenbar auch weiterhin tun. Laut Wirtschafts-Compass haben Triton und MSSA die gleiche Adresse in Linz. Dem Kunden-Mail war eine Präsentationsunterlage beigefügt, die profil ebenfalls vorliegt. Darin heißt es: „Bis auf Weiteres sind alle Kollegen unter den gewohnten Emailadressen und Telefonnummern erreichbar.“
Laut Präsentation dürfen MSSA-Geschäftspartner mit starkem US-Bezug „über den 8. April 2024 hinaus nicht mehr (uneingeschränkt) mit Mechel kooperieren“. Prämisse sei, dass die Triton „frei von jeglicher Sanktionsthematik“ sein müsse – und „auch kein Umgehungskonstrukt“ darstelle. Bei der Konzipierung hätten „Compliance- und Rechtsabteilungen aus verschiedenen Unternehmen“ mitgewirkt. Alle Schritte seien von „internen und externen Experten und Gutachtern“ überwacht und überprüft worden.
Die MSSA verweist auf Anfrage darauf, dass es derzeit keine europäischen Sanktionen gegen Mechel gibt. Nichtsdestoweniger seien die Sorgen jener Kunden, die wegen starker Verflechtungen mit dem US-Markt Folgen für ihre Unternehmen befürchten, ernst zu nehmen. Triton habe sich dazu bereit erklärt, „einzuspringen und die Versorgung unserer Kunden mit Material sicherzustellen“. Ziel sei es, die Kunden nicht im Stich zu lassen – „notfalls durch Überlassung der Geschäfte an Partnerfirmen“.
Steht die MSSA vor dem Verkauf?
Walter Ortner ist Geschäftsführer und – über Zwischenfirmen – Hauptgesellschafter der Triton. Er meint, die MSSA habe 2500 Kunden. Dem Großteil davon wären die US-Sanktionen egal, diese würden auch weiterhin über die MSSA einkaufen. Es gäbe aber vor allem größere Industrieunternehmen, die sich unwohl fühlen würden. Ortner zufolge verdiene Mechel an der Verlagerung auf Triton nichts. Die Ankündigung, dass der Großteil des Lagers der MSSA übernommen würde, sei nicht umgesetzt worden. Die Triton kaufe neu ein – und zwar zu 99,5 Prozent bei Lieferanten aus der EU und aus Großbritannien. Wie die MSSA beziehungsweise deren Mitarbeiter dafür entlohnt werden, dass sie nun auch für Triton tätig sind, werde noch geprüft. Eine reine Kostenabdeckung wäre sanktionsrechtlich jedoch gedeckt. Ortner hält fest, dass es in Bezug auf die MSSA und Triton keine Treuhandschaften, keine Erfolgsbeteiligung und keine Optionsverträge gebe.
Welcher Umsatzanteil von der MSSA auf die Triton übergehen wird, will Ortner derzeit noch nicht beziffern. Die MSSA teilte profil mit, dass derzeit „eine Rückführung der Geschäfte zu Mechel“ möglich sei und auch „angestrebt und priorisiert“ werde. Mittlerweile sei nämlich eine „Firewall“ implementiert worden, welche die europäischen Mechel-Gesellschaften vor „jeglichem Zugriff aus Russland“ abschirme. Dies stelle auch sicher, dass keinerlei „Zuwendungen“ nach Russland fließen können.
Die „Firewall“ besteht laut Ortner aus einem treuhändischen Verwalter bei einer niederländischen Zwischenholding, an der auch die MSSA hängt. Ortner meint, der Verwalter überlege nun unter Umständen einen Verkauf der MSSA – und bringt sich gleich in Position: „Wenn ein Verkaufsprozess startet, haben wir Interesse und werden ein Angebot legen.“
Die Weißrussland-Connection
Ortner hat durchaus Erfahrung mit der Sanktionsthematik: Triton ist Eigentümerin der Firma Belmet, die Stahlprodukte des weißrussischen Staatsunternehmens BMZ vermarktete – bis Stahl aus Weißrussland Mitte 2022 von der EU sanktioniert wurde. Darüber hinaus ist jene Firma Ortners, die 80 Prozent an der Triton hält, auch noch mit 30 Prozent an der RMZ Vertriebsgesellschaft m.b.H. beteiligt. Diese wiederum vermarktete in der Vergangenheit ebenfalls hauptsächlich Stahlprodukte von BMZ und des weißrussischen Nagelwerks RMZ. profil befasste sich im Herbst 2022 ausführlich mit der Weißrussland-Connection.
Im jüngsten im Firmenbuch verfügbaren Lagebericht der Belmet per Ende 2022 heißt es: „Das Unternehmen ist bereit, die Lieferungen der Stahlprodukte aus Weißrussland in die EU zu erneuern, sobald die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden.“ Hat Ortner einen Unternehmenscluster geschaffen, der so richtig aufblühen wird, wenn die Sanktionen irgendwann wegfallen? „Natürlich ist man theoretisch gewappnet“, sagt der Unternehmer. Er (Jahrgang 1969) werde das in seinem Berufsleben jedoch nicht mehr erleben. Das dauere sicher noch zehn Jahre.