Das mysteriöse „Waldschlössl“ am Attersee
Investigativ

Drei Jahre Russland-Sanktionen: Igor, ich und meine 1.400 Euro

Wie gut ist Österreich aufgestellt bei der lückenlosen Umsetzung von Sanktionen gegen Oligarchen & Co.? profil-Chefreporter Stefan Melichar erzählt, wie er dieser Frage nachgehen wollte – und anstatt von der Justiz Einblicke zu erhalten, dazu verdonnert wurde, Geld nach Liechtenstein zu überweisen.

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Sich einmal wie ein Oligarch fühlen – zumindest wie ein ganz kleiner. Als ich die Bank betrete, habe ich einen Packen Cash dabei. Hunderter und Fünfziger. Das Geld soll nach Liechtenstein, und zwar möglichst rasch und möglichst unauffällig. Jedenfalls so unauffällig, dass auf der Empfängerseite keine persönlichen Informationen über mich aufscheinen. Am besten, einfach nur die Scheine abgeben. Die Bank soll dann den Rest erledigen.

Nicht, dass ich etwas Illegales vorgehabt hätte – ganz im Gegenteil: Während andere Geld nach Liechtenstein schicken, um es vor den Behörden oder dem Blick der Öffentlichkeit zu verstecken, hat mich ganz offiziell ein Gericht dazu verdonnert. Ganz recht: Ein österreichisches Gericht verlangt von mir, knapp 1.400 Euro nach Vaduz zu überweisen – 1.381,29 Euro, um genau zu sein. Meine Heimlichtuerei hat also nichts mit unredlichen Absichten zu tun. Sondern schlicht damit, dass ich mit Blick auf die Empfänger lieber Vorsicht walten lasse. Agieren diese doch im erweiterten Dunstkreis der Familie eines russischen Oligarchen: eines reichen, einflussreichen Geschäftsmannes und höchstrangigen langjährigen Kreml-Politikers, dessen Name seit 2022 auf der EU-Sanktionsliste steht.

Doch wie ist es überhaupt zu dieser paradoxen Situation gekommen? Ein recherchierender Journalist, der – auf höchst offiziellen Kanälen – mehr über die Arbeit der Behörden bei der Sanktionsumsetzung und über die Vermögensverhältnisse der Familie eines sanktionierten Oligarchen herausfinden will, erhält zwar keine Auskunft. Stattdessen wird er aber vom Gericht gezwungen, viel Geld zu bezahlen.

Es ist eine Geschichte, die zeigt, dass einiges falsch läuft in Österreich – jedenfalls, wenn es um Transparenz in wichtigen Bereichen geht, um die lückenlose Umsetzung von Sanktionen, um den Umgang staatlicher Stellen mit Medien und um den Schutz von Journalistinnen und Journalisten bei ihrer Berufsausübung.


 

Igor Shuvalov und Wladimir Putin
Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.