Dabei sei es nicht um Löschungen, sondern um Auswertungen gegangen: „René Benko hatte immer wieder Wünsche in Bezug auf die E-Mails“, gab der langjährige IT-Mitarbeiter zu Protokoll: „nämlich zum Beispiel, ob Herr Berninghaus etwas mit dem Herrn Ö. (Anm.: vollständiger Name im Protokoll) geschrieben hat“. Der deutsch-schweizerische Manager Ernst Dieter Berninghaus gilt als treibende Kraft hinter den Aktivitäten der – ursprünglich auf Immobilien fokussierten – Signa-Gruppe im Kaufhaus- und Handelsbereich. Benko und Berninghaus arbeiteten jahrelang eng zusammen, dann zerbrach aber das Vertrauensverhältnis. Beim genannten „Ö.“ handelte es sich laut dem Zeugen um einen engen Mitarbeiter von Berninghaus.
„Da war er immer lästig.“
Und Benko wollte – der Aussage zufolge – offenbar wissen, was Berninghaus und sein Mitarbeiter per Mail so ausgetauscht haben: „Da sollte ich Auswertungen für ihn machen, was in der Vergangenheit korrespondiert wurde“, gab der IT-Mitarbeiter zu Protokoll: „Ich habe immer gesagt, dass ich das nicht mache und dass das nicht geht.“ Benko dürfte die Angelegenheit laut der Zeugenaussage aber durchaus wichtig gewesen sein: „Da war er immer lästig.“
Nun handelt es sich bei dem einvernommenen langjährigen Signa-Mitarbeiter allem Anschein nach nicht um eine untergeordnete Hilfskraft, sondern um jemanden, der sich offenbar im engen Umfeld Benkos bewegte, bevor er – seinen Angaben zufolge – vor Kurzem den Kontakt abgebrochen habe.
„Lukratives Angebot“
Der Mann sagte aus, er sei gefragt worden, ob er Vorstand der „Laura Privatstiftung“ werden wolle. Soweit bekannt, handelt es sich bei dieser Stiftung um eines der zentralen verbliebenen Vermögensvehikel der Familie Benko. Der Zeuge sollte – seinen Angaben zufolge – Vorstand werden, nachdem zuletzt zwei Mitglieder des Gremiums ihren Rücktritt ankündigten. Die Ermittler hielten dem Mann E-Mails zwischen ihm und Benko aus dem Zeitraum April bis Juni 2024 vor, in denen es laut Zeugenaussage um dieses Thema gegangen sei. „Es war durchaus ein lukratives Angebot für mich“, gab der IT-Spezialist zu Protokoll und verwies darauf, dass seine eigene finanzielle Lage durch die Signa-Insolvenz „angespannt“ sei. Schlussendlich habe er jedoch abgelehnt.
Bemerkenswert ist, dass – laut Angaben des Zeugen – Benko selbst die Vorstandssuche betrieben hat. Benko ist zwar Stifter der „Laura Privatstiftung“. Nachbesetzungen im Vorstand erfolgen laut Stiftungsurkunde jedoch primär durch den Vorstand selbst, dem Benko nicht angehört. Zustimmen muss nur die zweite Stifterin, Benkos Mutter. Die Frage, ob die Stiftung tatsächlich unabhängig von Benko agiert, treibt seit Monaten viele von jenen um, die vom Signa-Gründer Geld sehen wollen. Bei der Signa ist für Gläubiger und Investoren nicht mehr viel zu holen. In der Stiftung dürften hingegen Vermögenswerte in dreistelliger Millionenhöhe stecken.
„Das ist schon großer Immobilienbesitz“
Benko habe ihm persönlich Anfang Juni 2024 in Innsbruck ein Organigramm über die Firmenstruktur, an deren Spitze die Laura Privatstiftung („LPS“) steht, gezeigt, gab der Zeuge zu Protokoll: „Ich erinnere mich, dass es viele Gesellschaften waren, nämlich GmbHs. In Leipzig gibt es viele Anlegerwohnungen, die der LPS gehören bzw. auch über ganz Deutschland verstreut und auch in Österreich. Das ist schon großer Immobilienbesitz.“
Aus seiner Sicht „hat René Benko das Sagen in der LPS“, gab der Zeuge gegenüber den Ermittlern an. Neben Benko seien aber auch die Stiftungsvorstände aktiv gewesen und hätten Entscheidungsgewalt gehabt, meint der Mann. Ob diese mit Benko Rücksprache gehalten hätten, wisse er nicht. Sehr wohl sei das jedoch in der Signa-Gruppe der Fall gewesen, wo Benko ebenfalls keine gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfunktion innehatte. Ob er dennoch in Wahrheit die Geschäfte bei Signa führte, ist ebenfalls eine Frage von potenziell großer rechtlicher Relevanz.
Die Ermittler fragten den Zeugen direkt, ob er denke, dass René Benko derjenige gewesen sei, der Entscheidungsgewalt in der Signa gehabt habe. Die Antwort: „Diese Frage würde ich mit Ja beantworten. Aus meiner Sicht haben die Vorstände und Geschäftsführer immer Rücksprache mit René Benko gehalten.“ Das habe er in Bezug auf die Immobiliensparte der Signa-Gruppe „auch selbst mitbekommen“.
Benko hat immer bestritten faktischer Geschäftsführer der Signa gewesen zu sein. Soweit bekannt, stand er in einem Beschäftigungsverhältnis mit der Dachgesellschaft „Signa Holding“ und hatte Beratungsverträge mit mehreren weiteren Signa-Firmen. Das Thema der faktischen Geschäftsführung ist eine durchaus komplexe Rechtsfrage, zu der Zeugen zwar Anhaltspunkte liefern können. Die Feststellung, ob Benkos Rolle tatsächlich den rechtlichen Kriterien einer solchen faktischen Geschäftsführung entsprach oder nicht, wird aber letztlich wohl irgendwann von einem Gericht erfolgen müssen. Der Oberste Gerichtshof hielt etwa 2021 in einer Entscheidung fest, dass faktische Geschäftsführung „regelmäßig“ dann bejaht werden, wenn „die eigentlich bestellten Geschäftsführer als Strohmänner ihre Organfunktionen nicht ausüben und stattdessen ein anderer (…) die Gesellschaft tatsächlich leitet“. Eine Rolle spielt demnach, ob die formellen Geschäftsführer so sehr in den Hintergrund rücken, dass ihr Aufgabenkreis quasi vernachlässigbar wäre. Wie das bei der Signa-Gruppe, die eine Reihe hochbezahlter Vorstände und Geschäftsführer beschäftigt hat, zu beurteilen ist, wird man sehen.
Was die „Laura Privatstiftung“ betrifft, ist – laut „Tiroler Tageszeitung“ – der Masseverwalter im Konkursverfahren gegen René Benko beim Oberlandesgericht Innsbruck mit dem Versuch gescheitert, die Rechte von Benkos Mutter in der Stiftung zu beschneiden. Benko hat bekanntlich in seiner Funktion als Unternehmer Insolvenz angemeldet. Nun sucht der Insolvenzverwalter nach Vermögen, auf das er unter Umständen zugunsten der Gläubiger zugreifen kann. Da Stiftungen eigenständige Rechtspersonen sind, ist das dortige Vermögen aber gut geschützt. Der Masseverwalter stellte in den Raum, Benkos Mutter könnte in der „Laura Privatstiftung“ als verlängerter Arm ihres Sohnes agieren und wollte ihren Einfluss dort beschränken. Das OLG hat den Antrag auf einstweilige Verfügung nun jedoch abgewiesen.
Eine Anfrage von profil zu den Aussagen des Ex-IT-Mitarbeiters an Benko blieb unbeantwortet. Die WKStA ermittelt gegen Benko und mehrere frühere Signa-Mitarbeiter unter anderem wegen Betrugsverdachts – profil berichtete ausführlich. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
„Moralischer Kompass“ und „günstige Zigarillos“
In seinem Absage-Mail an Benko bezüglich der Stiftungsposition dürfte der Ex-IT-Mitarbeiter laut Einvernahmeprotokoll auch den Ausdruck „moralischer Kompass und Unrechtsbewusstsein“ verwendet haben. Die Ermittler wollten wissen, wie das zu verstehen sei. Der Mann gab an: „Das meine ich so: wenn ich nach wie vor mit dem Ferrari herumfahre oder mit dem Lamborghini“ und „René Benko so weiter lebt, als ob nichts gewesen wäre, da habe ich ein moralisches Problem damit. Auf der anderen Seite gibt es Signa-Mitarbeiter, die aufgrund der Mitarbeiter-Beteiligung an Signa-Aktien alles verloren haben.“
Doch selbst bei Benko selbst dürfte nach dem Zusammenbruch der Unternehmensgruppe dann doch nicht alles mehr ganz so sein wie früher: „Was mir aufgefallen ist, dass er früher teure Zigarren geraucht hat. Jetzt raucht er nur günstige Zigarillos.“