Signa pleite, Benko pleite – die SOKO Signa übernimmt
Schriftgröße
Wie reich ist René Benko wirklich? Diese Frage wartet schon lange auf eine Antwort. Benko lieferte sie kurz vor profil-Redaktionsschluss: Angeblich ist er komplett abgebrannt. Am Mittwoch meldete er beim Landesgericht in Innsbruck Insolvenz für sich (als Unternehmer) an. Damit hat er dem Gericht, das bereits zuvor einen derartigen Antrag der Republik prüfte, den Wind aus den Segeln genommen.
Nur: Auf dem Papier war Benko schon lange nicht mehr, was er aber de facto doch irgendwie war: das Mastermind der Signa.
Ist das auch im Fall des Insolvenzantrags so? Hat Benko trotz enormer Einkünfte in den vergangenen Jahren als Privatperson wirklich kein Geld mehr? Ist es woanders? Ist das wieder eines von Benkos geliebten Versteckspielen? Eine weitere Runde Schattenboxen um Formalia?
Man sagt: Geld hat kein Mascherl. Benko hat in den vergangenen Jahren bewiesen: Das Mascherl ist sogar sehr wichtig, weil es einen großen Unterschied macht, wenn man zum Beispiel Eigentum deklarieren soll oder wenn es um Steuerzahlungen geht.
Benko, angeblich niemand
René Benko hatte bei Signa schon lange keine offizielle Funktion mehr inne. Nach einer Verurteilung wegen Korruption vor etwa zehn Jahren zog er sich bei Signa operativ aus allen Funktionen zurück. Die Strafe ist getilgt, Benko hat seine weiße Weste wieder.
Dass er trotz offiziellem Rückzug weiter das Mastermind im Hintergrund der Signa blieb, ist augenscheinlich – und zeigt sich jetzt auch an seinem Salär. Allein die Signa Holding zahlte Benko ein Beraterhonorar von 26 Millionen Euro, wie die Grüne Abgeordnete Nina Tomaselli aus seinem Steuerbescheid für das Jahr 2019 im U-Ausschuss diese Woche zitierte. Auch bei der Signa Prime und der Signa Development, den werthaltigsten Immobilienunternehmen der Signa Gruppe, hatte er Beraterverträge.
Mit der Pleite der Signa sind die Verträge per Ende des Jahres ausgelaufen. Somit wäre auch die letzte offizielle Verbindung zwischen Benko und der Signa gekappt.
Aus der Verantwortung ist er dennoch nicht. Benko rücken milliardenschwere Feinde zu Leibe, decken ihn mit Klagen ein und wollen von Mr. Signa ihr investiertes Geld zurück. Benko hat noch einen weiteren Gegner, den er fürchten muss: die Republik alias Wolfgang Peschorn. Der Leiter der Finanzprokuratur hat Benko und seine Signa schon länger auf dem Kieker.
Er ortet unzulässige Steuerschonung rund um die kika/Leiner-Pleite. Er spricht auch von beabsichtigter Intransparenz in der Konzernstruktur, die genau diese Steuerschonung begünstigen soll.
Die Signa besteht aus mehr als 1000 Unternehmen, es ist kaum zu verstehen, wie sie alle miteinander verwoben sind. Und in diesem Netz zirkuliert das Geld. Peschorn hat es lieber transparent und will nun Benko dazu zwingen, sich auszuziehen. Im finanziellen Sinne.
Peschorn beantragte seine Insolvenz bei Gericht. Würde dem stattgegeben, müsste Benko alle seine Vermögensverhältnisse offenlegen. Im schlimmsten Fall würde er einen „Insolvenzverwalter“ zur Seite gestellt bekommen, der sein Vermögen verwaltet und an seine Gläubiger verteilt.
Benko in der Offensive
Dem ist Benko nun mit seinem Schritt zuvorgekommen. Er hat das Zepter des Handelns in die Hand genommen, hat für sich selbst (als Unternehmer) Insolvenz beantragt. Das eröffnet ihm theoretisch die Möglichkeit, Vorschläge für die Sanierung zu machen. „Wir können bestätigen, dass wir gestern für Herrn René Benko einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt haben“, sagt sein Verteidiger Norbert Wess zu profil.
Benko soll diesen Schritt gegangen sein, weil er sich eingestehen musste, sich finanziell übernommen zu haben. Ein Hauptgrund: Rund um die Signa-Pleite soll er als Person Haftungen und Garantien übernommen haben. Mit seinen laufenden Zahlungen soll das dann insgesamt zu viel gewesen sein.
Von welchen Haftungen und Garantien da die Rede sein könnte, ist nicht ganz klar. Wäre er etwa als Person für die Signa in die Bresche gesprungen, müsste ja entweder ein „René Benko“ oder ein „Benko René“ auf der Gläubigerliste auftauchen. Das ist nicht der Fall.
Einzig: Benko hat dem Insolvenzverwalter Christof Stapf ursprünglich zugesagt, drei Millionen Euro zuzuschießen, damit die Signa Holding im Sanierungsverfahren weiter in der Eigenverwaltung bleiben kann. Heißt: Die Sanierung wird unter der Verantwortung des Insolvenzverwalters in Zusammenarbeit mit dem aktuellen Signa-Management gemeinsam gestaltet.
„Wir können bestätigen, dass wir gestern für Herrn René Benko einen Eigenantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt haben.“
Diese drei Millionen wären in erster Linie notwendig gewesen, um Gehälter, Mieten und andere laufende Kosten zu bezahlen. Benko hat nur zwei Millionen überwiesen – die letzte Million kam nicht mehr, nachdem die Signa Holding die Eigenverwaltung freiwillig wieder aufgegeben hat.
Insolvenzverwalter Christof Stapf ist übrigens der Meinung, dass Benko die Million doch noch zahlen muss, weil er das Geld ja für die Sanierung zugesagt hat, ganz unabhängig von der Verfahrensart.
Für Signa wird sich Benko als privater Einzelunternehmer eher nicht finanziell verausgabt haben. Kämen also noch Signa-Gläubiger infrage, die Benko mit Garantien und Haftungen aus seinem Privatvermögen besänftigen hätte können.
Benko, der offiziell in seinem Unternehmen nichts ist? Dessen Luxus immer irgendwelchen Signa-Unternehmen oder den Familienstiftungen entstammte, die freilich offiziell wiederum nicht ihm gehörten? Weder Yacht, Jagden, noch Häuser oder Jets gehören ihm. Wie soll er diese großvolumigen Haftungen und Garantien denn eigentlich besichert haben? Und welcher Geschäftspartner, der auch nur ein bisschen etwas von Wirtschaft versteht, steigt auf so einen Deal ein?
Wie geht’s weiter?
Zurück zum Insolvenzantrag. Was heißt das nun für René Benko? Eingebracht hat der Signa-Gründer den Insolvenzantrag nicht als Privatperson, sondern als Einzelunternehmer. Damit handelt es sich formal um keine Privatinsolvenz.
Nun hätte Benko die Möglichkeit, seinen Gläubigern einen Sanierungsplan mit einer Mindestquote von 20 oder 30 Prozent anzubieten, wobei die Gläubiger dem auch zustimmen müssten. Falls das nicht klappen sollte, würde ein Konkursverfahren eröffnet – also alles verwertbare Vermögen zu Geld gemacht und an die Gläubiger aufgeteilt. Das Heft hätte Benko dann nicht mehr in der Hand.
Der Signa-Gründer könnte im Lauf des Verfahrens theoretisch auch in die Privatinsolvenz wechseln.
„Benko wäre dann faktisch finanziell entmündigt.“
Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform beschreibt im profil-Gespräch für diesen Fall folgende Optionen: Auch hier gibt es die Möglichkeit eines Sanierungsplans mit einer Mindestquote. Darüber hinaus könnte den Gläubigern aber auch ein Zahlungsplan mit einer niedrigeren Quote angeboten werden, sofern dieser mit Blick auf die Vermögensverhältnisse angemessen ist.
Kommt weder ein Sanierungs- noch ein Zahlungsplan zustande, würde auch hier ein echtes Konkursverfahren eröffnet. In einem solchen Fall bestellt das Gericht einen Treuhänder, der im Rahmen eines dreijährigen Tilgungsplans alles verwertet, was über das Existenzminimum von 1100 Euro pro Monat hinausgeht.
„Benko wäre dann faktisch finanziell entmündigt“, fasst Weinhofer diese Extremvariante zusammen. Er müsste zum Beispiel auch jeden Wohnorts- oder Berufswechsel melden.
Und was ist, wenn er sein Vermögen kurz vor dem Insolvenzantrag noch schnell verräumt hat? Auch in einer Privatinsolvenz könnten Rechtsgeschäfte angefochten werden, die Benko vor dem Insolvenzantrag getätigt hat – etwa Vermögensübertragungen an Familienmitglieder oder an seine Stiftungen. Theoretisch kann so eine Anfechtung bis zu zehn Jahre lang rückwirkend erfolgen. In einem solchen Fall muss allerdings bewiesen werden, dass das damalige Geschäft bereits in Erwartung der nunmehrigen Insolvenz getätigt wurde.
Im konkreten Fall spannend wären daher wohl eher Transaktionen, die in den vergangenen Monaten stattgefunden haben. Für die Signa-Sanierung hat das alles vorerst noch keine Konsequenzen.
Benko selbst scheint bisher weder als Privatperson noch als Einzelunternehmer auf den Gläubigerlisten auf. Forderungen aus dem Bereich seiner Stiftungen wurden von den jeweiligen Sanierungsverwaltern bis dato bestritten.
Die „SOKO Signa“ formiert sich
Nach Benkos aktuellem Schritt ist davon auszugehen, dass die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) noch mehr als bisher in Anzeigen gegen Benko untergehen wird. Seit die Signa Holding Ende November in Insolvenz ging – und ihr ein Signa-Unternehmen nach dem anderen folgte –, hagelt es Sachverhaltsdarstellungen. Kein Wunder: Die Signa ist schon jetzt die größte Pleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte. Das hat das Potenzial, zu einer der langwierigsten Justizschlachten der vergangenen Jahrzehnte zu werden. Das Bundeskriminalamt (BK) stellt sich jedenfalls schon darauf ein und richtet profil-Informationen zufolge gerade eine eigene Sonderkommission ein – eine „SOKO Signa“.
Die Flut an Beschwerden bei der Justiz gegen Benko ist nicht überraschend. Im Kern geht es den Klägern und Gläubigern um die Frage: Wo ist mein Geld? Jahrelang haben reiche Familien, Investoren, Versicherungen, Fonds und Banken Milliarden Euro in Signa investiert. Einiges davon war unbesichert und ist jetzt wohl größtenteils weg. Und dementsprechend groß ist auch die Wut auf Benko und Signa.
Vor allem jene, deren Investitionen nicht durch einen Eintrag im Grundbuch besichert sind, ziehen jetzt besonders laut und mit allen legistischen Mitteln gegen Signa ins Feld; auf dem direkten Draht zum Management, in den Gläubigerausschüssen, vor Schiedsgerichten, dem Handelsgericht und eben auch bei Polizei und Staatsanwaltschaft.
Ein Hagel an Anzeigen
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ist damit beschäftigt, die Spreu vom Weizen zu trennen. Denn nicht alle der Hunderten eingegangenen Anzeigen und Sachverhaltsdarstellungen sind gehaltvoll. Manche sind von wütenden Bürgern – andere deutlich substanzieller. Derzeit prüft die WKStA den Anfangsverdacht. Das heißt, offiziell wurden noch keine Ermittlungen eingeleitet. Weder gegen René Benko noch gegen andere Personen oder Gesellschaften im Signa-Reich. Das wurde profil auf Nachfrage mitgeteilt. Es dürfte aber nur noch eine Frage der (kurzen) Zeit sein, bis das passiert.
Für die größten Wirtschaftskanzleien und die renommiertesten Strafverteidiger des Landes ist der Fall Signa vor allem ein gutes Geschäft. Viele von ihnen – von Innsbruck bis Wien – sind schon mit zahlreichen Fällen mit Signa-Bezug betraut. „Das wird uns noch einige Jahre beschäftigen“, sagt ein Involvierter gegenüber profil, der aus Compliance-Gründen lieber anonym bleiben möchte.
Benkos Boys
Auch wenn René Benko jetzt den Groll der Investoren und Gläubiger auf sich gezogen hat, er hat nicht allein gehandelt. Mehr noch: Offiziell war er in seinem Unternehmen ja gar nichts.
Wenn man aber im Hintergrund die Fäden ziehen und an der Macht bleiben will, braucht man treue Gefährten, die einem loyal sind. Benko hatte ein gut funktionierendes Küchenkabinett, das Schlüsselrollen im weitverzweigten Signa-Reich aus mehr als 1000 Gesellschaften innehatte. Auch für diese Personen könnte es enger werden, wenn die Justiz jetzt ihre Arbeit aufnimmt. Einer, der wohl eher größeren Erklärungsbedarf haben wird, ist Manuel Pirolt.
Er kam 2011 zu Signa, damals als Controller, quasi als Hüter der Finanzen. Pirolt machte schnell Karriere, stieg zum Vorstand der wichtigsten Immobilien-Holdings in der Signa-Gruppe auf: der Signa Prime Selection AG und der Signa Development Selection AG. In ihnen stecken die werthaltigsten Immobilien und das meiste Vermögen.
Pirolt hat als Prime-Vorstand wesentliche Teile der heutigen Signa-Struktur mitaufgebaut. Und das mehr als zehn Jahre lang praktisch von der Pike auf. Neben Benko soll er einer der wenigen gewesen sein, die tatsächlich alle wesentlichen Zahlen und Vorgänge innerhalb der gesamten Gruppe im Kopf hatte. An Sonntagen sollen sich Pirolt und Benko häufig im Büro in Innsbruck getroffen haben, um über Unternehmensdetails zu reden. Wobei zu hören ist, dass Sonntagsarbeit in der Signa-Führung auch bei anderen nicht unüblich war.
Pirolt ist eine Spur jünger als Benko, dynamisch, selbstsicher, vif und offenbar besonders umtriebig. Laut Firmenbuch (Wirtschaftscompass) hat er 260 aktive Funktionen inne – in Worten: zweihundertsechzig. Der allergrößte Teil davon entfällt augenscheinlich auf Signa- und Benko-Gesellschaften.
Neben seinen zig Signa-Jobs hat Pirolt auch außerhalb der Signa vor allem eine wichtige Funktion: Im Jahr 2015 zog er in den Vorstand der Laura Privatstiftung ein, in der ein nicht geringer Teil von René Benkos Familienvermögen stecken soll. Diese Tatsache zeigt einmal mehr das besondere Verhältnis zwischen den beiden Männern. Es braucht viel Vertrauen, um jemandem das Familiensilber anzuvertrauen.
Manager verlässt Stiftung
Stiftungen sind rein rechtlich nur ihrem jeweiligen definierten Zweck verpflichtet – und nicht dem Stifter. Der nachzulesende Zweck der Laura Privatstiftung ist die Versorgung ihrer Begünstigten – vermutlich Familienmitglieder von René Benko, nicht jedoch Benko selbst – und die langfristige Erhaltung der vielen Firmen, an denen die Stiftung beteiligt ist.
Bei Pirolt stellt sich die Frage, für wen genau er eigentlich gearbeitet hat: für Benko oder für Signa? Jetzt, wo alles den Bach runtergeht, kann eine solche Doppelrolle mehr als heikel sein, zu Interessenskonflikten führen, auch wenn sie für Investoren, Aktionäre und Banken jahrelang offengelegt war.
Pirolt hat wohl entschieden, sich auf die Signa-Seite zu konzentrieren: profil hat aus Unternehmenskreisen gehört, dass der Manager seine Vorstandsfunktion in Benkos Laura Privatstiftung vor ein paar Wochen zurückgelegt hat – im Firmenbuch ist das noch nicht ersichtlich. Dass Pirolt etwas blind unterschreiben würde, schließen Menschen, die ihn kennen, aus. „Der Mühli ist zum Unterschreiben da“ – das ist innerhalb der Signa zum geflügelten Spruch geworden, weil Benko das bei diversen Meetings oft gesagt haben soll. „Mühli“, das ist: Marcus Mühlberger. Der nobel wirkende Herr gilt als Benkos ältester und treuester Weggefährte, als zurückhaltend und loyal – bis heute.
Der Mann für die Unterschriften
Rund um das Jahr 2003 haben sich Benkos und Mühlbergers Wege gekreuzt. Mühlberger war davor kurz bei der Raiffeisen Bank tätig und später als Geschäftsführer einer Softwarefirma. René Benko war gerade dabei, „Immofina“ auszubauen. Ab 2006 hieß Immofina dann Signa Holding. Mühlberger ist Co-Geschäftsführer bei der mittlerweile insolventen Signa Holding. Und auch er hatte – wie Pirolt – eine zumindest hinterfragenswerte Doppelfunktion.
Auch er war – wie Pirolt – im Vorstand der Laura Privatstiftung. Sie trägt den Namen von Benkos ältester Tochter, und Mühlberger war bereits ab 2006 im Vorstand. 2014 wechselte er dann zur Familie Benko Privatstiftung, die die meisten Anteile an Benkos Signa-Holding hält. Benkos Frau Nathalie will offenbar nicht ganz von ihrem Mann abhängig sein und hat ihr eigenes Unternehmen: die NB Immo GmbH.
„Der Mühli ist zum Unterschreiben da.“
Und wer war dort bis Dezember 2023 als Geschäftsführer eingetragen? Mühlberger. Im Firmenbuch (Wirtschaftscompass) schlägt er mit insgesamt 120 Funktionen auf, vor allem im Signa-Reich, aber eben auch bei Stiftungen und Unternehmen, die Benko zuzurechnen sind.
Buhlen um Benkos Gunst
Solange es Signa gut ging und Aktionäre, Gläubiger und Investoren gut daran verdient haben, waren alle diese Doppelrollen offenbar auch kein Problem. Jetzt, wo alle um ihr Geld laufen, kommt das aber nicht mehr bei allen Beteiligten gut an.
Den Vorwurf des „Doppelagenten“ muss sich Christoph Stadlhuber nicht gefallen lassen. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Justiz wohl auf ihn zukommen wird. Er hat im Signa-Universum eine sehr wichtige Funktion. Er ist – wie Mühlberger – ebenfalls Geschäftsführer der Signa Holding und auch schon mehr als ein Jahrzehnt dabei.
Zum Dienstantritt bei Signa brachte er eine gewisse Portion Vitamin B („B“ steht für Beziehungen und politische Connections) mit, die Benko in weiterer Folge zum Vorteil gereichen sollte. Stadlhuber war einst Kabinettschef von ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, bevor er von dort Ende 2002/Anfang 2003 als Geschäftsführer in die Bundesimmobiliengesellschaft BIG wechselte.
Die BIG ist die Immobilienfirma der Republik, der unter anderem Unigebäude, Schulen oder auch Kasernen gehören. 2011 wechselte Stadlhuber dann von der BIG zu Benko. Er wurde Vorstandsvorsitzender der zentralen Immobilienfirma Signa Prime Selection AG, einige Jahre später dann auch Vorstandsmitglied bei der zweiten wichtigen Immo-Holding Signa Development Selection AG. 2021 wechselte er in die Signa Holding, also in die Dachgesellschaft.
Seine Verbindungen zur Politik waren, wie bei vielen im Signa-Reich, jedenfalls kein Nachteil – und eine ganz wichtige Bande kam über Stadlhuber zustande: die Freundschaft zwischen Benko und Ex-Kanzler Sebastian Kurz. Gesellschaftsrechtlich trägt Stadlhuber große Verantwortung, zum engeren Benko-Freundeskreis dürfte er aber nicht gehören. Um dessen Gunst haben andere gebuhlt.
Der Rauswurf
Etwa Timo Herzberg und Ernst Dieter Berninghaus. Letzterer soll René Benko im vergangenen Jahrzehnt bei seiner Shoppingtour im Handel beraten haben und maßgeblich am Erwerb von Karstadt/Kaufhof und Selfridges in London mitgewirkt haben. Heute wissen wir, dass das Handelsgeschäft für Signa kein gutes war und Hunderte Millionen verschlungen hat.
Herzberg sollte sich in Deutschland und Österreich federführend um die Immobiliensparten kümmern – er und Benko sollen sich sehr gut verstanden haben, weil sie vom selben Schlag Mensch sein sollen: gute Verkäufer mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein. Über viele Jahre pflegten die beiden eine sehr enge Beziehung. Herzberg ist bisher aber auch der einzige Signa-Manager, der hochkant hinausgeworfen wurde. Er soll – wie profil berichtete – neben seinem Signa-Job mit engsten Vertrauten in Deutschland ein Firmenkonstrukt gebaut haben, das sich an der Signa bereichert haben soll. Er bestreitet die Vorwürfe.
Signa war ein Männerbund. Lediglich zwei Frauen galten im Signa-Imperium als einflussreich. Eine war Ex-Vizekanzlerin und Wüstenrot-Chefin Susanne Riess-Hahn. Sie saß im prominent besetzten Signa-Beirat und war Aufsichtsrätin der Signa Prime und Signa Development. Der Beirat ist mittlerweile aufgelöst, und aus dem Aufsichtsrat zieht sich Riess-Hahn jetzt auch zurück. Die zweite Frau im Männerbund, mit vermutlich noch mehr Einfluss, war Karin Fuhrmann.
Sie ist in der Immobilien-Wirtschaftswelt ein echtes Kaliber, weil sie bei der bekannten Steuerberatungskanzlei TPA tätig ist. Außerdem sitzt sie seit 2011 im Vorstand der Familie Benko Privatstiftung, die damals noch René Benko Privatstiftung hieß und später umbenannt wurde. TPA fungiert seit 20 Jahren als Steuerberatungsfirma für Gesellschaften der Signa-Gruppe, und Fuhrmann hat der Signa in dieser Funktion viele Ratschläge erteilt und einiges „optimiert“. Zu Spitzenzeiten soll TPA bis zu 40 Mitarbeiter allein für Signa-Angelegenheiten abgestellt haben. Laut
Gute Beraterin
Recherchen von „News“ soll die Kanzlei auch dabei geholfen haben, dass Signa keine konsolidierte Konzernbilanz legen musste, also eine gemeinsame Bilanz für alle Signa-Gesellschaften zusammen. Warum man das jahrelang vermieden hat, ist jetzt eine der zentralen Fragen im Sanierungsverfahren.
„Alle Immobilien, die jetzt nach und nach verkauft werden, sind eigentlich schon seit einem Jahr zu haben.“
In der Praxis hätte das jedenfalls unter Umständen höhere Steuerforderungen und deutlich mehr Transparenz mit sich bringen können. Benko habe sich jedenfalls nur selten etwas sagen lassen. Fuhrmann soll die Einzige gewesen sein, die dem Signa-Gründer gegebenenfalls Paroli geboten habe, wenn ihr eine seiner Ideen missfallen habe. Das erzählen ehemalige Signa-Mitarbeiter.
Es wäre zu vermuten, dass auch ihre Rolle noch genauer beleuchtet werden wird. Während die Justiz nun ihre Arbeit langsam aufnimmt, schreitet jene der Insolvenzverwalter bereits voran – und damit die Schrumpfung der Signa.
„Price is what you pay“
Auf Deutsch bedeutet das: Der Preis ist, was Sie bezahlen. Das Zitat wird dem US-Investor Warren Buffett zugerechnet. Und das gilt jetzt im ganz besonderen Maße für die Signa. Um die Gläubigerforderungen zu bedienen und die Sanierung in Eigenregie zu bewerkstelligen, wird dringend Geld benötigt. Darum stehen derzeit viele Signa-Gebäude – einzeln oder im Paket – zum Verkauf.
Etwa die Baustelle des Lamarr in der Wiener Mariahilfer Straße, das eigentlich als luxuriöser Einkaufstempel geplant wurde. Oder das Goldene Quartier, das Luxushotel Park Hyatt, das Kaufhaus Tyrol und das Gebäude, in dem der Verfassungsgerichtshof eingemietet ist. Diese vier Objekte sollen gleich im Paket verkauft werden.
Sie alle sind in der Signa Prime Assets GmbH gebündelt. „Alle Immobilien, die jetzt nach und nach verkauft werden, sind eigentlich schon seit einem Jahr zu haben“, sagt ein Insider aus Investorenkreisen, der nicht namentlich genannt werden will. Innerhalb der Szene war einerseits der Liquiditätsbedarf der Signa schon länger bekannt. Anderseits endete mit der Niedrigzinsphase auch der Boom im Immobiliensegment, und der Markt wandelte sich allmählich von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt.
Schwierige Interessentensuche
Bisher haben sich 37 Interessenten für Signa-Immobilien gemeldet. Und die gebotenen Preise würden dem Vernehmen nach nicht widerspiegeln, dass Signa schnell verkaufen muss. „Es wird Objekte geben, die unter dem letzten Buchwert verkauft werden, andere aber über dem Buchwert“, sagt der Insider.
Im Geschäftsjahr 2022 musste allein die Signa Prime ihre Immobilien um mehr als eine Milliarde Euro abwerten und fuhr massive Verluste ein, weil der Wert des Portfolios wegen der gestiegenen Zinsen und der veränderten Marktlage gesunken war.
Angeblich sollen jetzt aber einzelne Angebote die Buchwerte der Immobilien von 2020 oder 2021 widerspiegeln. Jedenfalls schielen große Immobilienfonds, europäische Milliardärsfamilien, sogenannte Family-Offices, die das Vermögen von Superreichen verwalten, und Stiftungen auf die Signa-Juwelen. Pleite hin, Pleite her: Die Luxushotels und Einkaufstempel stehen immer noch in bester Innenstadtlage.
René Benko hat dabei nichts mehr mitzureden. Auch informell nicht. Aus Saniererkreisen ist zu hören, dass es keinen direkten Kontakt mehr mit Benko gebe. Auch innerhalb der Signa spricht er nur mehr mit wenigen. Den Kontakt zu langjährigen Weggefährten und Investoren soll er abgebrochen haben. Man trifft sich im Leben aber immer zwei Mal. In dem Fall vermutlich vor Gericht.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.