Signa-Pleite: Abverkauf mit Hindernissen
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„RB“ ist auf den goldenen Manschettenknöpfen zu lesen. 18 Karat, 15,83 Gramm schwer. Das aktuelle Gebot lag zu Redaktionsschluss bei 1300 Euro. „RB“ steht für René Benko, Gründer von Signa, einst Immobilien-Wunderkind, nun hauptverantwortlich für die größte Pleite der Zweiten Republik. Seine Manschettenknöpfe werden derzeit auf der Auktionsplattform Aurena versteigert. 16 Paar sind es, aber nicht alle sind personalisiert. Auch Benkos Uhren, ein Sportboot, ein Jet und Armbänder werden derzeit versteigert, um Geld für die Gläubiger des gefallenen Milliardärs zu sammeln. Zuvor war übrigens eigens ein Schätzgutachten für die persönlichen Wertgegenstände erstellt worden – profil berichtete exklusiv.
Was auf der Versteigerungsplattform Aurena derzeit passiert, ist Sinnbild für Signas gesamtes Immobilienimperium. Benko hat Anfang des Jahres Konkurs als Unternehmer angemeldet. Seine Gläubiger fordern insgesamt 2,4 Milliarden Euro von ihm. Seine Signa-Gruppe, die er zwar aufbaute und prägte, aber dort seit Langem offiziell keine gesellschaftsrechtliche Funktion mehr innegehabt hatte, schlitterte schon im November und im Dezember 2023 in die Pleite. Das durchaus imposante Immobilien- und Handelsportfolio verwandelte sich in ein Milliardengrab. Und jetzt muss eben alles unter den Hammer. Bei Benko selbst sind es Manschettenknöpfen, bei der Signa andere Schmuckstücke wie etwa Luxushotels in bester Innenstadtlage.
Der große Unterschied: Manschettenknöpfe verkaufen sich leichter als riesige Immobilienprojekte. Und tatsächlich läuft die Verwertung der Signa-Assets nicht ganz so rasch und friktionsfrei, wie sich das die Gläubiger wünschen würden. profil liegt der aktuelle, fünfte Bericht des Sanierungsverwalters von Signa Prime vor. Das ist jene Sparte des zerbröselten Signa-Imperiums, in der die besten und wertvollsten Immobilien gebündelt sind. Und dieser 39-seitige Bericht hat es in sich: Es drohen massive Abwertungen bei zahlreichen Immobilien. Banken und Versicherungen werden wegen der ausständigen Kredite langsam ungeduldig. Sanierungsverwalter Norbert Abel will 456 Millionen Euro zurückholen und verschickt derzeit fleißig Zahlungsaufforderungen. Klagsvorbereitungen laufen insbesondere auch in Bezug auf frühere „Organe und Aktionäre“ der Signa Prime. Gut möglich, dass sich der eine oder andere Ex-Vorstand warm anziehen muss. Und noch diesen Herbst könnte eine Rekurs-Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien die Karten bei der Signa-Abwicklung ganz neu mischen. Aber der Reihe nach.
110 Häuser und milliarden- schwere Forderungen
Am Ende des Tages geht es um rund 110 Immobilien, die in den besonders werthaltigen Sparten Signa Prime Selection (SPS) und Signa Development Selection (SDS) gebündelt sind und jetzt verwertet werden sollen. Rundherum wuchs über die Jahre ein gewaltiges, Milliarden Euro schweres Firmengeflecht, das René Benko zum bekanntesten Immobilienjongleur im deutschsprachigen Raum machte. Allein auf diese beiden Gesellschaften (SDS und SPS) entfallen 700 Gesellschaften. Signa als Konglomerat bestand aus über 1000 Gesellschaften. Unternehmensgründer René Benko scharte die reichsten und einflussreichsten Männer Deutschlands und Österreichs um sich. Sie alle gaben dem jungen, smarten Tiroler ihr Geld, um Großartiges zu erschaffen – Strabag-Gründer Hans Peter Haselsteiner, Logistik-Milliardär Klaus-Michael Kühne, Fressnapf-Gründer Torsten Toeller. Ja sogar der Staatsfonds von Abu Dhabi, ein Mitglied der Herrscherfamilie von Katar und ein staatliches Beteiligungsvehikel aus Saudi Arabien investierten in Signa. Das Motiv: Geld zu noch mehr Geld zu machen. Und ein Jahrzehnt lang gelang das auch.
Wer bietet mehr?
Auf der Auktionsplattform Aurena werden derzeit René Benkos Manschettenknöpfe versteigert.
Die Dividenden flossen, die Kredite waren wegen der niedrigen Zinsen günstig und die Immobilien stiegen jedes Jahr fast schon automatisch im Wert. In seiner Hochblüte bewertete Signa das üppige Immobilienportfolio mit Häusern in bester Innenstadtlage in Wien, Berlin oder Zürich mit über 20 Milliarden Euro.
2023 war damit Schluss. Heute ist Signa ein Milliardengrab – allein die Signa Prime Selection ist mit Forderungen von über zwölf Milliarden Euro konfrontiert. Ein enormer Betrag, auch wenn fast die Hälfte davon im Insolvenzverfahren bestritten wird.
Mieteinnahmen schmelzen
Wie kann ein so üppiges Portfolio so schnell an Wert verlieren? Ein möglicher Hinweis dafür findet sich im aktuellen Bericht des Sanierungsverwalters: Die Mieten, die Signa für ihre Liegenschaften verlangte, waren hoch – vielleicht zu hoch? Als Daumenregel für den Wert einer Immobilie gilt unter anderem: Der Kaufpreis für eine Immobilie – also ihr Wert – beträgt rund die 20-fache Jahresmiete. Je höher die Jahresmiete, desto höher der Immobilienwert. Dass Signa teils astronomische Mieten für seine Liegenschaften verlangte, wird nun nach und nach offenkundig.
Sinkende Mieten
Für das Alsterhaus in Hamburg wurden die Mietverträge neu verhandelt. Das Ergebnis: Die Einnahmen sinken um die Hälfte.
Ein Beispiel: Als der thailändische Handelskonzern Central Group den Geschäftsbetrieb der KaDeWe Group von Signa übernahm, wurden auch die Mietverträge für die Liegenschaften mit dem deutschen Insolvenzverwalter neu verhandelt. Und plötzlich halbierte sich die Jahresmiete beim Alsterhaus in Hamburg und sank auf sieben Millionen Euro. Davor betrug sie 14 Millionen jährlich. Ähnliches gilt auch für das Kaufhaus Oberpollinger in München. Signa und Central Group waren vor der Pleite schon Geschäftspartner.
In Österreich läuft mit Jahresende der Mietvertrag für das „Kunstforum“ im Objekt Renngasse im 1. Wiener Gemeindebezirk aus. Auch dieser Mietvertrag muss jetzt neu verhandelt werden, und auch hier wird die Miete vermutlich sinken. „All das macht die Bewertung natürlich sehr schwer“, sagt ein Involvierter, der lieber anonym bleiben möchte. Und all das wird natürlich auch Auswirkungen auf den Kaufpreis haben – nicht unbedingt zum Vorteil der Gläubiger. Oder anders gesagt: Die hohen Mieten, die Signa innerhalb der eigenen Gruppe für ihre Immobilien verlangt hat, scheinen heute illusorisch.
Jahresabschluss fehlt noch immer
Lange Zeit hinterlegte Signa wichtige Jahresabschlüsse erst mit großer Verspätung im Firmenbuch und nahm dafür Verwaltungsstrafen in Kauf, die man ohnehin aus der Portokassa zahlte. Dass der Jahresabschluss der werthaltigsten Signa Prime für das Geschäftsjahr 2023 noch nicht fertig ist, soll diesmal weniger etwas damit zu tun haben, dass es möglicherweise etwas zu verbergen geben könnte. Die Erstellung dieses konkreten Jahresabschlusses für das Pleitejahr 2023 dürfte sich schlicht extrem schwierig gestalten.
„Die SPS und deren Konzerngesellschaften sind derzeit intensiv mit der Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen befasst."
Derzeit schmelzen die Bewertungen zahlreicher Immobilien dahin. Nicht nur, weil der Immobilienmarkt seit zwei Jahren in der Krise ist, sondern eben auch, weil viele Objekte neu vermietet werden und in fast allen Fällen die Mieteinnahmen sinken. „Die SPS und deren Konzerngesellschaften sind derzeit intensiv mit der Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen befasst. Aufgrund der umfangreichen Arbeiten zu den erforderlichen Abschreibungen, der personellen Kapazitäten und der zahlreichen Insolvenzverfahren (insb. in DE) wird sich die Fertigstellung der Abschlüsse für einen Großteil der Gesellschaften verzögern“, schreibt der Insolvenzverwalter dazu in seinem aktuellen Bericht.
Nicht unbedingt erleichtern dürfte die Rechnungslegung, dass man derzeit auch keine Steuerberatungs- und Wirtschaftskanzlei an der Seite hat, die sich im Signa-Dickicht so leicht zurechtfindet. Gegen Signas Steuerberater des Vertrauens, TPA, wird derzeit prozessiert. Und auch der Wirtschaftsprüfer KPMG, der die Jahresabschlüsse in der Vergangenheit testierte, hat sein Prüfungsmandat zurückgelegt.
All das kostet Zeit und Geld. Beides sind Dinge, welche die neuen Vorstände der Signa Prime nicht unbedingt haben.
Stillhalteprämien
Denn nicht nur den früheren Investoren, sondern auch den Banken und Versicherungen, die Signa Geld geliehen haben, geht langsam die Geduld aus. Allein österreichischen Banken schulden die zahlreichen Signa-Gesellschaften rund 2,2 Milliarden Euro. Zu den größten Kreditgebern hierzulande gehören die Raiffeisen Bank International (RBI) und die UniCredit Bank Austria. Deren ehemalige Vorstände – Karl Sevelda (RBI) und Karl Samstag (Bank Austria) – waren auch Teil des höchst prominent besetzten und mittlerweile aufgelösten Signa-Beirats.
Als vergangenes Jahr Signa in massive Liquiditätsschwierigkeiten geriet und laufende Verbindlichkeiten und Baustellenkosten nicht mehr bezahlen konnte, begann man, mit den Kreditgebern zu verhandeln. Viele Signa-Kredite sind grundbücherlich besichert. Wenn Signa nicht zahlt, kann die Bank theoretisch jederzeit auf das Gebäude zugreifen. Das ist bisher aber nicht passiert.
Wie profil aus dem Signa-Umfeld erfuhr, hat man sich mit den Geldgebern auf etwas verständigt, das im englisch-deutschen Finanzjargon „Stand-Still-Vereinbarung“ heißt. Also die Banken halten still und stellen die Kredite auch nicht bei den mittlerweile insolventen Projektgesellschaften fällig. Aber warum?
Offiziell argumentiert man das damit, dass dann die vielen Immobilien schnellstmöglich verkauft werden müssten und man bei solchen Panikverkäufen einen geringeren Kaufpreis erzielen würde. Ihre Geduld lassen sich die Banken und teilweise Versicherungen aber auch üppig entlohnen. Signa Prime hat – als übergeordnete Gesellschaft für eine Reihe von Top-Immobilien wie dem Alsterhaus, dem Goldenen Quartier oder sogar dem halbfertigen Elbtower – mit zahlreichen Kreditgebern höhere Zinsen für die Stillhalte-Abkommen vereinbart oder beteiligt die Banken am Verkaufserlös über die Kreditsumme hinaus. In der Finanzwelt hat auch das einen Namen: „Earn Out“.
So verdienen theoretisch auch die Banken an der Abwicklung von Signa mit, indem sie ihre Kredite nicht gleich fällig stellen und Immobilien schnell verkauft werden müssen, sondern den Vorständen mehr Zeit geben, um Käufer zu suchen und höhere Kaufpreise zu erzielen. Theoretisch – denn langsam geht auch den Banken, die schon länger auf offenen Kredite
sitzen, die Geduld aus, wie aus der Branche zu hören ist. Denn die Lage am Immobilienmarkt ist in ganz Europa wegen der gestiegenen Zinsen angespannt. Außerdem weiß jeder potenzielle Käufer, dass Signa schnell Geld braucht und jeder Kauf auch mit juristischen Unsicherheiten verbunden ist. Signas Verhandlungsposition ist also auch fast ein Jahr nach der Pleite nicht die beste.
Klagsflut rollt an
Als im März über die derzeitige Treuhandsanierung bei den zwei werthaltigsten Signa-Sparten – Signa Prime und Signa Development – abgestimmt wurde, war die Mehrheit der Signa-Gläubiger für diese Lösung. Diese sieht vor, dass das gesamte Vermögen an die Gläubiger übertragen wird. Eine Treuhänderin soll die Verwertung übernehmen. Mit dieser Konstruktion gewinnt man – im Gegensatz zum Konkurs – vor allem Zeit.
„Für die Abwicklung und Verwertung wäre ein Konkursverfahren im Sinne der Gläubiger die bessere Variante.“
Ein besonders prominenter Gläubiger-Vertreter war allerdings dagegen: Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur und damit Anwalt der Republik. Peschorn legte Rekurs gegen die Entscheidung zur Treuhandsanierung ein. „Für die Abwicklung und Verwertung wäre ein Konkursverfahren im Sinne der Gläubiger die bessere Variante“, sagt Peschorn dazu.
Im Juli bekam er vom Oberlandesgericht Wien dann auch Recht. Doch Signa erhob dagegen Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof (OGH). Eine finale Entscheidung ist also noch ausständig. Die Entscheidung, ob auch die Signa Prime und damit ihre besonders werthaltigen Luxusimmobilien am Ende doch in einem normalen Konkursverfahren schnellstmöglich abgewickelt und verwertet werden, soll noch diesen Herbst fallen.
Das laufende Verfahren reiht sich ohnehin in eine regelrechte Klags- und Verfahrensflut, welche die Signa-Pleite ausgelöst hat. Das Bundeskriminalamt musste, wie profil exklusiv berichtete, ob der vielen Anzeigen eine eigene SOKO Signa einrichten. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen eine Reihe ehemaliger Signa-Vorstände – es besteht der Verdacht der Untreue, der unzweckmäßigen Verwendung von Investorengeldern, Betrug im Fall einer Kreditverlängerung und mehr. Zum Beschuldigtenkreis zählen unter anderem René Benko und seine frühere Nummer zwei, der ehemalige Finanzchef Manuel Pirolt. Beide haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. „Ich habe mir keinerlei unerlaubtes Verhalten vorzuwerfen“, sagte Pirolt im Juni 2024 in einem Interview mit profil. Rechtlich zu klären wird auch sein, wie viel Benko bei Signa tatsächlich zu sagen hatte und ob er vielleicht sogar faktischer Geschäftsführer war. Der Signa-Gründer hat auch das immer bestritten. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt wegen des Verdachts der Geldwäsche. Zwei Fonds aus Abu Dhabi und Katar fordern eine Milliarde Euro von der Signa Holding, von Benkos Familien-Stiftungen und von ihm als Person. Und vieles mehr.
Jetzt geht auch noch der Sanierungsverwalter gerichtlich gegen zahlreiche Personen und Unternehmen vor – darunter auch Aktionäre. Wie sich aus seinem aktuellen Bericht ergibt, hat Signa-Prime-Sanierungsverwalter Abel bisher 442 Zahlungen an 142 Empfänger ausgemacht, die möglicherweise für eine Anfechtung infrage kommen. In Summe geht es da um 456 Millionen Euro. 70 Fälle sind noch im Prüfungsstadium, beim Rest ist Abel schon weiter. So wurden bereits 47 Zahlungsaufforderungen versandt, in 20 weiteren Fällen steht die Einbringung einer Anfechtungsklage kurz bevor. „Die aktuellen Klagen in Vorbereitung betreffen insbesondere die Organe und Aktionäre der Gesellschaft“, heißt es im Bericht. Dabei geht es um ordentliche Summen: Von den „Organen“ – also zum Beispiel von Ex-Vorständen oder Ex-Aufsichtsräten – will Abel insgesamt rund 15 Millionen Euro zurück, von den Aktionären gar 39,6 Millionen. Die früheren Vorstände ließen sich bekanntermaßen ausgerechnet im Jahr der Pleite eine besonders üppige Prämie auszahlen – rund 20 Millionen Euro kassierten sie von Signa Prime, nur Monate, bevor der Konzern wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.