Investigativ

Signa-Pleiten: Firma von deutschem Ex-Minister Joschka Fischer unter Gläubigern

René Benkos bunte Sammlung früherer Spitzenpolitiker: Neben Sebastian Kurz, Alfred Gusenbauer und Susanne Riess-Hahn war auch die Firma des früheren Außenminister der deutschen Grünen, Joschka Fischer, für Signa tätig. Nun steht sie auf der Gläubigerliste.

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„Unternehmen müssen jetzt ihr Geschäftsmodell überdenken“, heißt es auf der Website des Beratungsunternehmens „JF&C“ mit Sitz in Berlin. Die ersten beiden Buchstaben im Kürzel stehen für einen klingenden Namen: Joschka Fischer. Der frühere Vizekanzler und Außenminister der deutschen Grünen wurde nach seinem Ausscheiden aus der Politik im Jahr 2006 als Berater tätig. Und die Aufforderung, das Geschäftsmodell zu überdenken, hätte rückblickend betrachtet wohl auch auf einen prominenten Kunden aus Österreich passen können: die Signa-Gruppe von Immobilien-Tycoon René Benko.

2009 gründete Fischer mit einem langjährigen Weggefährten die „Joschka Fischer & Company GmbH“ (JF&C). Nun findet sich das Unternehmen, an dem der frühere deutsche Vizekanzler mit rund 45 Prozent beteiligt ist, in den Gläubigerlisten der Signa Prime Selection AG sowie der Signa Development Selection AG wieder. Dabei handelt es sich um die zentralen Immobilien-Firmen der Signa-Gruppe. Beide mussten in den vergangenen Tagen Insolvenz anmelden – profil berichtete. Im Zuge der Antragstellung beim Handelsgericht Wien deponierte das Management auch vorläufige Gläubigerlisten. Diese liegen profil und der „Süddeutschen Zeitung“ vor.

Der Ex-Vizekanzler als Lobbyist

Was genau Fischer für Signa getan hat und wofür ihm möglicherweise noch Geld aus dem Benko-Imperium zusteht, wollte der frühere Politiker auf Anfrage nicht beantworten: Seine Firma äußere sich nicht zu Kunden, ließ er wissen. Aus dem Umfeld der Signa wiederum war zu vernehmen, dass Fischers Beratungsunternehmen möglicherweise bei Genehmigungsprozessen in Berlin unterstützend tätig gewesen sein könnte.

Bereits im Jahr 2020 gab es Medienberichte über Lobbyingaktivitäten der JF&C für Signa. Das Magazin „Der Spiegel“ berichtete, die Firma des Ex-Vizekanzlers habe vor allem bei den grünen Parteifreunden Fischers für ein Projekt in Berlin Stimmung machen sollen. Dies sei jedoch kontraproduktiv gewesen: Der grüne Baustadtrat von Berlin Kreuzberg soll sich weitere Besuche, Mails und Anrufe von Fischers Mitarbeitern verbeten haben.

Das Benko-Imperium kann über die vergangenen Jahre hinweg jedenfalls auf eine stolze Sammlung an ehemaligen Spitzenpolitikern zurückblicken, die beratend oder in sonstigen Funktionen tätig geworden sind: Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) soll einen Investor angeworben haben. Der früheren Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) sitzt in Aufsichtsräten der Signa-Gruppe und war darüber hinaus beratend tätig. Die ehemalige österreichische Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn (FPÖ) ist in den Aufsichtsräten von Signa Prime und Signa Development aktiv. Und nun komplettiert der Grüne Joschka Fischer quasi das politische Farbspektrum.

Ein Slogan von Fischers Firma JF&C lautet: „Wir machen Sie zukunftsfähig.“ Bei Signa scheint das nicht gelungen zu sein. Dort müssen sich nun Sanierungsverwalter um die Zukunftsfähigkeit kümmern.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.