Signa-Prime-Bericht: Nicht dokumentiert, was Vorstand zwei Jahre lang machte
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Satte 6,3 Milliarden Euro an Gläubigerforderungen, fehlende Vorstandsprotokolle und ein Beratervertrag mit Signa-Gründer René Benko. Der zweite Bericht des Sanierungsverwalters der insolventen Signa Prime - er liegt profil vor - hat es in sich. Und er birgt auch einiges an Zündstoff, was die Rolle des Signa Gründers Benko anbelangt. Denn eigentlich hatte dieser zehn Jahre lang keine gesellschaftsrechtliche Funktion bei Signa inne. Hatte der Tiroler Immobilien-Tycoon wirklich nichts mehr zu sagen? Im zweiten Bericht von Norbert Abel, der die Sanierung in Eigenverwaltung der besonders werthaltigen Signa Prime überwacht, liest sich das jetzt etwas anders.
"Der Unternehmensgründer Rene Benko hatte nach seinem Ausscheiden als Vorstand einen Beratervertrag mit SPS (Signa Prime Selection, Anm.). Dieser Beratervertrag endete mit 31.12.2023", steht etwa im Bericht zu Benkos Rolle. Einen solchen Beratervertrag gab es auch mit der ebenfalls insolventen Signa Development Selection, wie profil exklusiv berichtete. Das ist insofern heikel, als das die Frage aufwirft, wer bei Signa eigentlich das Sagen hatte, wer was wusste und wer letzten Endes wesentliche Entscheidungen im Unternehmen getroffen hat. Und natürlich - wer dafür die Verantwortung trägt.
Genau das ist aber für den Sanierungsverwalter der Signa Prime nach zwei Monaten der Datenanalyse und des Durchforstens von Firmeninterna nicht ganz klar: "Es liegen keine Vorstandsprotokolle über die Vorstandsitzungen in den Jahren 2022 und 2023 vor. Es ist daher nicht unmittelbar schriftlich dokumentiert, was der Vorstand wann beschlossen hat bzw. wer Einfluss auf die Tätigkeit des Vorstandes genommen hat", heißt es wörtlich im Sanierungsbericht. Dass Vorstandssitzungen für interne Zwecke nicht dokumentiert werden, ist zumindest einmal unüblich. Außerdem erschwert das die Rekonstruktion der Ereignisse im Jahr vor der Insolvenz. Denn offenbar ist nicht mehr ganz nachvollziehbar, wie und welche Entscheidungen rund um Verkäufe, Kreditbeschaffung und Co die Vorstände getroffen haben. Und wie sie diese argumentierten. Nochmal erstaunlicher ist das vor dem Hintergrund, dass die Vorstände der Signa Prime im Geschäftsjahr 2022 neben ihren Gehältern Prämien von 19 Millionen Euro erhalten haben. Wofür, ist ebenfalls unklar. In diesem Jahr hat die sonst erfolgsverwöhnte Signa Prime einen Verlust von mehr als einer Milliarden Euro eingefahren, weil sie massive Abwertungen vor allem bei ihren Immobilien vornehmen musste.
Aus Sicht der Sanierer scheint es dennoch keine Zweifel daran zu geben, dass Benko "umfassend über die Geschäftsentwicklung des Signa Prime Konzerns informiert und involviert war".
Zahlungsversprechen von Benkos Stiftung
Finanziell wird es für Benko jedenfalls immer enger. Denn nicht nur der Staat und die insolvente Signa Holding fordern Geld von ihm, beziehungsweise von ihm zugerechneten Stiftungen, sondern auch die Prime Selection. Etwa von der Benko Privatstiftung. In einem "Commitment Letter" vom 29. September 2023 sollen die Signa Holding und die Benko Privatstiftung ein Zahlungsversprechen für 50 Millionen Euro abgegeben haben. Das Versprechen wurde aber nicht eingelöst, die Signa Holding musste zwei Monate später Insolvenz anmelden. Jetzt stehe man diesbezüglich im Austausch mit den Stiftungsvorständen, wobei aber niemand mit einer schnellen Zahlung rechnet.
Signa besteht aus mehr als tausend Gesellschaften in mehreren Ländern. Neben den eigentlichen Beteiligungen und Projektgesellschaften, in denen zum Beispiel einzelne Luxusimmobilien ausgelagert sind, sind wiederum Privatstiftungen und Firmen beteiligt, die ihrerseits dem Geltungsbereich von René Benko zuzuordnen sind. Auch von diesen Firmen fordern die Sanierer nun Geld, um die Gläubigeransprüche zu bedienen. Angesprebt ist ja eine Sanierung in Eigenverwaltung und eine Mindest-Gläubigerquote von 30 Prozent. An diesem Plan hat sich auch zwei Monate nach der Pleite nichts geändert. "Die Sanierungsplanquote von 30% scheint laut Sanierungsverwalter weiterhin erfüllbar", fasst Gerhard Weinhofer vom Gläubigerschutzverband Creditreform zusammen. Und zumindest derzeit gilt: Ein "Fire Sale" - also ein unkontrollierter Abverkauf der Immobilien - finde nicht statt.
Aber zurück zu Benkos Firmen. Laut Sanierer-Bericht gibt es Forderungen gegenüber zwei Laura-Gesellschaften in der Höhe von insgesamt mehr als 170 Millionen Euro - nämlich der Laura Finance Holding GmbH und der Laura Holding GmbH. Diese sollen nach Benkos ältester Tochter benannt sein und sind nicht Teil der Signa. Benkos Laura Privatstiftung hält rund 42 Prozent der Anteile an der Laura Holding. Konkret geht es um Liegenschaftstransaktionen zwischen der Signa Prime und den genannten Firmen. Welche Immobilien hier den Besitzer gewechselt haben und warum, ist nicht bekannt. Dass bald Geld fließt, ist aber auch hier wohl eher nicht zu erwarten. Der Sanierer verweist jedenfalls auf einen "rechtlichen Austausch" mit den Gesellschaften.
RBI fordert 435 Millionen von Signa Prime
Von den 6,3 Milliarden Euro an Forderungen, welche die insgesamt 219 Gläubiger bisher bei der Prime angemeldet haben, haben die Sanierer vorläufig nur 2,6 Milliarden Euro anerkannt. Der Rest wurde bestritten. Wobei die Gläubiger jetzt zwei Monate Zeit haben, fehlende Dokumente nachzureichen oder den Sanierungsverwalter anderweitig zu überzeugen, die Forderungen doch noch anzunehmen. Bei der ebenfalls insolventen Signa Development kommen nochmal 2,2 Milliarden Euro von 171 Gläubigern hinzu. Anerkannt wurden aber bisher nur 890 Millionen.
Die Gläubigerliste der Signa Prime liest sich jedenfalls wie das Who is Who der Finanzindustrie, wie schon bei der insolventen Signa Holding. Darunter sind zahlreiche Banken - heimische wie internationale: zum Beispiel die Raiffeisen Bank International (RBI), die sich mit satten 435 Millionen Euro auf der Gläubigerliste findet. Es ist schon länger bekannt, dass die RBI in Österreich zu Signas größten Kreditgebern gehört. Der ehemalige RBI-Vorstand Karl Sevelda ist noch Aufsichtsrat der Signa Prime, wobei er sich demnächst zurückziehen soll. Der Saudische Public Investment Fund steht mit insgesamt 290 Millionen Euro auf der Gläubigerliste. Bei der thailändischen Bangkok Bank Public Company Limited steht die Signa Prime mit mehr als 700 Millionen Euro in der Kreide. Die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien fordert 48,7 Millionen Euro. Die UniCredit Bank Austria findet sich mit mehr als 25 Millionen Euro auf der Gläubigerliste. Deren Ex-Vorstand, Karl Samstag, gehörte zu Benkos Aufsichtsräten und war im Beirat der Signa.
Auch diesmal ist wieder ein prominenter Ex-Politiker unter den Gläubigern: Die Firma des früheren deutschen Vizekanzlers Joschka Fischer (Grüne) wartet wohl noch auf ein nicht bezahltes Honorar von 63,721 Euro bei Signa Prime. Ex-SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, der Aufsichtsratsvorsitzender der Prime war, findet sich diesmal nicht auf der Liste.. Zur Erinnerung: Er fordert von der ebenfalls insolventen Signa Holding sechs Millionen Euro an Beraterhonoraren.
Wie schon bei der Signa Holding, handelt es bei einem großen Teil der Forderungen um sogenannte "Inter-Company"-Forderungen. Also um Forderungen anderer Signa-Gesellschaften, die sich zum Beispiel aus Haftungen oder Krediten ergeben. Die Signa Development etwa, die zusammen mit der Prime von Sanierungsvorstand Erhard Grossnigg jetzt saniert wird, fordert 100 Millionen Euro für die eigenen Gläubiger.
Am Konto hat Signa Prime übrigens derzeit 7,6 Millionen Euro. Das reicht zwar für die Fortführung der Sanierung, aber nicht einmal für einen Bruchteil der anerkannten Forderungen. Der Rest soll aus dem Verkauf der Kronjuwelen der Signa Prime zusammengekratzt werden. Die Luxusimmobilien Park Hyatt, Kaufhaus Tirol, Goldenes Quartier und das Gebäude auf der Wiener Freyung, in dem sich der Verfassungsgerichtshof eingemietet hat, stehen bereits zum Verkauf.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.