Signa: Vom Grotten-Bauer zum Gläubiger
Schriftgröße
Sogar die Lampen bei Signa haben geschrien: „Hier bin ich!“ Noble Designerstücke, ein eigenes Lichtkonzept. Vom 54 Quadratmeter großen Teppich bis zur Deckenbeleuchtung, alles in der ehemaligen Firmenzentrale im Palais Harrach auf der Wiener Freyung war ein Statussymbol. Der Elektriker Walter Arnold Schwaiger-Baron hat einige dieser Statussymbole montiert. Genauer: die Lampen, und dazu auch unzählige Steckdosen und Kabeltunnel. Die letzte Rechnung wurde aber nicht mehr bezahlt. Nun reihen sich seine Forderungen in die seitenlangen Gläubigerlisten der insolventen Signa-Gesellschaften ein. Auf über zehn Milliarden Euro belaufen sich allein die Passiva der drei großen insolventen Signas – Signa Holding, Prime und Development. Gemessen an den zig Millionen, die jetzt Banken, Versicherungen, Berater, Anwaltskanzleien oder diverse Stiftungen von Signa fordern, lesen sich die Forderungen vieler Lieferanten und Dienstleister wie Peanuts.
30.000 Euro für Wellnesstechnik. 5000 Euro für Sichtbeton und Restaurierungen. 17.000 Euro für Elektrotechnik. Für Normalsterbliche und kleine heimische Betriebe sind solche Summen aber viel Geld. Und unbezahlte Rechnungen tun weh. Denn das Geld muss erst woanders wieder verdient werden. profil sprach mit zwei Signa-Kleinstgläubigern, die jetzt um ihr Geld umfallen.
Fast ein Jahresgehalt weg
„Bei uns in der Firma ist das fast schon ein Jahresgehalt, das jetzt ausfällt“, sagt ein Mitarbeiter der Tiroler Firma Aqua Elegance Wellnesstechnik GmbH. Er möchte seinen Namen lieber nicht veröffentlicht sehen. „Das bringt uns zum Glück nicht um, aber angenehm ist das trotzdem nicht. Das müssen wir ja erst mal wieder verdienen.“ Auf der Gläubigerliste der Signa Holding steht die Aqua Elegance, die fünf Mitarbeiter beschäftigt, mit exakt 30.067,06 Euro. Aktuell geht es um unbezahlte Rechnungen für Materiallieferungen, Service und (Wasser-)Chemikalien an die Schlosshotel Igls GmbH.
Also just jene Gesellschaft, die das Luxusdomizil in Igls hält, das als Zuhause der Benkos gehandelt wird. „Im Herbst haben wir durch die Medien erfahren, dass die Signa insolvent ist und dass die offenen Forderungen nicht mehr beglichen werden können“, sagt der Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren sei es durchaus üblich gewesen, dass Rechnungen von der Projektleitung geprüft wurden, daraufhin freigegeben und bezahlt wurden. „Aber es wurde immer alles auf den Cent genau bezahlt.“
Im Spabereich
Eine Sauna im Luxusressort Villa Eden in Gardone am Gardasee. Pro Nacht zahlt man hier zwischen 468 und 4.500 Euro.
Seit über 15 Jahren erledigte die Firma eigenen Angaben zufolge immer wieder Aufträge für Signa oder deren Gründer René Benko. Und es waren durchaus pompöse Aufträge dabei. Zum Beispiel hat Aqua Elegance die Wellness-Bereiche im Villa Eden Resort in Gardone am Gardasee ausgestattet. Stilvolle Saunas, traumhafte Swimmingpools – für eine Nacht bezahlt man hier derzeit zwischen 468 und 4500 Euro. Die Villa Eden war lange Zeit ein Prestigeprojekt der Signa-Gruppe. Im Sommer 2023, also wenige Monate vor der Signa-Pleite, soll das Objekt dann in den Einflussbereich von René Benko beziehungsweise einer seiner Stiftungen gewandert sein, wie der „Standard“ zuerst berichtete.
Und dann ist da noch die Grotte. „Ach ja, die Grotte“, grinst der Mitarbeiter. Der Spabereich in der Villa in Igls genießt im Raum Innsbruck einen ganz eigenen Promistatus. Die Benkos haben sich in ihrem Domizil eine Nachbildung der Blauen Grotte von Capri einbauen lassen. Geleakte Bilder davon wanderten vor geraumer Zeit durch die deutschen Medien. Drei Meter Wassertiefe, 15 Meter Länge und 30.000 Quadratmeter Kunstfelsen samt Wasserfall. Aqua Elegance hat die technische Ausstattung dafür übernommen, also Verrohrung und Hydraulikkreislauf installiert. Wie viel die Firma dafür kassiert hat? Der Mitarbeiter grinst: „Wir haben gut verdient. Deshalb kann ich auch nichts Schlechtes über Signa oder den René Benko sagen. Alle hier in der Gegend haben gut an Signa verdient.“ Mit „alle“ meint er lokale Baufirmen und Dienstleister, die kleinere und größere Aufträge im Schlosshotel Igls, im Chalet N in Lech, in der Villa Eden am Gardasee oder dem Kaufhaus Tyrol in Innsbruck erledigt haben.
Der Mann für die Steckdosen
Jetzt, nach der Pleite, sitzen einige nicht nur auf unbezahlten Rechnungen. Sie haben auch einen großen Auftraggeber verloren. Einer, der ebenfalls jahrelang gut an und mit Signa verdient hat, war „Elektrotechnik Baron“ aus Stössing in Niederösterreich. „Wir haben zum Beispiel die ganzen schönen Lampen in der Firmenzentrale auf der Freyung in Wien installiert. Und einmal haben wir sogar Benkos Schreibtisch verkabelt“, erzählt der Geschäftsführer, Walter Arnold Schwaiger-Baron, nicht ohne Stolz. Jetzt schuldet ihm Signa 17.762,28 Euro. „Sie haben uns einige Monate hingehalten, und dann ist die Pleite eingetreten“, sagt Schwaiger-Baron. Er war Signas Mann für die Steckdosen und Kabel, zumindest in Wien. Sein Betrieb hat drei Mitarbeiter und seit 2018 immer wieder für Signa oder deren Gründer René Benko gearbeitet. „Natürlich tut es weh, dass wir das Geld abschreiben müssen.“ Dass jetzt auch ein langjähriger Auftraggeber, der zumindest bis zur Pleite seine Rechnungen immer bezahlt hat, weg ist, tut aber fast noch mehr weh.
Versteigerte Lampen
Das gesamte Inventar der Signa-Firmenzentrale auf der Wiener Freyung wurde mittlerweile versteigert - auch die Lampen.
Die Immobilienbranche ist gerade in ihrer tiefsten Krise seit 15 Jahren. Nicht nur bei Signa, sondern auch anderswo stehen Baustellen still, die Aufträge sind eingebrochen. Die Firmenzentrale im Palais Harrach auf der Wiener Freyung gibt es nicht mehr. Nach der Firmenpleite wurde das gesamte Inventar, auch die schönen Designer-Lampen, versteigert, und Signa ist als Mieterin ausgezogen. Wie es mit Benkos Villa in Igls bei Innsbruck weitergeht, ist noch offen. Die Liegenschaft ist gleich doppelt verpfändet. Die Liechtensteinische Landesbank hat sich im Juli 2023 mit einem Höchstbetrag von 18 Millionen Euro ins Grundbuch eintragen lassen. Außerdem steht aber auch das Finanzamt in Wien mit einem Pfandrecht im Umfang von zwölf Millionen Euro drin. Aus Sicht der Behörden wurde hier möglicherweise zu wenig Umsatzsteuer bezahlt. Aus Sicht Benkos und der Signa ist alles rechtens. Und wie sehen die ganz kleinen Gläubiger den Fall Signa? „Man kann da nur zuschauen und staunen“, sagt der Mitarbeiter des Wellnesstechnik-Ausstatters.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.