Wer zahlt, schafft an. Diesem Motto dürfte sich die Ski-Weltmeisterschaft in Saalbach-Hinterglemm stark verpflichtet fühlen. Denn Ende des Vorjahres fällten die Gemeinderäte des Austragungsortes einen drastischen Beschluss: Per Verordnung untersagten sie im gesamten Gemeindegebiet das Aufstellen von Werbeplakaten, Fahnen und Bannern auf Privatgrundstücken und Häusern. Ausgenommen waren von der Verordnung nur der Österreichische Skiverband (ÖSV) und die Sponsoren der Ski-WM.
Der Bürgermeister argumentierte das Verbot damit, dass er die offiziellen Sponsoren vor Trittbrettfahrern „schützen“ müsse. Das ging so weit, dass die Gemeinde laut Verordnung sogar Kontrolleure in Privatwohnungen schicken hätte können, um illegale Werbeaktivitäten aufzudecken.
Juristen hielten die Verordnung für verfassungswidrig, die Gemeinde ruderte Ende Dezember zurück. Nun soll das Werbeverbot über die Bauordnung durchgesetzt werden.
Die Sponsoren der WM werden es dem Ortschef danken. Darunter auch der Sportwettenanbieter Interwetten. Das Engagement des Unternehmens zeigt, dass es das Organisationskomitee, das kolportierte 50 Millionen Euro Budget verwaltet, mit der Herkunft der Werbegelder nicht so genau nimmt.
Zwei Klicks ins illegale Online-Casino
Denn Interwetten bewirbt auf seiner Website neben legalen Sportwetten auch ein Online-Casino – obwohl der Anbieter dafür keine österreichische Lizenz hat. Anders formuliert: Von der Website der Ski-Weltmeisterschaft 2025 sind es nur zwei Klicks in ein illegales Casino. Den Organisatoren der Ski-WM ist das entweder unbekannt oder es kümmert sie nicht.
Dabei ist die Rechtslage in Österreich unmissverständlich. Die einzige Konzession für Online-Glücksspiel hat die Tochter der Österreichischen Lotterien, win2day. Das Finanzministerium bewertet alle anderen Anbieter, darunter auch Interwetten, als „illegal“. Die meisten von ihnen – Mr. Green, bwin und Co. – operieren mit Lizenzen aus Malta, die allerdings von österreichischen Gerichten nicht anerkannt werden. Anders bei den Sportwetten: Sie gelten in Österreich nicht als Glücksspiel und sind weniger streng reguliert. Dieser Geschäftsbereich von Interwetten ist in Österreich legal.
Interwetten wurde in den 1990er-Jahren vom Österreicher Wolfgang Fabian gegründet, er ist bis heute der Eigentümer. Ihren Sitz hat die Interwetten Gaming Ltd im Kleinstaat Malta, der eine ausgesprochen freundliche Gesetzeslage für Glücksspielbetreiber hat.
Der ÖSV hätte ahnen können, dass Interwetten keine österreichische Glücksspiellizenz hat. Bei der Verkündung des Sponsorvertrags erklärten die WM-Organisatoren und das Glücksspielunternehmen in einer Pressemitteilung: „Interwetten ist seit 2005 von der Malta Gaming Authority (MGA) und seit 2020 auch in Deutschland lizenziert. In Griechenland, Spanien, Irland und Schweden hat Interwetten ebenfalls Lizenzierungsverfahren erfolgreich durchlaufen.“ Ausgerechnet das Austragungsland der Ski-WM, Österreich, wird nicht erwähnt.
Viel Lob für den Sponsor
Das Investment bei der Ski-WM hat sich für Interwetten jedenfalls bezahlt gemacht. In der gemeinsamen Presseaussendung stellte der ÖSV dem Unternehmen einen schneeweißen Persilschein aus: „Im Bereich des Spieler- und Konsumentenschutzes verpflichtet sich Interwetten seit jeher auf allen Domains den höchsten Standards. Wir freuen uns auf eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit! #weareskiverrückt“.
„Höchste Standards“? Zweifel an dieser Darstellung nährt die Bilanz des Prozessfinanzierers Advofin, der Spieler bei Klagen gegen konzessionslose Anbieter von Online-Glücksspielen unterstützt: Nach einem Höchstgerichtsurteil können österreichische Kunden ihre Spielverluste zurückfordern, weil Verträge mit konzessionslosen Betreibern nichtig sind. Advofin hat laut Eigenangabe für 500 österreichische Interwetten-Kunden in Summe 8,5 Millionen Euro an Spielverlusten zurückgeklagt, wie der Prozessfinanzierer auf profil-Anfrage bekannt gibt. Punkt für Interwetten: Im Gegensatz zu den anderen illegalen Casino-Anbietern zahlt der Anbieter Spielverluste nach Klagen durchaus zurück oder zeigt sich zu Vergleichen bereit.
profil machte den Selbsttest zum Spielerschutz. Die Eintrittsbarriere bei Interwetten ist denkbar niedrig: Kunden müssen bei ihrer Registrierung keinen Identitätsnachweis an den Anbieter senden. Einzahlungen werden binnen Sekunden auf das Userkonto gutgeschrieben. Und schon können die Spieler ihr Geld auf Wetten platzieren oder in digitale Walzenspiele stecken. Damit kann der Anbieter nicht mit Gewissheit ausschließen, dass minderjährige Spieler in seinem Online-Casino um echtes Geld zocken. Erst wenn sich ein User seine Gewinne auszahlen lassen will, verlangt Interwetten die Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises sowie eine aktuelle Rechnung (etwa eines Mobilfunkanbieters), um die Wohnadresse zu bestätigen. Interwetten ließ eine profil-Anfrage zu seinen Spielerschutzstandards und seinem illegalen Online-Casino unbeantwortet.
Kritik an Sponsoren aus der Glücksspiel-Branche
Das Sponsoring wirft jedenfalls eine Frage auf, die größer ist als der Wintersport – und die auch während der Fußball-Weltmeisterschaft hitzig diskutiert wurde: Wie unethisch darf Sportsponsoring sein?
Interwetten ist wie die meisten Wettanbieter stark im Sport aktiv. Zu den Partnern gehören neben dem ÖSV auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der englische Top-Club Liverpool und die Basketball-Mannschaft von Bayern München. Obwohl Interwetten in Deutschland über eine Lizenz verfügt, wird in der deutschen Bundesliga immer wieder die Abhängigkeit der Vereine von der Glücksspielbranche kritisiert.
Dass Sponsoren ihre Partner in Erklärungsnot bringen, ist kein neues Phänomen: Bis 2004 war das Logo der Zigarettenmarke Memphis auf den Dressen des Fußballklubs Wiener Austria zu sehen. Formel-1-Autos sausten mit Marlboro-Aufklebern im Kreis. Ein EU-weites Verbot setzte der Tabakwerbung im Sport ein Ende. Die Werbeplätze wurden bald von anderen Unternehmen gefüllt: Bei Alkoholproduzenten und Glücksspiel-Konzernen waren die Gesetzgeber weniger streng, und selbst für dubiose Anbieter von Kryptowährungen gibt es keinerlei Beschränkungen.
Müssten die Sportvereine und Veranstalter nicht selbst Grenzen ziehen? Das ist unrealistisch, meint der Salzburger Sportmanagement-Professor Reinhard Grohs: „Der Großteil aller Vereine, Verbände und Veranstalter wird so gut wie kein Sponsoring ablehnen. Das müssten schon Kriegsverbrecher sein. Es gibt nur ganz wenige, die sich das sich leisten können, weil sie mehr Anfragen als Sponsorenplätze haben.“ Es gebe nicht genügend Sponsoren, die ethisch supersauber seien, sagt Grohs. Dazu kommt die Herausforderung: Die Ski-WM sei stark von österreichischen Werbepartnern abhängig.
Illegales Online-Glücksspiel: Behörden schauen zu
Dass Interwetten sein Online-Casino überhaupt ohne Konzession betreiben kann, verdankt der Anbieter mehreren glücklichen Fügungen. Schon Türkis-Blau unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vize Heinz-Christian Strache (FPÖ) wälzte Pläne für ein IP-Blocking von illegalen Glücksspiel-Casinos. Für österreichische User hätten diese Sites also gesperrt werden sollen. Der damalige Sportminister Strache stemmte sich allerdings gegen das Projekt.
Schließlich sind die Sportvereine und -ligen seit Jahren so etwas wie die sympathischen Lobbyisten der Glücksspielunternehmen. Ohne die Werbegelder stünden die Vereine vor Problemen. Entsprechende Briefe schickten die Vertreter des Sports schon an Minister.
Auch zwischen ÖVP und Grünen herrschte bezüglich des IP-Blockings Einigkeit, doch das mehrmals groß angekündigte Glücksspielpaket scheiterte an unterschiedlichen Auffassungen zum Spielerschutz.
Und so sind illegale Online-Casinos zwar illegal, aber keine österreichische Behörde unternimmt etwas gegen sie. Im Gegenteil: Das Finanzministerium freut sich jedes Jahr über bis zu dreistellige Millionenerträge aus der Glücksspielabgabe, die auch für Betreiber von illegalen Online-Casinos fällig wird. Um ein Finanzstrafverfahren zu vermeiden, zahlen sie artig – und senken damit ihr rechtliches Risiko Richtung null.
Liberalisieren FPÖ und ÖVP das Online-Glücksspiel?
Anbieter wie Interwetten oder der Entain-Konzern (mit der Marke bwin) lobbyieren seit Jahren für eine Legalisierung ihres Geschäftsmodells: Sie organisieren sich in der Österreichischen Vereinigung für Wetten und Glücksspiel (OVWG) und fordern die Vergabe weiterer Lizenzen für Online-Glücksspiel, so wie das in anderen europäischen Ländern praktiziert wird. Ihre Hauptargumente: mehr Steuereinnahmen und eine Zurückdrängung des illegalen Marktes.
Seit der Ibiza-Affäre wollte politisch niemand mehr bei den Glücksspielkonzernen anstreifen, doch angesichts der prekären Budgetlage der Republik hat sich der Wind in eine für die Anbieter günstige Richtung gedreht: Denn die ÖVP brachte laut profil-Infos eine „Modernisierung des Online-Glücksspiels“ (gemeint: weitere Lizenzen) in die Verhandlungen mit SPÖ und Neos ein. Das Projekt war aufgrund des Widerstands der Sozialdemokraten auf Rot gestellt. Doch mit der seit jeher glücksspielaffinen FPÖ könnte es nun klappen.
Glücksspielgesetz: Geheimpapier offenbart Pläne der ÖVP/FPÖ-Koalition
Noch gibt es allerdings keine neuen Lizenzen. Und das wirft die Frage auf: Was sagt eigentlich der ÖSV zu seinem Sponsor, der ohne Konzession ein Casino betreibt? Auf profil-Anfrage teilt der Verband schriftlich mit: „Uns ist Interwetten als verlässlicher Partner bekannt, bei dem Skisport einen hohen Stellenwert genießt und der auch exklusiver Sportwetten-Partner des Skisportes ist. Eine Bewertung von rechtlichen Fragen steht uns als Sponsorpartner nicht zu.“
Den Parallelschwung mit seinen Sponsoren beherrscht der ÖSV ganz hervorragend.
Sehr zum Missfallen von Neos-Abgeordneter Stephanie Krisper: „Gesetze gelten für alle, Verbote gehören durchgesetzt. Die hohen Einnahmen, die das illegale Glücksspiel, aber auch Sportwetten dem jeweiligen Finanzminister in die Kasse spülen, sind den Regierenden offensichtlich wichtiger als der Spielerschutz und jene Menschen, die ihre ganze Existenz verlieren.“