Spenden für Kurz, seine Selbstverteidigung und Marc Zuckerberg
Es war wohl der Schlüsselmoment in der steilen politischen Karriere von Sebastian Kurz: Ende 2016, Anfang 2017 war Christian Kern drauf und dran, sich als neuer SPÖ-Chef und Bundeskanzler zu konsolidieren. Kurz – damals Außenminister – stand vor einer Entscheidung: abwarten und riskieren, dass die eigene Strahlkraft nachlässt. Oder rasch den Schritt ganz nach oben setzen – zunächst an die Spitze der Partei, dann der Republik. Gegen alle möglichen Widerstände. Bekanntermaßen entschied der damalige Polit-Shootingstar sich für Zweiteres.
Jüngste Ermittlungsergebnisse der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) werfen nun ein spannendes Licht auf das, was hinter den Kulissen des Kurz-Aufstiegs stattfand: Offenbar setzte bereits Ende 2016 systematisches Spendensammeln bei betuchten Persönlichkeiten ein. Das ist per se nicht verboten. (Die Auswertung wurde im Zuge von Ermittlungen wegen eines Bestechungsverdachts gegen den früheren Finanzminister Gernot Blümel und den ehemaligen Novomatic-Chef Harald Neumann vorgenommen – dazu später mehr.)
Doch jedenfalls ist es von öffentlichem Interesse zu wissen, wie – und vor allem: von wem – der Hype um Sebastian Kurz befeuert wurde. Immer deutlicher tritt zutage, dass sich ein kleiner Personenkreis im Hintergrund frühzeitig profilieren konnte. Personen, die dann teilweise im Windschatten der Kurz-Truppe näher an die Schalthebel der Macht heranrückten.
Es zeigt sich auch, wer bereit war, besonders tief für die politische Neuaufstellung in die Tasche zu greifen: Teile der wirtschaftlichen und finanziellen Elite des Landes. Und offenbar glaubte der eine oder andere dann auch, Wünsche deponieren zu können. Der Weg vom politischen Fundraising zur gekauften Republik kann kurz sein – wenn man nicht aufpasst.
Die Spenden-Sammlerin
Eine wichtige Position im Spendensammelnetzwerk der Kurz-Truppe nahm gemäß den Erkenntnissen der WKStA die PR-Beraterin Gabriela Spiegelfeld ein. Über ihren E-Mail-Account lief bereits im Dezember 2016 eine handverlesene Liste mit potenziellen Spendern und Unterstützern.
Als die Unternehmerin Therese Niss (Tochter des früheren Präsidenten der Industriellenvereinigung Peter Mitterbauer) im Jänner 2017 einem gewissen Axel Melchior eine Excel-Datei mit dem Namen „20170127 Spendenliste Kurz“ übermittelte, stand Spiegelfeld in CC.
Melchior war damals noch Vize-Kabinettschef im Außenministerium, später nahm in Kurz als Geschäftsführer in die Parteizentrale mit. Nur zur Erinnerung: Kurz war damals weder Parteichef noch Spitzenkandidat. Es waren noch nicht einmal Neuwahlen ausgerufen.
In der Folge ging es für Kurz jedoch rasant aufwärts. Er übernahm die Parteiführung von Reinhold Mitterlehner, färbte die Volkspartei von Schwarz auf Türkis um und brach vorgezogene Neuwahlen vom Zaun, aus denen er im Oktober 2017 als strahlender Sieger hervorgehen sollte. (Geld hatte man offenbar ausreichend zur Verfügung, die gesetzliche Wahlkampfkostenobergrenze wurde gnadenlos überschritten).
In Koalition mit der Strache-FPÖ avancierte Kurz letztlich zum jüngsten Bundeskanzler der österreichischen Geschichte.
Das ist das alte Leben von Sebastian Kurz, der 2021 der Politik den Rücken kehrte. Damals stellte sich heraus, dass die WKStA wegen des Verdachts Ermittlungen eingeleitet hatte, sein Aufstieg könnte mit – verdeckt vom Finanzministerium bezahlten – Meinungsumfragen beflügelt worden sein, er bestreitet das.
Das neue, aktuelle Leben von Sebastian Kurz ist jenes des Unternehmers. Räumlich spielt es sich – sofern der Ex-Kanzler nicht auf einer seiner zahlreichen Reisen weilt – im vierten Stock eines Gebäudes an der Wiener Ringstraße ab. Dort befindet sich das Büro der „SK Management GmbH“. Den großzügigen Empfangsbereich prägen Weiß- und Grautöne. Etwas Schwarz, kein Türkis. Die dunklen Zimmerpflanzen wirken vom Volumen her stark reduziert – in etwa so, wie es sich Kurz wohl vom Regierungspartner seiner zweiten Amtszeit ab 2020 gewünscht hätte. Grün gewuchert wird hier nicht. Kurz teilt sich die Geschäftsadresse mit seinen langjährigen Mitstreitern Gernot Blümel und Elisabeth Köstinger.
Kein Wunder, dass Beobachter schon einen Kulminationspunkt für ein allfälliges Polit-Comeback orten – von welchem Kurz allerdings nichts wissen will.
Die Gegenoffensive
Am vergangenen Donnerstag lud der Ex-Kanzler Medienvertreter hierher zum Hintergrundgespräch. Ein Format, bei dem offen gesprochen wird, aber nicht offen zitiert werden soll. Inhaltlich ging es Kurz darum, einige der jüngst aufgetauchten Vorwürfe in Zusammenhang mit Inseratenvergaben des Finanzministeriums aus seiner Sicht zurechtzurücken. Hier geht es – kurz gesagt – um den Verdacht, Entscheidungsträger hinter den großen Boulevardzeitungen des Landes könnten sich mit dem Versprechen günstiger Berichterstattung für Sebastian Kurz Inseratenaufträge vom Finanzministerium erkauft haben.
Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten, so auch Kurz im Rahmen des Hintergrundgesprächs. Kernaussagen: Wien gebe ähnlich viel Geld für Werbung aus wie die Bundesregierung. Der – von der WKStA konstatierte – Anstieg der Inseratenvolumina im Finanzministerium ab 2016/2017 sei nicht außergewöhnlich, sondern mit früheren Zeiten vergleichbar gewesen.
Darüber hinaus habe es auch im Innen- und im Verteidigungsministerium ähnlich starke Anstiege gegeben. Bei der Verteilung der Inserate der Bundesregierung sei es mit Blick auf die Boulevardmedien von 2013 bis 2019 zu keinen wesentlichen Veränderungen gekommen. Und dass „politische Leuchtturmprojekt“ beworben würden, sei auch bei anderen Parteien üblich.
Wie die WKStA derartige Argumente einordnet, wird sich zeigen. Für die strafrechtliche Beurteilung im aktuellen Ermittlungsverfahren sind freilich die konkreten Gegebenheiten rund um die Inserate des Finanzministeriums (BMF) relevant. Diesbezüglich stützt sich der Verdacht einerseits auf belastende Aussagen des früheren BMF-Generalsekretärs Thomas Schmid der Kronzeugenstatus anstrebt, aber auch auf Chat-Nachrichten und weitere Ermittlungsergebnisse. Die WKStA holt gerade weitere Informationen ein. Ob sich der Verdacht erhärtet, wird wohl auch davon abhängen.
Was die erwähnten Ermittlungen gegen Blümel und Ex-Novomatic-Chef Neumann wegen Bestechungsverdachts anbelangt, so hat die Auswertung der Spiegelfeld-Mails offenbar keine neuen Erkenntnisse gebracht. Ausgangspunkt des Verfahrens ist ein SMS von Neumann an Blümel aus dem Juli 2017 mit dem Inhalt: „Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz (erstens wegen Spende und zweitens bezüglich einen Problemes das wir in Italien haben!“ Spende gegen Amtsgeschäft? Alle Betroffenen bestreiten das.
Tatsächlich gibt es bisher keinen Anhaltspunkt dafür, dass Novomatic damals an die ÖVP gespendet hätte. Laut Gesetzeslage kann Bestechung allerdings bereits dann verwirklicht sein, wenn ein finanzieller Vorteil auch nur angeboten oder versprochen wird.
Was wurde aus?
Keine strafrechtlichen Vorwürfe gibt es gegen die zahlreichen Spender und Helfer aus dem Umfeld von Gabriele Spiegelfeld. Dennoch ist interessant, was aus in der Folge aus ihnen wurde. Der Ehemann einer Spiegelfeld-Mitstreiterin wollte zum Beispiel Ende November 2017 bei Elisabeth Köstinger einen bestimmen Kandidaten in Stellung bringen, um „in Kärnten Gas zu geben“. Therese Niss zog für die ÖVP in den Nationalrat ein. Die Tochter von Großspender Klaus Ortner wurde Aufsichtsrätin der Staatsholding Öbag. Gabriela Spiegelfeld werkte – Chatnachrichten zufolge – im Hintergrund um Thomas Schmid weiter. Ihr Mann wiederum avancierte zum Aufsichtsrat der Bundesforste.
Ein besonders bemerkenswerter Fund in den Spiegelfeld-Mails ist eine Nachricht, die ursprünglich der Investor Christian Angermayer an Sebastian Kurz adressiert hatte. Demnach hätte US-Star-Unternehmer Peter Thiel just am Wahlwochenende im Oktober 2017 in Wien seinen 50er feiern wollen. Angermayer lud Kurz zur Feier ein und schrieb: „Peter und einige seiner VIP Gäste (u.a. der neue US Botschafter in Österreich und eventuell auch Marc Zuckerberg) würden dann am Sonntag auch gerne zu Eurer Wahlparty kommen falls wir eingeladen sind. Unsere gemeinsamen Freunde Eva und Alex Schütz wollten sich hierum kümmern, musst also nichts machen.“
Eva Schütz wurde später Vize-Kabinettschefin im Finanzministerium. Ihr Ehemann, C-Quadrat Gründer Alexander Schütz, ist mittlerweile ein Geschäftspartner von Sebastian Kurz – wobei Kurz unter anderem auch für Peter Thiel arbeitet. So finden das alte und das neuen Leben des Ex-Kanzlers wieder zueinander.