Investigativ

Spionagefall Ott: Ex-FPÖ-Pressesprecher kaufte verschlüsselte Laptops

Ein verschlüsselter SINA-Laptop soll über den flüchtigen Ex-Wirecard-Chef Jan Marsalek gen Kreml gewandert sein. Weitere wurden bei Ott gefunden – nun haben die Behörden den ursprünglichen Käufer ausfindig gemacht.

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Im Spionagefall um Egisto Ott gibt es neue, heiße Spuren. Im Fokus der Ermittlungen steht der Ex-FPÖ-Pressesprecher und selbst ernannte „Investigativjournalist“ Alexander Surowiec. Sein Unternehmen soll laut Informationen von „profil“, „Süddeutscher Zeitung“ und WDR der Käufer jener speziell verschlüsselten SINA-Laptops sein, die bei der Hausdurchsuchung bei dem in U-Haft sitzenden Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott gefunden wurden. Ott wird der Russlandspionage verdächtigt.

Wie Chatauswertungen des britischen Inlandsgeheimdienstes MI5 nahelegen, ist ein SINA-Laptop über Umwege in Richtung des flüchtigen Ex-Wirecard-Chefs Jan Marsalek nach Russland gewandert.  Dafür sollen 20.000 Euro bezahlt worden sein – ein Preis, der nahelegt, dass sich wertvolle Daten auf dem Gerät befunden haben. Welche das sein könnten, ist Gegenstand von Ermittlungen.  

Die Erkenntnis, dass ein solcher SINA-Laptop im November 2022 den Weg nach Russland gefunden haben könnte, versetzte die Behörden in Deutschland und Österreich in höchste Alarmbereitschaft. Denn derartige Laptops werden vor allem von Sicherheitsbehörden eingesetzt – man suchte fieberhaft im Staatsapparat, ob ein solcher Computer irgendwo abgängig sei. Das zumindest bestätigte sich bisher nicht. Bei der Hausdurchsuchung bei Ott fand man jedenfalls noch zwei solcher Geräte – eines befand sich in einem Regal in seinem Haus in Paternion. Ein anderes fand man hinter einer Sockelleiste unter einem E-Herd.

Schweinerein

Danach befragt gab Ott im Ermittlungsverfahren zu Protokoll: „Mir wird vorgehalten, dass es insgesamt fünf Sina-Laptops gibt. Dazu gebe ich an, (…) diese wurden von einem Investigativ-Journalisten in Österreich angeschafft und dienen der internen Kommunikation dieser Journalisten. Ich selbst habe davon drei Stück bekommen.

Der dritte Laptop befindet sich bei einem Informanten im Ausland. Genau Angaben dazu mache ich nicht und da ich mich auf den Artikel 31 Mediengesetz berufe“, Ott berief sich damit auf das für Journalisten geltende Redaktionsgeheimnis.  Und: „Der vierte und fünfte Laptop befindet sich bei einem Investigativ-Journalist und seinem Mitarbeiter.“ Und: „Wir sind grundsätzlich keine geheimdienstliche Gruppierung (...). Wir decken egal wo einfach Schweinereien meistens mit nachrichtendienstlichem Hintergrund auf. Egal welcher Dienst oder welche Operation von Ost bis West also weltumspannend.“ Die Behörden haben nun bei dem Hersteller nachgeforscht, wer diese Laptops gekauft hat – und landeten eben bei Surowiec.

„Journalist“, wie Ott das nannte, ist in seinem Fall ein dehnbarer Begriff und würde ethischen Kriterien (wie Unabhängigkeit oder Objektivität), die sich die Branche gegeben hat, wohl eher nicht standhalten. Surowiec war einst ÖVP-Funktionär, ist später zur FPÖ übergelaufen. Er fiel im Jahr 2017 negativ auf, weil er damit prahlte, die Gattin von Ex-Kanzler Christian Kern beschattet zu haben. 
Ab 2020 war er eine Zeit lang Pressesprecher der FPÖ, arbeitete für Michael Schnedlitz, Generalsekretär der FPÖ. Surowiec betreibt den Blog „Fass ohne Boden“, wo er laut Eigenangabe Dinge „aufdecken“ will – offenbar auch mit Otts Hilfe. Der wiederum steht im Verdacht der Russlandspionage. Er soll mit seinen Zuträgern aus dem Sicherheitsapparat im In- und Ausland höchst sensible Daten und Geheimnisse aus dem Staat herausgezogen haben. 

Dass etliche dieser Informationen an Surowiec gegangen sein könnten, vermuten die Behörden schon länger, er wurde mehrfach einvernommen. Ott bestreitet das – wie sonst auch alles. Surowiec wurde mehrfach medienrechtlich wegen Fakenews und Falschbehauptungen zu Geldstrafen verurteilt. Unter den Klägern befanden sich etwa der ehemalige stellvertretende Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) und der Ex-Innenministeriums-Kabinettschef Michael Kloibmüller, dem sein Handy gestohlen worden war – und das, so vermuten die Ermittler, auch über Ott seinen Weg gen Jan Marsalek fand.

Selbsternannte Journalisten

Erstaunlich viele in den Spionagefall Ott verwickelte, fragwürdige Personen bezeichnen sich selbst als „Investigativjournalisten“. Ott selbst. Der Ex-FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein, der als Beschuldigter geführt wird und Mitarbeiter eines FPÖ-nahen Mediums. Jenewein galt und gilt in der Partei als Kickls Rechte Hand und Ausputzer. Der Ex-Abgeordnete Peter Pilz, der Ott auf seiner Plattform „Zackzack“ noch 2021 eine große Bühne geboten hat, nennt sich ebenso „Investigativjournalist“ wie auch Alexander Surowiec. 


 

Abgesehen von dieser selbstgewählten Berufsbezeichnung haben diese Herren noch eines gemein: Sie kennen einander alle, und tauschten auch (in wechselnder Konstellation) Informationen miteinander aus, wie Auswertungen von „profil“ vorliegenden Chatgruppen belegen. Manche dieser auf fragwürdige Weise erworbenen Informationen, landeten in der Öffentlichkeit. Andere bei der Politik, die sich instrumentalisieren ließ – oder mitspielte. Manche fanden ihren Weg offenbar zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB. Wie eben auch ein speziell verschlüsselter Laptop, der via verschiedener Boten über Wien und Istanbul nach Lubjanka fanden, der Zentrale des FSB. 
 

Die Übergabe soll – laut Chats – in der Wohnung des Ex-Schwiegersohns von Egisto Ott stattgefunden haben. Der soll von all dem – laut seinem Anwalt – nichts gewusst haben. Ott habe einen Schlüssel für die Wohnung gehabt, der Schwiegersohn selbst sei aus beruflichen Gründen viel auf Reisen gewesen sein. 
 

Surowiec – und auch die anderen „Journalisten“ haben die Beamten jedenfalls schon länger im Blick – es gibt in den Ermittlungen etliche Berührungspunkte. Man ortet hinter dem Sammeln und dem anschließenden Ausspielen von mit kompromittierenden Informationen, aber auch  Lügen gespicktem Material ein System.

Die AG Fama 

Die AG Fama, die ermittelnde Sondereinheit im Bundeskriminalamt, fasst das in einem Bericht so zusammen: „Als indirekte Informationsweitergabe ist bezüglich des vorliegenden Sachverhalts die gezielte Steuerung von Medien zu verstehen. Dies zeigt sich insbesondere auch anhand von BMI spezifischen Berichterstattungen einer „… investigativen Rechercheplattform“, mit dem Titel „Fass ohne Boden“, deren Herausgeber Alexander Surowiec ist. 

Jenewein sowie weitere Angehörige der Freiheitlichen Partei Österreichs haben ihrerseits Bezug zu Fass ohne Boden. Derzeit ergibt sich das Bild, dass oben angeführte Berichterstattungen, die offenbar auch auf Informationen gründen, die von Ott (und dessen Umfeld via Ott) angeliefert wurden/werden, ihren Niederschlag teils in parlamentarischen Anfragen von Jenewein, MA, respektive, auch weiteren Politikern, finden. Ebenso wird dokumentiert, dass offensichtlich auch unmittelbarer Informationsaustausch zwischen Ott und Surowiec stattgefunden hat.“ 

Surowiec schrieb diese Woche auf X (vormals Twitter), dass er prinzipiell keine Presse-Anfragen beantworten werde – und „Bei uns ist nichts mehr zu finden. Nach mehreren Monaten harter Arbeit haben wir (…) ca. 750 GB Daten, Datenleaks und Dokumente digital geschreddert, Berge an Akten physisch vernichtet und die Backups digital ins Ausland verschoben.“ 

Offenbar hat Surowiec mit einer möglichen Hausdurchsuchung gerechtet. Damit hat die Staatsanwaltschaft aber offenbar wieder zu lange gewartet. 

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.