Ott-Prozess

Staatsanwalt: Ott gefährdete Polizeikollegen und verdeckte Ermittler

Die Zahl der Angeklagten hat sich im Prozess rund um Ott verdoppelt. Neben ihm und Jenewein sitzen nun auch eine ehemalige Quelle des BVT und eine ehemalige Mitarbeiterin eines BMI-Kabinetts auf der Anklagebank. Der erste Prozesstag war von einem derben Umgangston geprägt.

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Nach drei Prozesstagen im Vorjahr, heißt es im Prozess gegen den früheren Verfassungsschutz-Beamten Egisto Ott und den ehemaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten Hans-Jörg Jenewein  zurück an den Anfang: Wegen zwei, von der Staatsanwaltschaft Wien nachträglich eingebrachten Anklagen wird neu verhandelt, und das nicht mehr vor einem Einzelrichter, sondern vor einem Schöffengericht und einer neuen Richterin. Otts Anwälte sahen beim Verhandlungsauftrag heute, Freitag, darin einen ungerechtfertigten Nachteil für ihren Mandanten, weil das Verfahren nun länger dauert und somit mit höheren Kosten verbunden ist. Sie argumentieren, dass der für das Schöffenverfahren ausschlaggebende Punkt Ott gar nicht betrifft, sondern nur andere Angeklagt. Aber ein Antrag auf Verfahrenstrennung wurde abgewiesen.

Jenewein und Ott saßen einander an diesem Freitag im Gerichtssaal gegenüber, neben ihnen sind noch zwei weitere Personen angeklagt: Eine ehemalige Mitarbeiterin des Kabinetts Kickl im Innenministerium und ein deutscher Bekannter Otts, der wegen Wiederbetätigung vorbestraft ist.  Dieser war einst eine Quelle des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) im Bereich des Waffenhandels und Ott übernahm seine Nachbetreuung von dem ehemaligen BVT-Abteilungsleiter und heute flüchtigen Martin Weiss. Alle bestreiten sämtliche Vorwürfe, bis auf Jeneweins Delikt nach dem Waffengesetz – dazu später mehr.

Ott ist mittlerweile suspendiert, Hans-Jörg Jenewein wiederum ist aktuell parlamentarischer Mitarbeiter der FPÖ. Von 2017 bis 2019 war er Nationalratsabgeordneter der Blauen. Verhandelt werden im nun neu gestarteten Prozess drei Strafanträge und eine Anklageschrift: Für den Staatsanwalt steht Jenewein im Zentrum dieses Verfahrens. In Herbert Kickls Zeit als Innenminister führte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft im Februar 2018 eine rechtswidrige Hausdurchsuchung im BVT durch. Diese führte zu einem Untersuchungsausschuss und letztlich zu einer Neuorganisation des BVT als heutige Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN). 

Die Staatsanwaltschaft sieht eine Kooperation zwischen Ott und Jenewein ab 2018: Jenewein war FPÖ- Fraktionsvorsitzender im BVT-Untersuchungsausschuss. Im Rahmen des U-Ausschusses soll Jenewein versucht haben, mit Otts Unterstützung den Ruf des BVT zu zerstören, so die These der Staatsanwaltschaft. Außerdem sei versucht worden, das BVT in Verbindung mit der Erstellung des Ibiza-Videos zu bringen, das 2019 zum abrupten Ende der türkis-blauen Regierung unter Sebastian Kurz führte. So soll Jenewein Ott darauf angesetzt haben, die Zusammensetzung der dann eingesetzten Ermittlungskommission „Soko Tape“ herauszufinden. Jenewein soll wiederum Chat-Protokolle des mittlerweile verstorbenen mächtigen Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek und Fotos von BVT-Beamten aus dem U-Ausschuss an Ott geschickt haben. Ott betont während des Prozesses, dass er dem damaligen FPÖ-Nationalratsabgeordneten und Sicherheitssprecher der Blauen vertraut habe.

Die Vorwürfe lauten auf Amtsmissbrauch, die Verletzung von Amtsgeheimnissen und von datenschutzrechtlichen Bestimmungen – wobei nicht alle Vorwürfe auf alle Angeklagten zutreffen. Laut Staatsanwaltschaft wurden Fotos, Namen und Daten von Geheimdienstmitarbeitern verschickt, die sie identifizierbar machten und somit gefährdeten. Waren das wirklich Amtsgeheimnisse? Um diese Frage kreist der erste Tag des Verfahrens. Weitervehandelt wird am kommenden  Montag.

Ott habe sich von Staatsschützer zum „Gegner von demokratischen Organisationen“ entwickelt, er habe „Polizeikolleginnen und Polizeikollegen“ gefährdet und speziell einen verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts mit der Weitergabe personenbezogener Daten – dessen Geburtsdatum und polizeilichen Werdegang – an Dritte sogar „in Lebensgefahr gebracht“, sagte der Staatsanwalt am Freitag in seinem Anklagevortrag

Auch andere Fotos aus dem früheren BVT-Umfeld sind Thema im Prozess: Sie zeigen nicht nur damalige österreichische Verfassungsschützer sondern auch einen koreanischen Geheimdienstmitarbeiter in Lederhose, aufgenommen bei einem Treffen in Wien.  Ott habe mit der Übermittlung an Jenewein die Verwendung von Steuergeldern problematisieren wollen, argumentiert der Anwalt des Ex-BVTlers. Für das Erlangen des Fotos habe er keine dienstlichen Quellen angezapft – also nicht aus dem BVT oder BKA. Allerdings wollte Ott am Freitag nicht beantworten, woher die Fotos stammten: Das könne er nicht sagen. Ott habe verschiedene Quellen gehabt, betonen seine Verteidiger, und „noch nie jemanden anderen in Schwierigkeiten gebracht“.

Die Bühne vor den Schöffinnen und Schöffen nutzte Ott, um ausschweifend auf angebliche  Missstände im BVT hinzuweisen.  Ott unterstellte dem Staatsanwalt „nicht Sinn erfassend lesen“ zu können: „Das ist die Wahrheit“, bekräftigte er. Immer wieder korrigierte er Richterin und Anwälte – was die Beschaffung von Informationen anbelangte, verwies er hingegen auf angebliche Erinnerungslücken.  

Seine Verteidiger meinten im Eingangsplädoyer bezüglich Ott: „Er kann ein ziemlicher Quälgeist sein“ und sei dem BVT mit seinem „verdichteten Rechtsbewusstsein“ „massiv am Nerv gegangen“. 

Jeneweins Verteidigung verwies vor dem Schöffengericht erneut auf dessen angebliche  Immunität als früherer Abgeordneter– wobei aber schon im Vorjahr im Rahmen der ersten Verhandlungen der damalige Richter festgestellt hat, dass diese hier nicht zum Tragen komme.

Die mitangeklagte ehemalige Kabinettsmitarbeiterin aus dem Innenministerium soll für Jenewein Akten beschafft haben, die – im Unterschied zu den Ausfertigungen für den U-Ausschuss – nicht mit Partei-Wasserzeichen versehen waren. Die Frau soll von Kickl extra für die Ausschuss-Betreuung eingestellt worden sein und habe an der Schnittstelle zwischen Parlament und Kabinett agiert. Eigentlich seien alle Informationen, die sie an Jenewein geschickt habe, bereits bekannt gewesen, sagte sie am Freitag vor Gericht aus. Jenewein habe sie gebeten eine Liste von Teilnehmern zweier Treffen des sogenannten Berner Clubs zu erstellen. Das ist ein inoffizielles Gremium der Spitzen der europäischen Geheimdienste. Diese Treffen werden nicht protokolliert. Die Staatsanwaltschaft erhebt hier den Vorwurf, dass Jenewein ein Dokument ohne Parteienkennung an einen Journalisten weitergeben habe wollen. Außerdem soll Jenewein die Kabinettsmitarbeiterin angewiesen haben, mit einem Presseausweis im Medienraum den BVT-U-Ausschuss zu verfolgen – der Ausweis wurde ihr später aberkannt. Alle Informationen im BVT-U-Ausschuss seien auf Stufe zwei eingestuft gewesen, somit sei eine Weitergabe prinzipiell nicht strafbar, argumentiert die Verteidigung.

Hans-Jörg Jenewein wird neben Amtsmissbrauch auch vorgeworfen, eine verbotene Waffe zu besitzen. Dabei geht es um einen Schlagring, der in einem Haus in Kärnten sichergestellt wurde. Jenewein beruft sich darauf, dass es sich um die Verlassenschaft seines Vaters gehandelt habe und dass er den Schlagring lediglich nicht ordnungsgemäß entsorgt habe. 

Auf der Anklagebank  saß am Freitag auch eine ehemalige Quelle des BVTs. Dem Mann wird vorgeworfen, Ott zum Amtsmissbrauch angestiftet zu haben. Konkret geht es hier um zwei Chatnachrichten zwischen dem Mann und Ott. Der Angeklagte schickte Ott eine Frage zu einer bestimmten  Person – und zwar, als er selbst nicht mehr für das BVT , sondern in der Privatwirtschaft tätig war und Ott bereits suspendiert war. Der Mann behauptete vor Gericht, bei Ott lediglich Rückfrage gehalten zu haben, an wen er eine Beschwerde adressieren sollte. 

Die Verhandlung wird am kommenden Montag mit drei Zeugenbefragungen fortgesetzt. Geladen sind der ehemalige BVT-Chef Peter Gridling, ein BVT-Beamter sowie ein Vertreter der DSN. Ein weiterer Zeuge ist erkrankt und fällt daher aus. Urteil wird noch keines erwartet. 

Der jetzige Prozess dürfte jedenfalls ohnehin nicht das Ende der gesamten weitreichenden Causa rund um Egisto Ott sein – weitere Ermittlungen laufen noch. Gegen Ott wird seit 2017 von der Staatsanwaltschaft Wien wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs und weiterer Delikte ermittelt. Im März 2024 wurde er festgenommen, Ende Juni dann entlassen. Der ehemalige BVT-Chefinspektor soll drei Diensthandys von früheren Kabinettmitarbeitern des damaligen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) und einen SINA-Laptop an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB übergeben haben. Ott bestreitet auch diese Vorwürfe.

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz

Franziska Schwarz ist seit Dezember 2024 im Digitalteam. Davor arbeitete sie als Redakteurin bei PULS 24, und als freie Gestalterin bei Ö1. Sie schreibt über Politik, Wirtschaft und Umwelt.