INVESTIGATIV

Streit um Russland-Sanktionen: Luxushotel Aurelio fordert 50.000 Euro vom Staat

Wem gehört Oleg Deripaskas früheres Fünf-Sterne-Hotel am Arlberg? Die Antwort ist überraschend komplex. Wegen einer angeblich falschen Sanktions-Meldung wollen die Betreiber nun aber Schadenersatz von der Republik.

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Wie lassen sich Sanktionen gegen russische Oligarchen und ihr Umfeld zielgerichtet und effektiv umsetzen? Diese Frage beschäftigt viele EU-Staaten seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 – darunter auch Österreich, wo es in Bezug auf kremlfreundliche Milliardäre und deren Geld in den vergangenen Jahrzehnten traditionell wenig Berührungsängste gegeben hat. Behördliche Vermögensbeschränkungen dürfen natürlich nur die Richtigen treffen – gleichzeitig sollen keine offensichtlichen Schlupflöcher bleiben. In der Offshore-Welt der Oligarchen stellt das keine ganz leichte Übung dar.

Nun wird das heikle Thema an einem besonders prominenten Praxis-Beispiel durchexerziert: dem Luxushotel „Aurelio“ in Lech im Arlberg, das lange Zeit Oleg Deripaska zugeschrieben wurde. Wie profil und ORF recherchiert haben, ist hier ein Streit um eine Sanktions-Meldung soweit eskaliert, dass die Betreiber der Fünf-Sterne-Superior-Nobelabsteige nun von der Republik im Wege der Amtshaftung 50.000 Euro Schadenersatz verlangen. Hinter alldem steht die Frage, wer auf Eigentümerebene des „Aurelio“ zu welchem Zeitpunkt das Sagen hatte. Die Antwort darauf ist überraschend komplex.

Oleg Deripaska und sein Cousin

In Zusammenhang mit dem Hotel existieren in Österreich drei Firmen. Diese gehören letztlich allesamt einer „Dornton Limited“ auf Zypern – profil berichtete wiederholt. Im Vorjahr teilte eine Deripaska-Sprecherin auf Anfrage von profil und ORF mit, der Milliardär habe das „Aurelio“ verkauft. Tatsächlich schien Deripaska nie namentlich als Anteilseigner im zypriotischen Firmenbuch auf. Diese Funktion bekleidete längere Zeit hingegen eine Firma mit Sitz auf den British Virgin Islands. Anfang 2022 trat diese BVI-Firma dann die Eigentümerschaft an eine russische Hotelgruppe namens „Gost“ ab.

Als wirtschaftlich Berechtigter von „Gost“ agierte zumindest zum damaligen Zeitpunkt Deripaskas Cousin Pavel Ezubov. Als Deripaska im April 2022 mit EU-Sanktionen belegt wurde, hatte das für das Hotel „Aurelio“ beziehungsweise dessen Eigentümerkaskade somit keine Konsequenzen. Der Milliardär war ja bereits ausgestiegen. Konsequenzen stellten sich jedoch schlagartig ein, als im Juli 2022 auch Ezubov auf der EU-Sanktionsliste landete – dies insbesondere mit dem Verweis, Deripaska habe dem Cousin große Vermögenswerte übertragen, darunter ein Hotel in Lech.

Vermögen wurde eingefroren

In der Folge veranlasste das Innenministerium, wo sich die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) um die Sanktionsumsetzung kümmert, bei den zuständigen Gerichten die Eintragung von Vermerken im Grund- und im Firmenbuch. Im Firmenbuch wurde auf diese Weise festgehalten, dass Ezubovs Vermögen nunmehr eingefroren sei. Die „Aurelio“-Betreiber haben dagegen jedoch rechtliche Schritte eingeleitet – und zwar mit Erfolg. Aus dem Grundbuch wurden die Eintragungen schon vor einigen Wochen wieder gelöscht. Jene im Firmenbuch dürften folgen – bei einer der drei Firmen ist der Vermerkt bereits gestrichen worden.

Nun soll offenbar der Spieß umgedreht werden. Über den Wiener Rechtsanwalt Ronald Bauer fordern die österreichischen „Aurelio“-Firmen 50.000 Euro Schadenersatz im Wege der Amtshaftung. Bauer wirft der DSN in einem Schriftsatz an die Finanzprokuratur, welche die Interessen der Republik vertritt, vor, einen „nachweislich falschen“ Bericht erstattet zu haben. Kern des Vorwurfs ist, dass Ezubov zum Zeitpunkt des Sanktionsbeschlusses im Juli 2022 gar nicht mehr Mehrheitseigentümer der russische Ober-Gesellschaft der „Aurelio“-Eigentümerkaskade gewesen sei.

Selbstanzeige bei der Finanz

Demnach steht über den österreichischen „Aurelio“-Gesellschaften eine Kette von – sage und schreibe – fünf weiteren Firmen. An der obersten halte Ezubov seit April 2022 nach einer Anteilsabtretung jedoch nur noch 41 Prozent. (An wen Ezubov Anteile abgegeben hat, ließ Bauer auf ORF-Anfrage unbeantwortet.) Da Ezubov nicht mehr indirekter Mehrheitseigentümer sei, übe er auch nicht mehr die Kontrolle über die „Aurelio“-Firmen aus, so das Argument.

Eine entscheidende Frage ist, ob der DSN das bei der Sanktionsmeldung bewusst sein hätte müssen. Fakt ist, dass noch im Juni 2022 Ezubov als alleiniger wirtschaftlicher Eigentümer im entsprechenden Register des Finanzministeriums („WiEReG“) eingetragen war. Für die Meldungen an das Register sind die Unternehmen selbst verantwortlich. Tatsächlich teilte die „Aurelio GmbH“ der Finanz erst am 27. Juli 2022 – und somit einige Tage nach dem Sanktionsbeschluss der EU – im Wege einer Selbstanzeige („Offenlegung gemäß § 29 FinStrG“) mit, dass Ezubov nicht mehr der wirtschaftliche Eigentümer des Unternehmens sei. Die Veränderung sei „versehentlich“ nicht fristgerecht gemeldet worden.

Österreich, Zypern, Russland

Unklar ist, wann wiederum die Meldung der DSN ans Firmen- und Grundbuchgericht erfolgte: Anwalt Bauer geht mit Verweis auf eine elektronische Signatur unter einem DSN-Schreiben davon aus, dass dies am 1. August 2022 der Fall war – somit knapp nach der Selbstanzeige. Die DSN selbst hielt in einem Anlassbericht jedoch fest, dass die Meldung bereits am 22. Juli 2022 versendet worden sei. In der Firmenbucheintragung ist wiederum von einer „Mitteilung des Bundesministeriums für Inneres … vom 27.07.2022“ die Rede.

Drei Firmen in Österreich, eine auf Zypern, vier in Russland: Offenbar war es selbst für die österreichischen „Aurelio“-Verantwortlichen im Vorjahr nicht immer ganz einfach, festzustellen, wer denn auf Eigentümerebene tatsächlich die Kontrolle innehatte. Die DSN wollte auf ORF-Anfrage mit Verweis auf das laufende Verfahren keine Details kommunizieren. Man habe jedoch im Verfahren bereits eine Stellungnahme abgegeben.

Ezubov wiederum hat im Vorjahr auf profil-Anfrage bestritten, jemals als Strohmann gehandelt zu haben. In der Zwischenzeit hat er eine Beschwerde gegen den Sanktionsbeschluss der EU eingelegt.

Der lange Schatten Deripaskas

Dass die Geschichte des Hotels „Aurelio“ eng mit Oleg Deripaska verknüpft ist, überrascht nicht. In der obersten Liga russischer Oligarchen ist Deripaska vermutlich derjenige mit den stärksten Verbindungen nach Österreich. Seit gut eineinhalb Jahrzehnten ist der Milliardär hierzulande auf unterschiedliche Weise präsent – seine diversen Aktivitäten erstrecken sich von einer Beteiligung am Baukonzern Strabag (https://www.profil.at/wirtschaft/strabag-wer-kontrolliert-den-russischen-anteil/401990726) bis hin zu einer Kirche in Niederösterreich (https://www.profil.at/wirtschaft/das-verdeckte-strabag-investment-von-siegfried-wolf/402029414). Auf Anfrage von profil und ORF bezeichnete eine Deripaska-Sprecherin im Vorjahr die Sanktionen gegen den Milliardär als „zutiefst fehlgeleitet“.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).