INVESTIGATIV

Verbotener FPÖ-Novomatic-Deal? Verdacht „erhärtet“

Das Landesgericht Wien hat einen Einstellungsantrag des früheren freiheitlichen Casinos-Managers Peter Sidlo abgewiesen. Ex-Vizekanzler Strache hüllte sich bei einer Einvernahme in Schweigen.

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Seit fast vier Jahren halten weitreichende Ermittlungen der Justiz die österreichische Innenpolitik in Atem. Der – fast schon in Vergessenheit geratene – Ausgangspunkt des Verfahrens, das sich in der Folge in verschiedenste Richtungen ausgewachsen hat: die sogenannte Casinos-Affäre, die um den Vorwurf kreist, es könnte einen illegalen Deal zwischen der früheren Regierungspartei FPÖ und dem Glücksspielkonzern Novomatic gegeben haben. Wie Unterlagen, die profil vorliegen, zeigen, sind die diesbezüglichen Erhebungen mittlerweile weit gediehen. Der ursprüngliche Verdacht hat sich demnach zuletzt sogar noch erhärtet.

Ausgangspunkt der Casinos-Affäre war eine anonyme Anzeige im Mai 2019. Auch vor dem Hintergrund von Aussagen des damaligen FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video leitete die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Ermittlungen ein. Der Verdacht: Novomatic habe sich durch einen Deal mit der FPÖ unter anderem den Wunsch nach einer heiß begehrten Online-Gaming-Lizenz erfüllen wollen. Im Gegenzug sollen Vertreter des Glücksspielkonzerns dafür gesorgt haben, dass der freiheitliche Bezirkspolitiker Peter Sidlo als Wunschkandidat des damaligen Parteichefs Heinz-Christian Strache einen Vorstandsjob bei der Casinos Austria AG (Casag) erhalten würde. Sidlo avancierte 2019 tatsächlich zum Casag-Vostand (nach Bekanntwerden der Affäre wurde er wieder abberufen).

Anfangsverdacht „noch erhärtet“

Nun hat das Landesgericht Wien einen Antrag Sidlos auf Einstellung des Ermittlungsverfahrens abgewiesen, wobei Sidlo dagegen noch Beschwerde einlegen kann. Im Beschluss vom 4. April 2023, der profil vorliegt, heißt es, der Anfangsverdacht habe sich „noch erhärtet“. Dies aufgrund der jüngst abgeschlossenen Auswertung von Daten eines oberösterreichischen Steuerberaters, der laut Verdachtslage für Novomatic lobbyiert haben soll. Der Steuerberater, der dem Berufsgeheimnisschutz unterliegt, hatte sich gegen die Sicherstellung und Auswertung seiner Daten ausgesprochen. In solchen Fällen muss in einem gerichtlichen Verfahren tatsächlich geschütztes von nicht geschütztem Material separiert werden, bevor die Staatsanwaltschaft damit arbeiten darf. Das hat im konkreten Fall zweieinhalb Jahre gedauert. Das Warten dürfte sich aus Sicht der Ermittler jedoch gelohnt haben.

Im Beschluss des Landesgerichts heißt es: „So besteht nunmehr der dringende Verdacht, dass es den mutmaßlichen ‚Hintergrunddeal‘ zwischen der FPÖ und der Novomatic AG für die glücksspielrechtlichen Wünsche der Novomatic AG ‚Casino Lizenz in Wien‘ und ‚nationale Online Gaming Lizenz‘ tatsächlich gegeben hat und W. (Anm.: der Steuerberater) für die Novomatic AG den Kontakt mit dem Glücksspielstaatssekretär DDr. Fuchs herstellte sowie mehrere Termine organisierte. Die Ergebnisse stützen somit die Angaben in der anonymen Anzeige, die den Einstellungswerber auch direkt belasten.“

Der Schweige-Ex-Vizekanzler

Das Ermittlungsverfahren war zuletzt so weit gediehen, dass die WKStA einige der Beschuldigten zu einer abschließenden Runde an Einvernahmen lud. Strache erschien am 12. April bei den Ermittlern. Laut Protokoll, das profil vorliegt, verweigerte der frühere FPÖ-Chef und Vizekanzler die Aussage, kündigte jedoch an, sich „gegebenenfalls“ schriftlich zu äußern.

Die WKStA konfrontierte Strache im Rahmen der Einvernahme mit ihren Ermittlungsergebnissen – darunter Chats und E-Mails. Unter anderem hielten sie dem Ex-Vizekanzler ein Mail eines Novomatic-Mitarbeiters an den oberösterreichischen Steuerberater vom 6. Juni 2018 vor. Der Mitarbeiter des Glücksspielkonzerns hatte darin an den mutmaßlichen Lobbyisten – offenbar mit Verweis auf den damaligen Novomatic-Chef Harald Neumann - geschrieben: „Wie besprochen findest Du im Folgenden die Ziele die sich Herr Neumann aus der Zusammenarbeit mit Dir erhofft“. Darunter waren im Mail sieben Punkte angeführt. Punkt vier lautete: „Änderung des Glücksspielgesetzes, dahingehend dass es mehr als eine Online Glücksspiellizenz gibt“.  Noch am selben Tag übermittelte der FPÖ-nahe Steuerberater diese Liste in leicht modifizierter Form als „Fragen unsererseits“ per Mail an einen Kabinettsmitarbeiter des damaligen FPÖ-Finanzstaatssekretärs Hubert Fuchs. Der Betreff lautete: „Termin Harald Neumann/Fa. Novomatic“.

Begehrte Online-Gaming-Lizenz

Den vorliegenden Mails zufolge dürfte Novomatic versucht haben, das Ansinnen einer weiteren Online-Gaming-Lizenz unter anderem mit einem höheren Steueraufkommen für die Republik zu argumentieren. Zum Hintergrund: Bis dato gibt es in Österreich nur eine einzige Online-Glücksspiellizenz. Diese liegt bei der – zur Casag gehörenden – Österreichische Lotterien GmbH, welche die Plattform Win2Day betreibt.

Am 26. Juli 2018 schrieb ein Novomatic-Mitarbeiter an den Steuerberater und mutmaßlichen Lobbyisten – allem Anschein nach für dessen Argumentarium – folgende „Grundidee“: „mit weiterer Lizenz müsste es ein Geoblocking geben, sodass Illegale als auch Graumarktlizenznehmer nicht mehr Online Glücksspiele in Österreich anbieten können (Modell Belgien). Zusätzlich könnte Novomatic der Win2Day auch noch Content zur Verfügung stellen. Natürlich würde durch eine weitere Lizenz grundsätzlich win2day Umsatz fallen, aber wenn gleichzeitig die ganze Graumarkt- und illegale Konkurrenz wegfällt, ist das dann ein ordentliches Plus für Win2Day auch wenn dann die NAG (Anm: Novomatic AG) am Markt ist. (…) auch wenn es kein geoblocking gäbe, dann gäbe es durch eine weitere Lizenz mein (sic!) höheres Steueraufkommen.“

„Vernetzte Betrachtung“

Die WKStA-Vertreter konfrontierten Strache mit einer ganzen Reihe weiterer Ermittlungsergebnisse und hielten fest: „Bei einer vernetzten Betrachtung (…) ist naheliegend, dass es tatsächlich einen Deal mit ‚den Blauen‘ (…) gegeben hat, die Gegenleistung der Regierungsverantwortlichen der FPÖ ein Bemühen um die von der Novomatic gewünschten glücksspielrechtlichen Änderungen und Konzessionsvergaben war und die Bestellung von Mag. Sidlo ein Teil der Gegenleistungen der Novomatic war und Sie einer der Verhandlungspartner der Novomatic waren und den ‚Deal‘ verhandelten und unterstützten.“

Neben Strache und Sidlo wurden unter anderem auch gegen Fuchs und Neumann sowie – nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – gegen die Novomatic AG Ermittlungen eingeleitet. Alle Beschuldigten haben sämtliche strafrechtlichen Vorwürfe immer zurückgewiesen.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.