Verfahren gegen Egisto Ott: Spion auf dem kurzen Dienstweg
Egisto Ott hat einiges zu erklären: „Ich habe momentan 34 Aktenzahlen offen bei der Staatsanwaltschaft“, sagt der frühere Chefinspektor im Verfassungsschutz. Mittwochvormittag, großer Schwurgerichtssaal im Wiener Landesgericht für Strafsachen. Der suspendierte Polizeibeamte soll über Jahre hinweg als Informationsdrehscheibe zwischen Wien und Moskau operiert haben. Die Ermittlungsbehörden haben tausende Seiten an belastendem Material gesammelt. Ott wird unter anderem vorgeworfen, die geheime Wiener Wohnadresse des Kreml-kritischen Enthüllungsjournalisten Christo Grozev an die Russen verraten zu haben. Aber auch den sensiblen Inhalt der Smartphones von drei Spitzenbeamten aus dem Innenministerium soll Ott an seine Moskauer Kontakte weitergegeben haben. Derzeit steht der 61-jährige Kärntner wegen vergleichsweise harmloser Vorwürfe vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Wien wirft ihm Verletzung des Amtsgeheimnisses vor. Er soll dem – ebenfalls angeklagten – früheren FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein sensible Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) zugespielt haben.
Jenewein war Fraktionsführer der FPÖ im BVT-Untersuchungsausschuss des Parlaments, der die Umstände rund um die umstrittene Hausdurchsuchung beim BVT im Februar 2018 und politische Einflussnahme auf den Staatsschutz behandelte. Jenewein und Ott entwickelten in dieser Zeit eine rege Chatfreundschaft. Die Korrespondenz wurde sichergestellt. Darunter auch die Bitte Jeneweins an Ott, ihm eine Liste der BVT-Teilnehmer an einem Treffen europäischer Nachrichten- und Geheimdienste zu besorgen. Ott lieferte prompt. Seine Kommunikation mit Jenewein nennt er vor Gericht „kurzer Dienstweg“. Woher er die Namen hatte? Dafür lieferte Ott am Mittwoch haarsträubende Erklärungen. „Das wurde in den sozialen Foren diskutiert!“, „es gibt auch das Darknet“, ja selbst an den Stammtischen dieses Landes kursierten laut Ott die Teilnehmerlisten der Geheimdiensttreffen: „Herr Rat, Sie haben keine Ahnung! Man muss nur wissen, in welchen Lokalen. Was da in bierseliger Laune gesprochen wird!"
Für Otts Anwälte war die Weitergabe der Namen an Jenewein ohnehin keine Verletzung des Amtsgeheimnisses. Als Sicherheitssprecher seiner Partei und Fraktionsführer im U-Ausschuss hätte sich Hans-Jörg Jenewein die Informationen ja ohnehin jederzeit selbst besorgen können. Und dass sich Ott an einen Abgeordneten wendet, um Missstände im Verfassungsschutz aufzudecken, wäre ja „eigentlich moralisch wünschenswert“, so Ott-Anwalt Jürgen Stephan Mertens.
Nicht ganz so wünschenswert fanden es mehrere Mitarbeiter des Staatsschutzes, dass Jenewein sie heimlich im U-Ausschuss fotografiert und die Bilder an Ott weitergeleitet hatte. Dabei hatten die Beamten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass aus Sicherheitsgründen keine Fotos von ihnen angefertigt werden dürfen. Ein Schuldeingeständnis wollte sich Hans-Jörg Jenewein in diesem Punkt trotz der relativ klaren Beweislage vom Richter nicht entlocken lassen. Am kommenden Freitag wird die Verhandlung fortgesetzt.