René Benko und die fragwürdigen Finanztransaktionen
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Von einem circa 5.500 Quadratmeter großen Anwesen in eine zehn Quadratmeter große Gefängniszelle. Signa-Gründer René Benko sitzt seit gut zwei Wochen in Untersuchungshaft in der Justizanstalt Josefstadt in Wien. Er ist mit mehreren schweren strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ortet Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr. Dass Benko nun nicht auf Kaution freikommt und zu Hause auf den bevorstehenden Prozessreigen warten darf, hat mitunter auch mit seinem Luxusdomizil zu tun. profil hat weitere Details rund um die Ermittlungsergebnisse der SOKO-Signa recherchiert.
Viele der Vorwürfe gegen den Signa-Gründer drehen sich im Kern um die Frage: Was hatte René Benko bei Signa und den Familienstiftungen eigentlich zu sagen? War er faktischer Machthaber und Begünstigter? Dass diese Fragen jetzt ein Fall für die Justiz sind, liegt daran, dass Benko jahrelang offiziell nichts war und nichts besaß – ganz vereinfacht gesprochen. Bei Signa hatte er keine gesellschaftsrechtsrechtliche Funktion inne, er hatte lediglich Beraterverträge mit einigen Signa-Gesellschaften.
Und auch in den Familienstiftungen der Benkos war der Signa-Gründer nie Begünstigter. Sehr wohl jedoch seine Familienangehörigen. Zumindest offiziell. Ein Jahr nach der spektakulären Signa-Pleite und René Benkos Privatinsolvenz als Unternehmer deuten jetzt zahlreiche Zeugenaussagen von ehemaligen Mitarbeitern und Investoren, abgehörte Telefonate und Banktransaktionen darauf hin, dass Benko trotz allem der faktische Machthaber war, sowohl bei Signa als auch in den Familienstiftungen. Für den Signa-Gründer gilt jedoch vollumfänglich die Unschuldsvermutung.
So kam es etwa, dass kurz vor der Pleite der Signa Holding hunderttausende Euro im Kreis geschickt wurden – von den Konten der Laura Privatstiftung zurück auf die Bankkonten dieser.
Im Frühsommer 2023 berichtete profil erstmals über massive Liquiditätsprobleme bei Signa. Zu dieser Zeit bewohnte die Familie Benko schon eineinhalb Jahre lang das neue Anwesen in Igls bei Tirol. Das alte Domizil der Benkos am Innsbrucker Stadtrand auf der anderen Seite des Inns stand leer. Eigentümerin des Hauses ist offiziell die RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG - „RB“ steht in diesem Zusammenhang mutmaßlich für René Benko.
Im Oktober 2023 war die prekäre Situation der Signa jedenfalls schon öffentlich bekannt und ehemalige Mitarbeiter erzählen, dass man zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die Frage stellte, ob Signa pleitegeht, sondern wann genau. Nun vermuten die Ermittler, dass René Benko zu eben jener Zeit versuchte „für seine private Wohnsituation entsprechende Vorsorge zu treffen“ und er selbst einen Mietvertrag für das ehemalige Familiendomizil mit der RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG abschloss und gleich vier Jahresmieten im Voraus bezahlte. Am 6. Oktober 2023 überwies Benko somit 360.000 Euro von seinem eigenen Girokonto auf jenes der Immobiliengesellschaft.
Geld an einen nicht Begünstigten
Was die Ermittler in diesem Zusammenhang stutzig machte, sind weitere Geldflüsse rund um die üppige Mietvorauszahlung für ein Haus, das letzten Endes niemand bewohnte: Nur einen Tag zuvor hatte Benko von der Laura Privatstiftung, dessen Begünstigte Benkos Mutter ist, eine Überweisung auf sein privates Girokonto bekommen. Am 10. Oktober flossen 340.000 Euro vom Konto der RB Immobilienverwaltungs GmbH & Co KG an ihre Firmenmutter RB Immobilienverwaltungs GmbH. „Taggleich“, wie es in der Ermittlungsunterlagen steht, sollen 300.000 Euro auf ein Konto der Laura Privatstiftung gewandert sein. Diese ist wiederum alleinige Eigentümerin der RB Immobilienverwaltungs GmbH und damit indirekt Eigentümerin der Liegenschaft, für die René Benko nun vier Jahresmieten im Voraus überwies. Vier Jahresmieten wanderten also durch vier Konten im Kreis.
Warum aber gewährten „die Stiftungsvorstände der Laura Privatstiftung entgegen dem Stiftungszweck an eine nicht begünstigte Person ein unbesichertes Darlehn“, fragen sich die Ermittler nun?
Einen recht originellen Hinweis in die internen Machstrukturen der Familienstiftungen lieferte Signa-Investor Hans Peter Haselsteiner bei seiner Befragung durch die Staatsanwaltschaft, wie profil berichtete: Die Laura Privatstiftung habe sich – so weit er sich erinnern könne – niemals von sich aus in eine Vereinbarung eingebracht, sondern es sei Benko gewesen, der gemeint habe „das macht die Laura Privatstiftung beziehungsweise das macht die Mama“.
Benko selbst ist als Privatunternehmer insolvent. Wer tatsächlich das Sagen hatte, nicht nur bei der Laura Privatstiftung, sondern auch bei der INGBE Stiftung in Liechtenstein, ist zentral für die laufenden Ermittlungsverfahren. Erststifterin und Begünstigte ist dort Benkos Mutter. Der Masseverwalter in Benkos Insolvenzverfahren hat deshalb keinen Zugriff auf das Stiftungsvermögen, um die Forderungen der Gläubiger zu bedienen. Außer er und die Staatsanwaltschaft können in den laufenden Verfahren beweisen, dass Benko im Hintergrund die Strippen zieht. Und dass sowohl seine Mutter, als auch die Stiftungsvorstände, die auch Manager der Immo-Gesellschaften waren, in Benkos Namen und Auftrag handelten. Eine Aufgabe, die die Justiz noch einige Jahre beschäftigen wird.
![Marina Delcheva](https://image.profil.at/images/cfs_square_616/8862998/delcheva-sw.jpg)
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
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Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
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Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.