War Benko der geheime Geschäftsführer der Signa?
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Wer auf der Suche nach Geld und Gläubigern ist, muss ziemlich viel von sich preisgeben. Zumindest sieht es das Handelsrecht so vor, denn Gläubigertäuschung ist ein schweres Delikt und auch die sonst verschwiegensten Firmen lassen die Hosen runter, wenn es darum geht, Millionen einzusammeln. Firmenbilanzen, womit verdiene ich mein Geld, welche Risiken bergen politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für mein Geschäft? Welche Folgen hat es für meine Firma, wenn die Zinsen steigen? Und: Wer hat intern was zu sagen?
All das und noch viel mehr müssen Investoren, Banken, Anleihengläubiger, Versicherungen erfahren, bevor sie überhaupt entscheiden können, wem und ob sie ihre Millionen leihen. Unter solchen Bedingungen werden auch sonst sehr verschwiegene Firmen mitteilungsbedürftig. So auch die Signa Development, die am 28. Dezember am Handelsgericht in Wien Insolvenz anmelden musste. Im Angebotsmemorandum, also dem Anleihenprospekt der Signa Development zur Ausgabe einer 300 Millionen Euro schweren Anleihe der Signa Development Finance, finden sich auf Hunderten von Seiten allerlei interessante Details zu einer Gruppe, die seit Jahren um höchste Verschwiegenheit bemüht war. Der Prospekt liegt profil vor. Die Informationen sind eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, sondern für Investoren und Anleihengläubiger, die im konkreten Fall eine 300 Millionen Euro schwere Anleihe zeichnen sollten, die im Jahr 2026 fällig wird. Und dort wird auch eine Frage, zumindest in Fragmenten, beantwortet, die sich die Medienöffentlichkeit schon länger stellt: Welche Rolle übte Firmengründer René Benko bei Signa denn tatsächlich aus?
„Marktüblicher Beratervertrag“
Nun steht im Anleihenprospekt, der sich auf Geschäftsdaten aus den Jahren 2020 und 2021 stützt: „Zudem berät uns René Benko, der Gründer von Signa, persönlich in strategischen Fragen und bei der Anbahnung von Geschäften.“ Und weiter: „Er ist einen langfristigen, marktüblichen Beratervertrag für diese Dienste mit uns eingegangen.“ Im Klartext: René Benko soll laut Firmeninformationen an die Gläubiger einen Beratervertrag mit Signa Development abgeschlossen haben, um diese Firma im Signa-Reich in wichtigen strategischen und unternehmerischen Belangen zu beraten.
Dabei hatte sich Benko 2013 – nach einer rechtskräftigen Verurteilung (die Strafe ist mittlerweile getilgt) – aus der Geschäftsführung der Signa Holding zurückgezogen und trat damit auch operativ zur Seite. Er wechselte an die Spitze des höchst prominent besetzten Signa-Beirats, der im Sanierungsverfahren mittlerweile aufgelöst wurde. Seitdem wurde viel darüber spekuliert, ob und wie viel der Signa-Gründer tatsächlich intern zu sagen hatte. Ehemalige Signa-Mitarbeiter sagten: „Ohne Benko ging gar nichts.“ Und auch im Zuge der Sanierungen und Firmenpleiten stellt sich jetzt die Frage, ob Benko faktisch Geschäftsführer war, obwohl er offiziell keine operative Position innehatte. Oder gab es weitere Beratungsvereinbarungen mit anderen Firmen der Signa? Auch diese Anfrage ließen die Signa-Medienstelle sowie René Benko unbeantwortet. Immerhin findet er sich nicht, zumindest nicht namentlich, auf der Gläubigerliste der drei großen, mittlerweile insolventen Signa Holding, Signa Prime und Signa Development. Im Gegensatz zu seinem Aufsichtsratsvorsitzenden und Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.