Warum Immobilien-Tycoon René Benko immer gewinnt
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Im Frühling 2019 war René Benko den Sternen nahe. Er stand ganz oben auf dem New Yorker Wolkenkratzer Chrysler Building, und schaute mit einem Espresso in der Hand über Manhattan, das ihm zu Füßen lag. Er hatte das Wahrzeichen der Stadt gerade erstanden – faktisch und symbolisch der letzte Beweis, dass er in der Topliga der Geschäftswelt angekommen war.
Nur: Ganz oben kann einem auch schnell schwindlig werden, man muss darauf achten, die Bodenhaftung zu behalten. Die Luft ist dünn – und der Fall kann tief sein. Zuletzt stürzten zumindest Benkos Beliebtheitswerte rund um den Verkauf von kika/Leiner in den Keller. Während er durch die Veräußerung der Immobilien Gewinne schaufelte, schickte der neue Eigentümer das defizitäre Unternehmen in Teilinsolvenz. Knapp 1300 Menschen wurden arbeitslos, den Steuerzahler kostet das zig Millionen Euro.
Die Möbelkette ist insolvent
Vor knapp fünf Jahren kaufte René Benko mit seiner Signa die strauchelnde Möbelhauskette, investierte 140 Millionen Euro. Jetzt verkaufte er Immobilien wie Betrieb. Aus Ersterem konnte ein Gewinn gezogen werden. Der Betrieb wurde in die Teilinsolvenz geschickt.
Nicht unbedingt vom Tellerwäscher zum Millionär, aber doch vom HAK-Abbrecher zum milliardenschweren Immobilien-Tycoon in wenigen Jahren: Benko ist praktisch die heimische Version des American Dream. Sein Name steht für eine gewaltige Ansammlung an Liegenschaften, die vom Kaufhaus in Innsbruck, über Luxus-Immobilien in der Wiener Innenstadt bis eben zum Wolkenkratzer in New York reicht. Er steht für Businessdeals, die im Laufe der Zeit immer größter wurden, immer waghalsiger erschienen – aber zumindest bisher stets mit Erfolg gekrönt waren.
Gleichzeitig steht der Name Benko aber auch für Skandale, für eine – möglicherweise allzu enge Verwobenheit mit der Politik und für die These, dass es manchen Menschen am Ende des Tages dann doch immer nur ums Geld geht. Die Justiz hat Benko seit 2011 wegen unterschiedlichster Vorwürfe auf ihrer Liste. Aktuell ermittelt auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), ob sich Benko durch seine guten Kontakte ins Finanzministerium einen Steuervorteil verschaffen konnte. Die Vorwürfe werden vehement bestritten.
Herauszufinden, was nun stimmt, ist schwierig. Denn obwohl Benko seit zwei Jahrzehnten als Star der heimischen Wirtschaftsszene gilt, ähnelt sein wahres berufliches Ich einer Blackbox. Und auch die Signa-Gruppe glänzt nicht unbedingt mit Transparenz. Dennoch ist nicht alles privat, was private Geschäftsleute tun. Das kika/Leiner-Debakel hat eindrucksvoll gezeigt, wie rasch manche Deals dem Steuerzahler auf die Füße fallen können.
Benko pflegt ein hochkarätiges Netzwerk
Das Törggelen war ein jährlicher Fixpunkt der Wiener Polit- und Wirtschafts-High-Society. Man riss sich um die Einladungen. Zu sehen: Ex-SPÖ-Kanzler Alfred Gusenbauer, links. Und Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, rechts.
Augenscheinliche Augenhöhe
Wer für Benko beruflich zumindest einmal wichtig war und manchmal heute noch ist, das demonstriert der sonst öffentlichkeitsscheue Investor bei seinem jährlich stattfindenden „Törggelen“. Der Südtiroler Brauch sieht Maroni und Traubenmost vor, die benkosche Interpretation davon war ein hochkarätiges Come-Together der heimischen Wirtschaft, Politik und Kultur im Wiener Park Hyatt mit Champagner und schicken Häppchen. Die Prominenz riss sich um die Einladungen. Die Bilder zeigen eindrücklich, wer zur Bussi-Bussi-Gesellschaft gehörte – oder gehören wollte.
Da ist etwa Benko beim launigen Plaudern mit dem türkisen Ex-Kanzler Sebastian Kurz abgelichtet, mit dem er auf Du und Du ist – so wie mit etlichen anderen aktiven und ehemaligen Politikern. Ex-FPÖ-Vizekanzlerin Susanne Riess oder Ex-SPÖ-Regierungschef Alfred Gusenbauer strahlen mit ihm um die Wette und haben heute wichtige Rollen in seiner Signa. Ex-FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache war hier – und später auf Benkos Yacht auf Ibiza zu Gast, nur wenige Stunden, bevor er sich vor versteckter Kamera um Kopf und Kragen reden sollte. Wirtschaftsbosse erklärten sich bei diesem Event die Welt.
Und manche Bilder erzählen von vergangenen Zeiten: Da legte Benko etwa den Arm um „Heute“-Gründerin Eva Dichand – die heute kein Wort mehr mit ihm spricht, seit sich Benko über die Hintertür in das „Kronenzeitung“-Imperium ihrer Familie eingekauft hat. Seitdem führen die Dichands eine mittels „Krone“ ausgetragene Fehde gegen den Tiroler.
Wer den Milliardär einmal in solchen Situationen beobachtet oder selbst erlebt hat, merkt schnell, was ein Schlüssel seines Erfolgs ist: Er besitzt soziales Geschick, hat ein einnehmendes Wesen. Und ein Talent dafür, komplexe Botschaften in einfache, dialekt-gefärbte (und darum für viele als bodenständig verstandene) Sprache zu übersetzen. Er ist ein geschickter Verkäufer, knüpft die richtigen Kontakte mit den richtigen Personen zur richtigen Zeit. Das Törggelen hat die vergangenen drei Jahre nicht stattgefunden – zuerst war Covid, dann U-Ausschüsse und die WKStA.
Im U-Ausschuss wurde ausführlich befragt
René Benko wurde als Auskunftsperson in den U-Ausschuss vorgeladen. Es war einer der wenigen Momente, wo man Erkenntnisse aus erster Hand zu Benkos Alltag und Arbeitsweise bekommen konnte.
21. Oktober 2020, 9 Uhr vormittags. Im „Lokal 7“ des damals umbaubedingt in der Wiener Hofburg angesiedelten Parlaments tagt der „Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung“. Als Auskunftsperson steht an diesem Tag René Benko auf dem Programm.
Es ist ein Termin, der rare Einblicke in die Welt des Immobilieninvestors ermöglicht. „Nur, damit ich Ihnen einmal ein Gefühl gebe“, führte Benko den Abgeordneten gegenüber aus: „Wir haben anhand meiner Terminkalender vom letzten Jahr noch einmal versucht, nachzuvollziehen, wie viele Termine pro Jahr ich in Summe habe: Es sind, wie gesagt, im Durchschnitt 30, 50 Termine pro Woche, das waren dann in Summe also über 2000 Termine und Meetings pro Jahr.“ Dazu seien im Schnitt „zehn, 20, 30 Telefonate“ pro Tag und zwischen 30.000 und 40.000 Mails und Textnachrichten im Jahr gekommen. Sein „Bürotag“ starte normalerweise um fünf oder sechs Uhr in der Früh und reiche bis zum Abend. Er reise üblicherweise mehrmals pro Woche. Und habe schon einmal „eine halbe Sekretärin“ beschäftigt, die nur Einladungen abwimmelte.
"Es sind, wie gesagt, im Durchschnitt 30, 50 Termine pro Woche, das waren dann in Summe also über 2000 Termine und Meetings pro Jahr.“
René Benko ist ein Star der heimischen Wirtschaft
Obwohl ihn alle kennen, weiß man über die Person Benko nur wenig, er pocht auf Privatsphäre.
Es mag auf den ersten Blick nicht verwundern, dass das Erwerben und Vermehren eines Milliardenvermögens mit entsprechendem Fleiß und Einsatz einhergeht. Warum das geschilderte Arbeitspensum dennoch stutzig macht: Eigentlich sollte René Benko mit dem Tagesgeschäft des Signa-Imperiums nichts mehr zu tun haben. Laut Firmenbuch tut er das auch nicht. Außerdem schwimmt er in Geld und müsste wohl bis zum Ende seiner Tage gar nichts mehr arbeiten. Aber Benko ist ein Getriebener, ein Selbstoptimierer – und ein Immobilien-Nerd.
Aufbauarbeiten eines Imperiums
Der Tiroler ist seit 1997 im Immobilienbusiness unterwegs. Wegen zu vieler geschäftlich bedingter Fehlstunden – so heißt es – durfte er übrigens nicht zur Matura antreten. Geschadet hat ihm das nicht: Im Jahr 2000 gründete er die Firma „Immofina“, die später in Signa Holding GmbH umbenannt wurde.
Benkos Gesellenstück
Benko besuchte das Kaufhaus Tyrol schon mit seinem Großvater. Anfang 30 setzte er sich mit der Entwicklung des Objekts ein erstes Denkmal in seiner Heimatstadt Innsbruck.
Auf eine Startphase mit Dachbodenausbauten und Facharztzentren folgte bald das erste prominente Großprojekt: 2004 erwarb Signa das Marode „Kaufhaus Tyrol“ samt mehrerer Nachbargebäude im Zentrum von Innsbruck und entwickelte es zum modernen Einkaufstempel. Eine Goldgrube unweit des „Goldenen Dachl“.
Bis heute gerät Benko ins Schwärmen, wenn er über das Projekt spricht. Schon als Kind – so sagte er selbst Interviews – habe er mit seinem Großvater dort in der Spielwarenabteilung vorbeigeschaut und sei mit ihm Rolltreppe gefahren. Kaum war der Immobilieninvestor richtig erwachsen, zog er ein groß gedachtes, nicht einfach umzusetzendes Immobilienprojekt mit starker persönlicher Note durch, das dem Zentrum seiner Heimatstadt einen Stempel aufdrückte. Manch anderer würde das als Krönung seiner Karriere verstehen. Doch Benko war damals gerade erst dreißig – und machte weiter.
Von West nach Ost
Von Innsbruck war der nächste logische Schritt nach Wien. Für Furore sorgte im Jahr 2007 der Erwerb der Bawag-Immobilien samt einstiger Bankzentrale in den Wiener Tuchlauben. Auch rundum schlug Benko zu – und entwickelte das, was heute als „Goldenes Quartier“ bekannt ist: eine Kombination aus Luxus-Shops, vor denen die Touristen Schlange stehen, und Nobel-Appartements.
Nebenan baute die Signa die ehemalige Länderbank-Zentrale zu einem Luxus-Hotel um, das von „Park Hyatt“ betrieben wird. Schräg gegenüber, im noblen Palais Harrach, befinden sich übrigens die Wiener Büros von Signa. Treppenwitz: Diese Immobilie gehört nicht der Signa, sondern zum Imperium des verstorbenen Billa-Gründer Karl Wlaschek.
Benkos Denkmäler in der Wiener Innenstadt
Das Goldene Quartier war ein heiß umstrittenes Immobilienprojekt auf der Tuchlauben. Heute sind dort Luxus-Shops beherbergt.
Heruntergebrochen teilt sich die Signa in drei Sparten: Die Signa Prime ist das Schmuckkästchen des Imperiums. Sie kauft Immobilien in besten Innenstadtlagen, motzt sie auf und vermietet sie dann teuer – das ließ den Wert der Liegenschaften bisher stetig steigen.
Die Signa Development setzt auf Bau, Entwicklung und anschließendem Verkauf von Liegenschaften.
Und dann betreibt Benko seit einiger Zeit noch eine Handelssparte: Dazu gehörte kika/Leiner ebenso wie KaDeWe, Kaufhof in Deutschland – oder Signa Sports, ein e-Comnmerce-Unternehmen, das weltweit der größte Online-Anbieter von Fahrrädern, E-Bikes und Bereich Tennis ist.
Keine Funktion, kein Eigentum
Doch damit hat Benko eigentlich gar nichts mehr zu tun. Schon vor zehn Jahren zog sich der Tiroler offiziell aus der operativen Führung der Signa zurück. Wer im österreichischen Firmenbuch nach ihm sucht, findet als aufrechte Funktion nur jene des Stifters zweier Privatstiftungen. Kein Posten als Vorstandsvorsitzender. Benko ist am Papier also nur recht wenig: Er ist nur Vorsitzender des Beirats der übergeordneten Signa Holding GmbH. Gesellschaftsrechtlich hat dieses neunköpfige Gremium keine Funktion. Was es genau macht, ist für Außenstehende schwer zu beurteilen.
Laut Signa-Website handelt es sich um einen „strategischen Beraterkreis“, der „regelmäßig wichtiger Impulsgeber für die Weiterentwicklung der Signa“ sei und dem „Group Executive Board sowie den einzelnen Managern bei Bedarf beratend zur Seite“ stehe. Jedenfalls wird Benko für seine Beiratsfunktion bezahlt. Wie viel, ist ein gut gehütetes Geschäftsgeheimnis.
Es ist anzunehmen, dass die jahrelang erworbene Expertise Benkos im Immobiliengeschäft beim operativen Signa-Management heiß gefragt ist. Keine operative Funktion zu haben, macht es jedoch einfacher, heikle Fragen abzutun – etwa im U-Ausschuss, wo Benko immer wieder auf das operative Management verwiesen hat, oder gegenüber Journalisten, wo dann bestimmte Dinge viel leichter als Privatsache dargestellt werden können als bei einem offiziellen Generaldirektor.
Offiziell und augenscheinlich hat Benko selbst neben fehlender Funktion auch kein Eigentum. Die Yacht „RoMa“, mit der er gerne bei der berühmten Immobilienmesse in Cannes aufkreuzt, gehört einer der Familienstiftungen. Beim millionenschweren Hauptwohnsitz in Innsbruck-Igls steht eine Firma im Grundbuch, die ebenfalls wiederum einer der Stiftungen zurechenbar ist.
Monsterprojekt: Wolkenkratzerrenovierung in New York
Gemeinsam mit dem deutsch-amerikanischen Investor Aby Rosen kaufte die Signa das Chrysler-Building. Weil das Grundstück jemand anderem gehört, und es deswegen Rechtsstreitigkeiten gab, hat sich die Renovierung verzögert. Sie soll nun bald starten.
Das Signa-Imperium umfasst mehr als hundert Immobilien. Bis dato hat profil jedoch keine einzige Liegenschaft gefunden, die Benko persönlich gehören würde. Gut möglich, dass jeder Österreicher, der ein Einfamilienhaus oder auch nur eine Wohnung sein Eigen nennt, mehr Immobilien besitzt als Mister Signa. Es war ein Spross der Rockefeller-Familie dem die Regel Nummer eins im Bereich der Vermögensabsicherung zugeschrieben wird: „own nothing, but control everything“ – zu Deutsch: „Besitze nichts, aber kontrolliere alles“.
Potente Geldgeber, mächtige Verbündete
Die größte Gesellschafterin der Signa Holding GmbH ist die „Familie Benko Privatstiftung“ (die sowohl direkt als auch indirekt über Zwischenfirmen insgesamt rund 77,5 Prozent besitzt). Zweitgrößter Aktionär ist mit 15 Prozent die Stiftung von Strabag-Gründer Hans-Peter Haselsteiner.
Weitere Anteile halten auch noch eine Firma von Fressnapf-Gründer Torsten Toeller und der Verwaltungsratspräsident von Lindt & Sprüngli, Ernst Tanner. Aus Signa-Kreisen ist zu hören, dass demnächst eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird, bei der alle Gesellschafter mitziehen werden. Auch bei den unterhalb der Holding angesiedelten Immobilien-Aktiengesellschaften stößt man auf prominente Namen: Zu den dortigen Aktionären zählen unter anderem eine Investmentfirma der Gebrüder Peugeot und eine Firma das Hamburger Milliardärs und Speditionsunternehmers Klaus-Michael Kühne.
Potente Partner und Geldgeber
Strabag-Gründer Hans-Peter Haselsteiners Stiftung hält Anteile an der Signa.
Neben Miteigentümern braucht Benko potente Geldgeber. Sein Erster – und vielleicht wichtigster – Co-Investor war der Stroh-Tankstellenerbe Karl Kovarik, der das Wachstum der Signa vom Spartenunternehmen für Facharztzentren zum vollwertigen Immobilienentwickler begleitete. Später folgten weitere Geldgeber – teils Projektbezogen, quasi Reichtumsabschnittspartner: der griechische Reeder George Economou, dann der israelische Diamanten-Milliardär Beny Steinmetz, gegen den später Korruptionsvorwürfe in Afrika und in Rumänien auftauchten.
Obwohl sich die Signa daraufhin 2014 geschäftlich von Steinmetz trennte, hing er ihr gewissermaßen bis zuletzt nach: Auf Anweisung eines Gerichts in New York musste der Immobilienkonzern einem Prozessgegner des Milliardärs Daten und Dokumente zur Verfügung stellen. Signa zählte in dem Verfahren nicht zu den Beschuldigten, dennoch entstanden – eigenen Angaben zufolge – Kosten von rund 857.000 Euro.
Staatliche Hilfe
Neben privaten Geldgebern sind es aber auch Staatsfonds verschiedener Länder, die für Benko auch aufgrund günstiger Zinskonditionen wichtige Geldgeber sind. In jüngerer Zeit tritt zunehmend der saudische Staatsfonds „Public Investment Fund“ als Partner im Signa-Reich in Erscheinung. Dieser soll nicht nur bei der Sporthandelsfirma „Signa Sports United“ investiert haben, sondern zeichnete im März 2022 auch Anleihezertifikate einer Zwischenholding in Luxemburg für ein Immobilienprojekt in München. Gesamtnominale: 187 Millionen Euro. Im August 2022 stieg der Fonds zudem mit 20 Prozent bei der österreichischen „Signa Cambridge Properties Beteiligung GmbH“ ein. Was die wiederum genaue tut, ist unbekannt.
Österreichisch-arabische Freundschaft
Benko hat gute Kontakte in den Nahen Osten. Sowohl der Staatsfonds von Abu Dhabi wie der der Saudis macht Geld für seine Projekte locker.
Doch nicht alle Player im Benko-Netzwerk sitzen in Unternehmensfunktionen oder bringen Geld mit – eine weitere wichtige Erfolgszutat ist Macht. Auf besonderes öffentliches Interesse stieß in den vergangenen Jahren das Naheverhältnis zwischen dem Milliardär und dem früheren ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz.
„Wir kennen uns gut und schätzen uns sehr“, erklärte Benko im Oktober 2020 vor dem Ibiza-U-Ausschuss. Man telefoniere „mehrmals pro Jahr, aber definitiv nicht mehrmals pro Woche“, und: „Wir treffen uns ab und an, ja klar.“ Die Beziehung zum damaligen Kanzler sei aber „nicht so gut, dass wir gemeinsam auf Urlaub fahren würden“. Mit Heinz-Christian Strache wiederum habe er „das eine oder andere Mal pro Jahr“ telefoniert.
Kindesweglegung im Möbelhaus
Es war dann auch die türkis-blaue Bundesregierung, die sich besonders darüber begeisterte, als Signa im Juni 2018 die Möbelhauskette kika/Leiner im Zuge eines Notverkaufs von den vorherigen Eigentümern, dem südafrikanischen Steinhoff-Konzern, übernahm. „Es freut uns als Bundesregierung sehr, dass die drohende Insolvenz der kika/Leiner-Gruppe im letzten Moment abgewendet werden konnte und eine österreichische Lösung zur Weiterführung des Betriebs gefunden wurde“, ließen Kurz und Strache damals in einer Aussendung verlauten. Nachsatz: „Es freut uns auch, dass wir in den Verhandlungen einen Beitrag zum Weiterbestand von kika/Leiner leisten konnten.“
Fünf Jahre später hat die Selbstbeweihräucherung von damals einen schalen Nachgeschmack bekommen. Ebenso wie Benkos Aussagen vor dem U-Ausschuss 2020, als er meinte, bei der kika/Leiner-Übernahme sei es nicht nur um Arbeitsplätze („immer das wertvollste Gut“) gegangen, sondern die Möbelkette wäre „fast schon als systemrelevant“ für die heimische Möbelbranche mit ihren Zulieferbetrieben und Handwerkern einzustufen.
„Es freut uns auch, dass wir in den Verhandlungen einen Beitrag zum Weiterbestand von kika/Leiner leisten konnten.“
Insgesamt 140 Millionen Euro will die Signa seit ihrem Kauf in kika/Leiner zur Wiederbelebung der maroden Handelskette investiert haben. Covid, geschlossene Läden, später Lieferkettenschwierigkeiten und der russische Angriffskrieg hätten die gesamte Handelsbranche aber in Bedrängnis gebracht.
Schließlich trennte sich die Signa Ende Mai von kika/Leiner, wobei jedoch die wertvollen Immobilien (die schon lange vor der Signa-Übernahme in eine GmbH geparkt wurden) separat verkauft wurden. Den operativen Betrieb des massiv kriselnden Handelsunternehmens erstand der neue Eigentümer Hermann Wieser samt Schulden (130 Millionen) um drei Euro – und schickte das Unternehmen umgehend in die Teilinsolvenz. Nun sollen 23 Filialen zusperren und rund 1300 Mitarbeiter ihren Job verlieren.
Ordentlich zur Kasse gebeten werden dürften aber auch der Staat und der öffentliche Insolvenzentgeltfonds. Es bestehen nämlich noch aus der Signa-Zeit offene Steuerforderungen von rund 42 Millionen Euro – bei einem Teil davon handelt es sich um Stundungen im Zuge der Corona-Pandemie.
Der Möbelriese ist insolvent
kika/Leiner ist ins Straucheln geraten, wurde von Benkos Signa verkauft - und wird nun teils ganz zugesperrt.
Diese wurden gewährt, ohne dass sich die Finanz zur Besicherung bei den Immobilien, welche in einer separaten GmbH geparkt waren, ins Grundbuch eintragen hatte lassen. Nun dürften 80 Prozent davon weg sein – also mehr als 33 Millionen Euro. Der Insolvenzentgeltfonds wiederum muss mit 57 Millionen Euro für offene Gehälter aufkommen.
Bei Signa freute man sich zunächst über das gute Geschäft, das man mit dem kika/Leiner-Investment gemacht habe. Als die Empörung in der Öffentlichkeit und Politik wuchs, verwies man schließlich darauf, dass die Einleitung des Sanierungsverfahrens eine Entscheidung des neuen Eigentümers sei. Signa hätte keine Insolvenz einleiten müssen.
Der strauchelnde Handel
Benko gilt als klassischer Neureicher – altes Geld kommt traditionell aus dem Handel. Dort hat sich die Signa schließlich auch ein Betätigungsfeld aufgemacht und – auch abgesehen von kika/Leiner – nicht immer ein gutes Händchen bewiesen.
Die Galeria-Handelskette in Deutschland wurde gleich zwei Mal in ein Sanierungsverfahren geschickt. Dies sorgte für Schlagzeilen und teils heftige öffentliche Anschuldigungen gegen Benko und Signa. Schon kurz nach der Übernahme des Handelskonzerns Galeria Kaufhof und der Fusion mit Karstadt musste am 1. Juli 2020 in Essen ein erstes Insolvenzverfahren eröffnet werden. Die Schieflage wurde damals mit der Corona-Pandemie und Lockdown-bedingten Schließungen begründet. Im Rahmen der Sanierung schlossen 40 Filialen ihre Pforten, 4000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren ihre Jobs, und die Gläubiger mussten insgesamt auf zwei Milliarden Euro verzichten.
Ende 2022 folgte dann die zweite Galeria-Pleite im Rahmen eines sogenannten Schutzschirmverfahrens, welches im Februar 2023 eröffnet wurde – diesmal wegen der Energiekrise und wegen der Folgen des Ukraine-Kriegs, wie Signa erklärte. Von den 680 Millionen Euro an Zuschüssen, welche die öffentliche Hand bis dahin geleistet hatte, könnte der deutsche Staat 600 Millionen Euro verlieren, wie Medien im Nachbarland berichten. Weitere 40 Filialen sollen im Zuge der Sanierung schließen, laut Gewerkschaften könnten Tausende Menschen ohne Job sein. Mit dem Schutzschirmverfahren stelle man „die Weichen für eine sichere Zukunft“, meint wiederum das Unternehmen. Man wolle 90 Filialen und damit mehr als 11.000 Arbeitsplätze erhalten.
Zu allem Überdruss kam zuletzt auch noch der Sportartikelhändler „Signa Sports“ unter Druck . Das Unternehmen ist an der New Yorker Börse gelistet und verbuchte im ersten Halbjahr ein sattes Minus von 180,5 Millionen Euro.
„SIGNA Holding hat SIGNA Sports United im Juni zusätzliche Liquidität in Höhe von EUR 150 Mio. garantiert. Damit ist SIGNA Sports United bis ins Geschäftsjahr 2025 operativ durchfinanziert. Berichte über eine mögliche Schließung entbehren somit jeglicher Grundlage und sind geschäftsschädigend falsch.Als Mehrheitsaktionärin der SIGNA Sports United sieht SIGNA Holding insbesondere in den Segmenten Online Bike, Outdoor und Tennis nach wie vor erhebliches Potenzial für profitables Wachstum sobald sich das makroökonomische Umfeld weiter stabilisiert“, heißt es auf profil-Anfrage.
SIGNA Holding hat SIGNA Sports United im Juni zusätzliche Liquidität in Höhe von EUR 150 Mio. garantiert. Damit ist SIGNA Sports United bis ins Geschäftsjahr 2025 operativ durchfinanziert."
Benko soll trotz stürmischer Zeiten der Branche aber an eine profitreiche Zukunft glauben, die spätestens in einem Jahr beginnen soll. Große Hoffnung macht er sich da vor allem für seine gerade in Umsetzung befindlichen Luxuskaufhäuser.
Immomarkt unter Druck
Doch nicht nur im Handel sind die Zeiten hart. Auch in der Immobilienbranche stehen die Zeichen aktuell auf Sturm. Nach einer langen Phase mit niedrigen Zinsen steigen diese rasant an. Was aus Sicht der Zentralbanken helfen soll, die Inflation zu bekämpfen, ist Gift für ein Business, das sich an günstige Finanzierungen in zwei und dreistelliger Millionenhöhe gewöhnt hat. Steigende Zinsen führen zu teureren Krediten und fallenden Immobilienpreisen. Was heißt das für die Signa?
Das Beratungsunternehmen „Finanzombudsteam“ hat auf Basis der im Firmenbuch veröffentlichten Konzernabschlüsse 2020 der Signa Prime Selection AG und Signa Development Selection AG einen Gesamtschuldenstand von 10,3 Milliarden Euro per 31. Dezember 2020 ermittelt. (Hier eingerechnet sind allerdings noch die kika/Leiner Assets sowie Kaufhof). Zum Vergleich: Das ist höher als der aktuelle Schuldenstand der Stadt Wien, die im April 2023 Bankschulden in der Höhe von 8,8 Milliarden Euro auswies. Allerdings stehen den Schulden auch rund 27 Milliarden Euro an Immo-Vermögen gegenüber, heißt es aus der Signa.
Welche Finanzinstitute der Signa wie viel Geld geliehen haben und wie diese Kredite besichert sind, interessierte zuletzt auch die Europäische Zentralbank (EZB). Die Bankenaufseher haben bei einer Reihe deutscher und österreichischer Finanzinstitute Details zum Kreditengagement bei der Signa erfragt. Und auch bei der heimischen Finanzmarktaufsicht (FMA) legt man offenbar ein besonderes Augenmerk auf die Signa beziehungsweise ihre Kreditgeber.
Benko setzt auf hohe Mieteinnahmen
Eingemietete Luxusmarken in der Wiener Innenstadt bringen der Signa hohe Einnahmen - und zumindest in den vergangenen Jahren eine ständige Wertsteigerung.
„Das Exposure heimische Finanzdienstleister bei der Signa-Gruppe wird sehr genau beobachtet“, sagt ein Insider. Zu besagten Finanzdienstleistern zählen übrigens nicht nur Banken, sondern auch heimische Versicherer. profil-Informationen zufolge haben die Aufseher bei FMA und Nationalbank (OeNB) die Unicredit Bank Austria, die Raiffeisen Bank International und die Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien als die größten Kreditgeber hierzulande identifiziert. Wie hoch dieses sogenannte Kredit-Exposure ist, wird mit Verweis auf das Bankgeheimnis seitens der OeNB nicht kommuniziert.
Wundersame Geldvermehrung
Die Immobilien-AGs der Signa generieren ihre Gewinne maßgeblich aus jährlichen Aufwertungen des Projektportfolios. Das funktioniert gut, solange der Immomarkt im Aufschwung ist – derzeit kommt eher der Abschwung. Erreicht man nun den Punkt, an dem Wertsteigerungen über insgesamt hunderte Millionen Euro pro Jahr nicht mehr darstellbar sind? Geht diesem Geschäftsmodell die Luft aus?
Zumindest, was Innenstadtlagen anbelangt, ist anzunehmen, dass weiterhin eine gute Nachfrage von Seiten potenzieller Mieter besteht. Solange die Gutachter und Wirtschaftsprüfer ein entsprechendes Steigerungspotenzial bei den Mieten erkennen können, bleiben wohl auch die Bewertungen hoch. Ob es weiter so steil nach oben geht wie bisher, bleibt allerdings abzuwarten.
Bei Signa stellt man sich bereits auf die schwierigeren Marktbedingungen ein. Christoph Stadlhuber, Geschäftsführer der Signa Holding, lässt auf profil-Anfrage wissen, dass man derzeit keine neuen Projekte verfolge: „Wir haben im Moment viele attraktive Projekte in Entwicklung – wir sind gut ausgelastet.“
Die Fertigstellung bestehender Entwicklungsprojekte, von denen es ohnehin genügend gäbe, würde umgesetzt: „In Anbetracht der makroökonomischen Gesamtsituation nehmen auch wir etwas Wachstum heraus. Es gibt vorerst keine neuen Akquisitionen.“ Trotzdem werde das Portfolio weiterhin pro Jahr um rund zehn Prozent wachsen, sagt Stadlhuber: „Wir nehmen eine leichte Strategieanpassung vor: organisches Wachstum statt dynamischem Wachstum. Keine Zukäufe – und vielleicht um einen Tick mehr Immobilienverkäufe als in den vergangenen fünf Jahren, wenn der Preis stimmt.“
Benko hat bei der Signa operativ raus
Er hat bei der von ihm gegründeten Gruppe keine gesellschaftsrechtlich relevante Funktion, sondern ist Chef des Beirats der Holding.
Tatsächlich haben zuletzt mehrere Immobilienverkäufe durch die Signa-Gruppe für Aufsehen gesorgt: Erst vergangene Woche erwarb der Immobilienentwickler UBM den „Donaumarina-Tower“, ein Holzhochhausprojekt der Signa-Gruppe in Wien, um kolportierte 24,5 Millionen samt Grundstücksfinanzierung.
Im Mai verkaufte Signa das Apple-Haus in der Wiener Kärntnerstraße um 95 Millionen Euro an die JR Invest GmbH des oberösterreichischen Industriellen Josef Rainer. Und im vergangenen Jahr gingen zudem drei Möbelhausstandorte der kika/Leiner-Immobilien um 42 Millionen Euro an den Investor Klemens Hallmann.
Die restlichen Möbelhaus-Liegenschaften verkaufte die Signa Ende Mai im Rahmen ihres kika/Leiner-Exits an die Supernova-Gruppe des deutschen Fachmarkt-Investors Frank Albert. Der Kaufpreis ist nicht bekannt. Je nachdem, bei welcher Seite man sich umhört, ist von 300 bis 400 Millionen Euro die Rede. Rund 150 Millionen Euro aus dem Verkaufserlös sind zur Tilgung von Kreditverbindlichkeiten bei der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien geflossen.
Unter der Lupe der Justiz
Nicht nur wirtschaftlich könnten unruhige Zeiten auf René Benko zukommen. Die WKStA ermittelt gegen Immobilien-Tycoon bekanntermaßen wegen Bestechungsverdachts: Er soll – kurz gesagt – dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, im Abtausch für Steuererleichterungen einen hochdotierten Job angeboten haben.
Thomas Schmids Aussagen
Die Chats und Aussagen des Ex-Finanz-Generalsekretärs bringen viele seiner ehemaligen Freunde in Bedrängnis - auch René Benko. Die Justiz ermittelt.
Tatsächlich beschäftigen sich die österreichischen Ermittlungsbehörden seit mehr als zehn Jahren regelmäßig mit verschiedenen Verdachtsmomenten gegen Benko, der sämtliche Vorwürfe immer vehement zurückgewiesen hat. Anfang 2023 wurde der Signa-Gründer in der Causa um den früheren grünen Politiker Christoph Chorherr erstinstanzlich freigesprochen (wie übrigens auch Chorherr selbst). Das Gericht sah in einer Signa-Spende an einen Schulverein Chorherrs demnach keine Bestechung. Ob die WKStA ein Rechtsmittel gegen den Freispruch einlegen wird, bleibt abzuwarten.
Benko bringt so etwas normalerweise nicht aus der Ruhe. Er beschäftigt eine Heerschar an Spitzen-Anwälten, die sich um derartige Lästigkeiten kümmern.
Übrigens haben die Höchstgerichte täglich mit der Signa zu tun. Nämlich dann, wenn die Mitarbeiter des Verfassungsgerichtshofes in die Arbeit gehen – der VfGH auf der Freyung ist über die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) bei der Signa eingemietet.
Im Jahr 2010 beantwortete Benko in einem Interview mit dem Magazin „NEWS“ die Frage, ob er „gerissen“ sei, folgendermaßen: „Wenn man im Leben weiterkommen möchte, braucht es eine gewisse Cleverness. Ich weiß nicht, ob ich gerissen bin. Vielleicht „smart„, wie man im Englischen sagen würde. Ein smarter Geschäftsmann, der am Boden geblieben ist. So möchte ich beschrieben werden.“
Der Verfassungsgerichtshof ist bei Benkos Signa Mieter
Allerdings nur Untermieter der Bundesimmobiliengesellschaft, die das Gebäude in der Wiener Innenstadt gepachtet hat.
Nicht ganz so ausgefeilt, aber durchaus prägnant hielt ein paar Jahre später ein gewisser Thomas Schmid seinen Eindruck vom Tiroler Landsmann in einem Handychat fest. Offenbar hatte Schmid den Immobilien-Tycoon über Vermittlung des Unternehmers Ronny Pecik getroffen. Auf dem Heimweg im Taxi schrieb Schmid an Pecik: „Haben uns super gut unterhalten … Morgen werde ich a bissl ko sein! Haben 3 Flaschen Wein getrunken“.
Und dann folgte Schmids Einschätzung: „Der hat es faustdick hinter den Ohren!“
Gut möglich, dass Benko „gerissen“, „clever“ und „smart“ gleichzeitig ist. Dass die kika/Leiner-Mitarbeiter das genauso positiv sehen wie einst Thomas Schmid, darf freilich bezweifelt werden.
Offenlegung:
Ende 2018 erwarb die Signa Holding 49,5 Prozent der WAZ Ausland Holding, über welche die Funke Gruppe Medienbeteiligungen in Österreich hält: 50 Prozent an der „Kronen Zeitung“ und 49,44 Prozent am „Kurier“-Verlag, zu dem neben der gleichnamigen Tageszeitung auch profil gehört. Benko hat die Frage, welches Interesse er mit Medienbeteiligungen verfolgt, noch nie öffentlich beantwortet. Dem Vernehmen nach war es vor allem das Distributionsnetz, das diesen Schritt für weitere Geschäftsideen interessant machte. Als passiver Eigentümer hat er auf die profil-Redaktion keinerlei Einfluss und hat auch noch nie versucht, diesen geltend zu machen.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Max Miller
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.