Wer wie viel Geld von René Benko will
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Zu wenig Austausch, keine Bereitschaft zur Kooperation und eine Reihe prominenter Namen, die allesamt gern Signa-Gläubiger wären – der zweite Bericht des Insolvenzverwalters der Signa Holding, der profil und der „Süddeutschen Zeitung“ vorliegt, hat es in sich. Das Schriftstück wurde am Montag bei der Berichtstagsatzung bei Gericht den Gläubigern vorgelegt und ist voller Vorwürfe gegen wesentliche Firmen und Player im insolventen Signa-Reich.
Wie profil und SZ erfuhren, sollen eine Reihe von Firmen und Stiftungen, die Signa-Gründer René Benko oder seiner Familie zugerechnet werden, Forderungsansprüche angemeldet haben. Etwa die Laura Privatstiftung, die Familie Benko Privatstiftung oder die Laura Holding. In Summe soll es dabei um über 1,6 Milliarden Euro gehen. Fast alle dieser Forderungen wurden vom Insolvenzverwalter Christof Stapf übriges bestritten und vorläufig nicht anerkannt.
Eigentlich sollte sich René Benko auch mit privaten Mitteln an der Sanierung seiner Signa-Holding beteiligen. Ohne Zuschüsse von Benko sei die Fortführung und Sanierung nicht möglich, hieß es gleich zu Beginn des Sanierungsverfahrens im Dezember. Laut Bericht seien bisher auch tatsächlich zwei Tranchen der zugesagten 3,3 Millionen Euro geflossen – die zweite Zahlung soll laut Bericht nicht Benko selbst sondern eine dritte Seite in seinem Namen getätigt haben. Wer, ist unklar. Die dritte und letzte Auszahlung soll noch diese Woche erfolgen.
Die Zentrale in Wien
Das Signa-Haus auf der Freyung hat nun viele leere und dunkle Büroräume. Das Mobiliar wurde versteigert.
Die Doppelrolle Benkos ist interessant – einerseits soll er Millionen für die Sanierung zuschießen, anderseits fordern ihm zugeordnete Firmen und Stiftungen in Summe über eine Milliarde Euro von der insolventen Holding. Wie geht das?
Was war seine Leistung?
Und noch jemand blitzte bei der vorläufigen Beurteilung der offenen Rechnungen an die Signa-Holding ab: SPÖ-Altkanzler Alfred Gusenbauer. Er ist Aufsichtsratschef der Signa Development Selection (SDS) und der Signa Prime Selection (SPS). Er war zudem im Beirat der Signa Holding, der mittlerweile wegen mangelnder Sinnhaftigkeit aufgelöst wurde.
Wie profil erfuhr, soll Gusenbauer ein Mal als Privatperson 698.358,69 Euro samt Zinsen fordern. Und weitere 5.667.331,23 Euro inklusive Zinsen über seine Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH.
Gusenbauer will 7,5 Millionen Euro von Signa. Es fehlen aber Unterlagen und Leistungsnachweise.
Wie profil berichtete, werden auch diese Forderungen vorläufig einmal nicht anerkannt. Seine Forderung wurde bisher auch deswegen nicht angenommen, weil Unterlagen und Leistungsnachweise fehlen würden, wie gegenüber profil begründet wird.
Signa fordert von Signa
Ganz allgemein hat das Handelsgericht Wien mit den Sanierungen der insolventen Signas (Plural!) alle Hände voll zu tun. Allein für die Signa Holding sind insgesamt 302 Gläubiger-Anmeldungen in der Höhe von 8,6 Milliarden Euro eingegangen. Aber: Sanierer Stapf hat nur 80,3 Millionen Euro davon vorläufig anerkannt; also lediglich 0,93 Prozent.
Es ist nun zwei Monate Zeit, die abgelehnten Forderungen zu bestreiten. Gläubiger können also fehlende Unterlagen nachreichen, juristisch vorgehen – oder man kann versuchen, Sanierungsverwalter Christof Stapf persönlich davon zu überzeugen, die Ansprüche doch noch anzuerkennen.
Dominoeffekt bei Signa
Etliche Unternehmungen der Signa sind in die Insolvenz geschlittert.
Auch die Signa fordert einiges von Signa: Die Signa Prime meldete etwa 152 Millionen an, die Development rund 485 Millionen Euro. Die schon-wieder-insolvente deutsche Handelskette Galeria Karstadt Kaufhof Gmbh will dem Vernehmen nach 209 Millionen Euro geltend machen. Insolvenzverwalter Christof Stapf hat die Forderungen aus dem Signa- und Benko-Universum bisher kategorisch abgelehnt und alle sogenannten Intercompany-Forderungen bestritten.
Und auch ein zweiter Berater Benkos muss um sein Geld zittern: Walid Chammah, Ex-Präsident von Morgan Stanley will 20 Millionen Euro – er saß im Beirat der Signa Holding. Benko soll Chammah schon 2015 diese Summe für seine Hilfe beim Kauf der Galeria-Kaufhof-Warenhausgruppe in Aussicht gestellt haben. Der Deal ging erst 2018 über die Bühne – Chammah bekam aber, laut eigenen Angaben, noch nichts bezahlt. Laut Bericht klagt er 14 Millionen Euro an Beratungshonoraren in London ein. Die Frist zur Klagebeantwortung wurde bis 23. Februar verlängert.
Einst Kanzler, dann Berater
Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer hat bei Signa Millionen verdient - und will noch weitere Millionen haben.
Ausländische Investoren
Den größten Brocken schuldet Benko internationalen Investoren und Banken. Die Ameria Invest AG aus Liechtenstein will etwa 240 Millionen Euro, das Unternehmen soll dem brasilianisch-italienischen Eisenbahn-Unternehmer Riccardo Arduini gehören. Sein Name findet sich mehrfach in den Panama-Papers, einem riesigen Offshore-Leak, aus dem auch profil ausführlich berichtete. In diesen Dokumenten findet sich auch die „Harng Central Department Store LTD“ mit Sitz in Bangkok. Der thailändische Einzelhandelsriese plante mit Signa in Großbritannien Luxuskaufhäuser und will jetzt 120 Millionen Euro. Die ebenfalls in London ansässige CG Jersey Retail Limited fordert sogar mehr als 900 Millionen Euro. San Simeon Investments, offiziell auf den Virgin Islands ansässig, aber mit Link nach Thailand, fordert 430 Millionen Euro. Der Insolvenzverwalter Stapf erkennt vorerst nur einen sehr geringen Teil dieser Forderungen an.
Ausländische Investoren von Deutschland bis Abu Dhabi warten auf ihr Geld. Es geht um Milliarden.
Wie ein Damoklesschwert hängen auch Schiedsklagen von Seiten des arabischen Staatsfonds Mubadala (VAE) und der katarischen Gesellschaft AM1 (Al Mirqab Capital, Katar) über die Signa. Sie warten auf die Zahlung von 713 beziehungsweise 296 Millionen Euro. profil berichtete. Die Signa Holding hat aufgrund der Insolvenz die Unterbrechung beider Verfahren beantragt.
Jets und Jagdausflüge
Laut profil-Informationen will ein Tiroler Schwimmbadbauer 30.000. Wofür ist unklar – Benko selbst hat in seinem Domizil in Igls jedenfalls einen gigantischen, unterirdischen Wellnessbereich, die der Grotte von Capri nachempfunden ist. Das Haus, in dem Benko mit seiner Familie wohnen soll, gehört übrigens offiziell der „Schlosshotels Igls Betriebs GmbH“ mit Sitz in Wien-Rudolfsheim – sie will 2,4 Millionen (und wird sie, wenn es nach Stapf geht, nicht bekommen.)
Jäger, Jagdhundführer und Tiermittelhändler werden bezahlt.
430.000 Euro meldete ein Unternehmen an, das sich um die Vermietung von Privatjets und deren Verwaltung kümmert. 138.000 Euro will ein Helicopter-Unternehmen. Und verschiedene Hotels fordern Zigtausende Euro. Nur ein Teil wird als berechtigte Forderung akzeptiert.
Rene Benko ist ein Kunst- und Kulturaficionado. Den Tiroler Festspielen in Erl schuldet sie Signa 3,1 Millionen Euro. Das Bank Austria Kunstforum will 4,5 Millionen Euro geltend machen, kleinere Summen wurden von unbekannteren Künstlern angemeldet. Es finden sich auch Rechnungen für Jäger, Jagdhundeführer und Tiernahrungshändler – die recht geringen Forderungen Letzterer werden anerkannt.
Benkos Villa in Igls bei Innsbruck
Sie gehört eigentlich einer Firma, die in Wien ansässig ist und wurde vom Finanzamt von einem Pfandrecht belegt.
Das Finanzamt will knapp 900.000 Euro. Die MA6, die Abteilung der Stadt Wien für Rechnungs- und Abgabewesen will 25.000 Euro – auch das wird vorläufig nur zum Teil anerkannt.
Pikantes Detail am Rande: Die Signa schuldet diversen Anwaltskanzleien Millionen – und der Firma Reisswolf, die auf Aktenvernichtung spezialisiert ist, 783 Euro. Dort kann man laut Homepage übrigens schon ab 33 Euro Akten „sicher“ und „binnen 24 Stunden“ vernichten lassen.
Vorwürfe an die Töchter
Erst vergangene Woche hat Holding-Sanierer Christof Stapf eine Sanierung ohne Eigenverwaltung bei Gericht beantragt. Begründet wurde das mit dem noch ausständigen Sanierungsplan der zwei werthaltigsten, aber trotzdem mittlerweile insolventen Beteiligungen: Signa Prime Selection und Signa Development. In seinem zweiten Bericht spart Stapf nicht mit Kritik am zuständigen Management und den Sanierern der SPS und SDS.
Reiner Wein
Der prall gefüllte Weinkeller der Signa wird versteigert. Bordeaux-Liebhaber können hier Schnäppchen schlagen.
Eigentlich haben das Sanierungsteam und das Management der Signa Holding ein koordiniertes Sanierungsverfahren mit den großen Tochter-Beteiligungen angestrebt. Das sollte einen regelmäßigen und akkordierten Informationasaustausch über geplante Verkäufe, Zuschüsse von Investoren, Massekredite und strategische Fragen beinhalten.
Doch das hat offenbar nicht so gut geklappt. „Ein Informationsaustausch mit der Insolvenzmasse der SPS konnte bis dato nicht koordiniert werden“, heißt es im profil vorliegenden Bericht. Der gleiche Satz steht ein zweites Mal in Zusammenhang mit der SDS.
Die Gesellschaften hätten angeforderte Informationen mit Verweis auf aktienrechtliche Beschränkungen nicht geliefert, offenbar ganz zum Unmut von Sanierer Stapf. Nun laufen laut Bericht Gespräche über eine gemeinsame Beauftragung eines Gutachtens, „um die wechselseitigen Informationspflichten der SDS/SPS und der Insolvenzmasse der SIGNA Holding GmbH klarstellen festzuhalten“, so der Bericht.
Alles muss raus
Die Plattform Aurena versteigerte das Hab und Gut aus den Signa Büros und nahm damit bisher rund eine halbe Million Euro ein.
Bei der Signa wird jedenfalls alles verkauft und abgestoßen, was nicht mehr unbedingt für die Sanierung und den Fortbestand der Firma notwendig ist. Das Mobiliar am Standort in Wien wurde versteigert, laut Bericht ist dadurch vorläufig immerhin eine halbe Millionen zusammengekommen. Mehrere Uhren sollen 18.917 Euro gebracht haben. Und Benkos Flugzeug ist auch unter dem Hammer – um schlappe 5,3 Millionen Euro.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.