Zweite Wahl: Wie Kickl als Innenminister den besten Kandidaten überging
Bei Besetzungen wählte Herbert Kickl als Innenminister
nicht immer die besten Kandidaten aus. Erfahrung in einer
FPÖ-nahen Kanzlei zählte mehr als drei Jahrzehnte Staatsdienst.
Waffen, Sprengstoff und Kriegsmaterial: Hinter dem Türschild „Sicherheitsverwaltung“ wird es ernst – und politisch interessant. Die Abteilung III/A/6 des Innenministeriums überwacht Waffen, Vereine und die Statuten der politischen Parteien. Allerdings: Geleitet wurde die Abteilung bis vor zwei Jahren nicht vom besten Kandidaten. Dafür hatte Peter Goldgruber im Namen des damaligen Innenministers und heutigen FPÖ-Chefs Herbert Kickl 2018 gesorgt.
profil liegt das Gutachten der Personalkommission für die Leitung der Abteilung exklusiv vor. Sechs Personen hatten sich demnach im Frühjahr 2018 für den Posten beworben. Zwei von ihnen waren aus Sicht der Kommission „in höchstem Maß“ geeignet. Der eine war der interimistische Leiter der Abteilung. Der Beamte hatte drei Jahrzehnte lang in Polizei und Verwaltung gedient – und nebenbei ein Jusstudium absolviert. Für den Staat hatte er eine Anti-Terror-Großübung geleitet, Projekte zum Strafregister geführt und neue Regeln für die Wiener Polizei ausgearbeitet.
Auf der anderen Seite stand Bernhard M. Der Anwalt sei „in einer koordinierenden Funktion tätig“ und „zudem regelmäßig Teamleiter von Projekten“, so die Personalkommission. Schon während seiner Ausbildung „lagen sämtliche öffentlich-rechtliche Fragestellungen“ der Kanzlei bei ihm. Ein fähiger Mann, aber nicht der beste, urteilte die vierköpfige Kommission einstimmig: Der Interims-Chef der Abteilung sei M. vorzuziehen.
Entscheidende Zeilen
Auf acht Seiten führte die Personalkommission ihr Urteil aus. Drei handschriftliche Zeilen auf dem Deckblatt drehten es um: „Es wird ersucht Mag. Bernhard M. mit der Funktion zu betrauen, da er in hohem Ausmaß externe Erfahrungen einbringen kann“, erklärte der damalige Generalsekretär Goldgruber „für den Bundesminister“ – 2018 hieß der: Herbert Kickl.
Dass ein externer Anwalt mehr externe Erfahrung einbringen kann als ein interner Beamter, leuchtet ein. Das Ausmaß darf allerdings bezweifelt werden: M. absolvierte die Rechtsanwaltsprüfung 2016, zwei Jahre vor der Bewerbung. Rechtsanwaltsanwärter war M. laut „Standard“ bei der Kanzlei Böhmdorfer und Schender. Rüdiger Schender war von 2000 bis 2002 Nationalratsabgeordneter für die FPÖ. Dieter Böhmdorfer tritt seit Jörg Haider als Anwalt der FPÖ auf. Von 2000 bis 2004 war er Justizminister auf blauem Ticket. 2016 focht die Kanzlei für die FPÖ die Aufhebung der Bundespräsidentschaftswahl durch.
Das Innenministerium war bekanntlich nach fast 18 Jahren schwarzer Parteibuchwirtschaft in einem desolaten Zustand, weshalb externe Expertise besonders wichtig war.
FPÖ-Chef Herbert Kickl
setzte als Innenminister besonders stark auf „externe Expertise“
Auf profil-Anfrage will Goldgruber seine Entscheidung nicht erklären: Er sei im Ruhestand und dürfe keine Details zu konkreten Fällen nennen. Das Innenministerium verweist auf den Datenschutz. „Nach 18 Jahren schwarzer Parteibuchwirtschaft“ habe das Innenministerium externe Expertise besonders nötigt gehabt, argumentiert indes FPÖ-Chef Kickl. Zudem sei es „unstatthaft“, dass die Personalkommission einen Kandidaten erstgereiht habe. Kickl vermutet dahinter „kollegiale Loyalität“ zum Erstgereihten. Ohnehin handle es sich um eine Empfehlung der Kommission, an die sich der Minister nicht halten müsse. Nach Kickls Abschied als Minister verlor M. 2022 die Leitung der Abteilung. Er selbst war für profil nicht erreichbar.
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.