Investigativ

Wirbel um OMV-Tochter Borealis: Vorstandschef Entlastung verweigert

Probleme bei Projekten oder Machtkampf unter Managern? Der OMV-Konzern kommt nicht zur Ruhe.

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In Österreichs bedeutendstem Industrieunternehmen geht es rund: Seit Monaten läuft im teilstaatlichen OMV-Konzern ein erbittertes Match um die Macht, um persönliche Karrieren und – eher nebenher – auch um die Zukunftsstrategie des Öl- und Gasunternehmens. Gleichzeitig reihen sich Vorwürfe wegen diverser Projekte, Entscheidungen und Verhaltensweisen des Managements aneinander – profil berichtete ausführlich.

Nun gibt es neuen Wirbel: Wie profil aus informierten Kreisen erfahren hat, wurde dem Vorstandsvorsitzenden der OMV-Kunststofftochter Borealis, Thomas Gangl, bei einer kürzlich stattgefunden Hauptversammlung die Entlastung verwehrt. Dem Vernehmen nach waren auch noch zwei weitere Borealis-Manager von diesem ungewöhnlichen Vorgang, dem eine starke Symbolik innewohnt, betroffen.

Die Hauptversammlung besteht aus den Eigentümern: Borealis-Aktionäre sind – teils indirekt über Zwischenfirmen – die OMV mit 75 Prozent der Anteile und die Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc) mit 25 Prozent. Aufsichtsratschef ist OMV-Generaldirektor Alfred Stern.

Dem Vernehmen nach soll die Nicht-Entlastung mit Problemen bei zwei Borealis-Projekten begründet worden sein – einem Joint-Venture mit dem Energieriesen „Total“, bei dem es zu technischen Problemen gekommen sein soll, und einem Bauprojekt in Belgien, bei dem Vorwürfe aufkamen, Arbeiter könnten Opfer von Menschenhandel geworden sein. Die Borealis machte diesbezüglich einen Subauftragnehmer für allfällige Missstände verantwortlich. Letztlich soll es bei beiden Projekten Verzögerungen gegeben haben. Inwieweit diese auf Fehler des Borealis-Managements zurückzuführen sind oder rein auf externe Widrigkeiten, wird vermutlich noch geklärt werden. Wie zu hören ist, sollen nun genauere Informationen eingeholt werden.

Sollte sich herausstellen, dass sich die Borealis-Spitze nichts zuschulden kommen hat lassen, kann die Entlastung nachgeholt werden. Dann stünde jedoch vermutlich wiederum Stern, der als OMV-Chef operativ für die Nicht-Entlastung Gangls verantwortlich ist, noch stärker unter Druck als bisher. Gangl gilt als ein Kandidat für eine mögliche Nachfolge Sterns, falls letzterer seinen Rückhalt im Konzern-Aufsichtsrat und bei den Eigentümern verlieren sollte.

Ergänzung um 17:40

Auf Anfrage von profil übermittelte die OMV folgendes Statement: “Die Aktionäre der Borealis haben einzelne Vorstandsmitglieder des Unternehmens für das Geschäftsjahr 2022 vorläufig nicht entlastet. Der Vorstand wurde zur Vorlage von entscheidungsrelevanten Informationen zu einigen Projekten aufgefordert. Zu weiteren Details können wir derzeit keine Stellung nehmen.”

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.