Investigativ

WKStA hat Betrugsermittlungen gegen Sophie Karmasin abgeschlossen

Ein Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft liegt bereits im Justizministerium. Einiges spricht dafür, dass sich die frühere Ministerin demnächst vor Gericht verantworten muss. Auch ihr Anwalt rechnet mit einem Strafantrag.

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Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat einen Teil ihrer Ermittlungen gegen die Meinungsforscherin und frühere Familienministerin Sophie Karmasin-Schaller (Dezember 2013 bis Dezember 2017, nominiert von der ÖVP) abgeschlossen. Nach gemeinsamen Recherchen von profil und ORF hat die WKStA in dieser Causa einen so genannten Vorhabensbericht an die zuständige Oberhörde, die Oberstaatsanwaltschaft Wien, gerichtet; die OStA hat den Bericht wiederum kürzlich dem Justizministerium vorgelegt.

Die WKStA und das Justizministerium bestätigen den Vorgang, äußern sich aber (wie immer in solchen Fällen) nicht zum Inhalt des Vorhabensberichts. Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass die WKStA die Ex-Politikerin wegen des Verdachts des Betrugs und der Manipulation von Ausschreibungen vor Gericht stellen will. Auch Karmasin-Schallers Anwalt Norbert Wess rechnet mit einem entsprechenden Strafantrag.

Zwei Verdachtslagen

Konkret ging es bisher um zwei Verdachtslagen: Zum einen Betrug (Paragraf 146 des Strafgesetzbuches) beziehungsweise schwerer Betrug (Paragraf 147, Absatz 2). So soll Karmasin-Schaller nach ihrem Abschied aus der Bundesregierung 2018 unrechtmäßig mehr als 70.000 Euro als Gehaltsfortzahlung aus Steuergeldern bezogen haben. Unrechtmäßig deshalb, weil sie zugleich verdeckte Provisionsgeschäfte mit der Meinungsforscherin Sabine Beinschab und möglicherweise auch noch andere entgeltliche Tätigkeiten am Laufen gehabt haben soll.

Am 4. Februar 2018 schrieb Karmasin im Zuge der Abrechnung einer Fachtagung in Südtirol an Beinschab per Mail: „Bitte aber noch nicht verrechnen, erst juni Ich darf nix verdienen“.

Ex-MinisterInnen haben für längstens sechs Monate Anspruch auf 75 Prozent des Aktivbezugs (plus anteilige Sonderzahlungen), dürfen daneben aber nichts verdienen (was Karmasin-Schaller laut der Aktenlage bewusst war). Sie hat das Geld zwischenzeitlich zwar vollständig zurückgezahlt, wenngleich ihr diese Einsicht erst nach einer Recherche des ORF im März dieses Jahres gekommen war (obendrein zahlte sie zunächst auch zu wenig zurück).

Zum zweiten wurde bisher wegen „wettbewerbsbeschränkender Absprachen bei Vergabeverfahren“ nach Paragraf 168b Absatz 1 des Strafgesetzbuches ermittelt. So soll Karmasin-Schaller im Zeitraum 2019 bis 2021 mehrere Ausschreibungsverfahren des nunmehrigen Bundesministeriums für Kunst, Kultur, Öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS) zu ihren Gunsten beeinflusst haben. In jedenfalls drei Fällen soll sie sich mit ihrer langjährigen Vertrauten Sabine Beinschab abgesprochen haben, um so an Tausende Euro schwere Studienaufträge des Sportressorts zu gelangen (eine dieser Studien dürfte dann letztlich nicht umgesetzt worden sein). Damit Karmasin-Schaller bei den Ausschreibungen als Bestbieterin hervorgehen konnte, soll Beinschab beim Ministerium inhaltlich und preisliche abgestimmte – teurere – Angebote eingereicht haben; in jedenfalls zwei Fällen soll eine weitere Meinungsforscherin involviert gewesen sein, auch sie wurde in den Ermittlungen bisher als Beschuldigte geführt. Verdächtigt wird darüber hinaus ein Beamter des BMKÖS, der Karmasin bei der Umsetzung des Tatplans dienlich gewesen sein soll.

Sowohl im Fall der Gehaltsfortzahlungen auch als im Fall der Ausschreibungen liegt der Karmasin-Schaller angelastete Schaden unter 300.000 Euro, der Strafrahmen ist mit längstens drei Jahren Haft begrenzt.

Für alle Beteiligten gilt bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung ausnahmslos die Unschuldsvermutung.

„Auf rechtliches Gehör verzichtet“

Bereits Anfang August erreichte Karmasin-Schallers Verteidiger Norbert Wess (Kanzlei wkk law Rechtsanwälte) eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft, wonach die Ermittlungen zu den genannten Faktenkomplexen „aus derzeitiger Sicht abgeschlossen“ seien — es fehle nur noch die Beschuldigteneinvernahme seiner Mandantin. Die WKStA ersuchte um Antwort binnen zehn Tagen, die auch fristgerecht eintraf: „In Bezug auf diese beiden Faktenkomplexe wird mitgeteilt, dass MMag Dr Sophie Karmasin auf ihr rechtliches Gehör im Ermittlungsverfahren verzichtet“, heißt es in einem profil und ORF vorliegenden Schreiben der Kanzlei wkk law an die Staatsanwaltschaft vom 12. August.

Soweit es die Ermittlungen betrifft, war der Fall für die WKStA damit offenbar abgeschlossen. Ehe die Staatsanwaltschaft ihren Vorhabensbericht nach oben schickte, nahm sie eine so genannte Verfahrenstrennung vor. Die beiden Faktenkomplexe „Ministergehaltsfortzahlung“ und „wettbewerbsbeschränkende Absprachen“ wurden aus dem weitläufigen „Casinos“-Akt herausgenommen und werden nun gesondert geführt. Karmasin gilt auch in der Inseratenaffäre um Ex-ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz als Beschuldigte. Dieser Teil der  Ermittlungen ist noch nicht abgeschlossen. Karmasin und Kurz haben in diesem Zusammenhang sämtliche Vorwürfe immer bestritten.

Zwischenzeitlich hat die Staatsanwaltschaft Strafregisterauskünfte zu Karmasin und einer weiteren beschuldigten Person eingeholt, was unter Juristen als ein weiteres Indiz dafür gilt, dass die WKStA in Sachen Gehaltsfortzahlung und mutmaßliche Preisabsprachen einen Strafantrag auf den Weg bringen will.

Seitens der Staatsanwaltschaft hieß es gegenüber profil und ORF am Mittwoch lediglich: „Es ist korrekt, dass zu diesem Faktum bereits ein Vorhabensbericht an die OStA Wien erstattet wurde.“

Mittlerweile liegt dieser Bericht auch dem letztverantwortlichen Justizministerium vor. „Ein Vorhabensbericht der WKStA wurde von der OStA Wien vor kurzem der zuständigen Fachabteilung im BMJ vorgelegt. Der Vorhabensbericht wird derzeit geprüft", so eine Sprecherin des Justizressorts auf Anfrage.

Karmasin-Schallers Anwalt Norbert Wess hatte am Mittwoch noch keine Kenntnis von dem Vorhabensbericht, sagte aber: „Wir rechnen mit einer Enderledigung zu diesen beiden Fakten.“ Die WKStA habe ihn mit Note vom 3. August darüber informiert, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien und die Möglichkeit einer weiteren inhaltlichen Stellungnahme eingeräumt. „Wir haben im derzeitigen Verfahrensstadium auf eine Stellungnahme verzichtet.“ Ob er mit einem Strafantrag rechnet? „Wir gehen davon aus.“

Die Entscheidung über das weitere Vorgehen – Anklage, Einstellung, Diversion oder weitere Ermittlungen – liegt nun beim Justizministerium, wo prominente Fälle üblicherweise vom so genannten Weisungsrat behandelt werden.

Kronzeugin Beinschab

Sofern es zur Anklage kommt, wird eine wichtige Akteurin auf der anderen Seite sitzen: Sabine Beinschab. In Bezug auf den Verdacht der Preisabsprachen wurde Beinschab KronzeugInnenstatus zuerkannt. Anfang August 2022 teilte die WKStA Beinschabs Anwältin mit, dass von der diesbezüglichen Verfolgung „vorläufig zurückgetreten“ werde. Beinschab habe „ein umfassendes und reumütiges Geständnis“ abgelegt und der WKStA neue „Tatsachen und Beweismittel“ offenbart. Aus Beinschabs Ausführungen habe sich der dringende Verdacht auf weitere strafbare Handlungen ergeben, zum Beispiel jener auf die mutmaßlichen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen.

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.