Ein "ON AIR"-Schild im Radiokulturhaus in Wien; aufgenommen am Freitag, 08. September 2017
Jubiläum

100 Jahre Radio: Tätärätä ins fernste Tal

Loblied auf ein Massenmedium, das Demagogie und Magie vereint.

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Diese Geschichte mündet in eine fröhliche Trauerfeier. Sie beginnt unter Blitz und Donner. Auf einem gezeichneten Plakat, zu sehen in der Ausstellung „100 Jahre Radio – Als Österreich auf Sendung ging“ im Technischen Museum Wien, fläzt ein Mann mit Kopfhörer tief versunken im Ohrensessel, ein früher Radioliebhaber, dem auf der Zeichnung auch das Unwetter vor dem Fenster nichts anhaben kann. Das Zeitungsinserat wirbt vor gut 100 Jahren für eine Versicherung, die im Falle eines Blitzschlags beim Radiohören mit 3000 Schilling im Todesfall und ebenso viel bei bleibender Invalidität aufkommt. „Mich schreckt keine Gefahr“, verkündet das Plakat. Es war die Zeit, da Radiohören Courage und einen Hauch von Lebensmüdigkeit erforderte.

Wie später beim Internet ging auch die Etablierung des Radios mit viel Optimismus einher. Nach zögerlichen Anfängen nahm am 1. Oktober 1924 die „Radio-Verkehrs-Aktien-Gesellschaft“ (RAVAG) mit Musik von Richard Wagner den täglichen Sendebetrieb auf. Der Klang war bisweilen unterirdisch, der Empfang kläglich, dennoch entwickelte sich das Radio schon bald zu den großen Wundern der Epoche. Der Abend wurde zum Feierabend, von den epidemischen Krisen der frühen 1920er-Jahre lenkten Schlager und Swing ab. Elektrisierend, buchstäblich. Von „Ätherwellenfieber“ war die Rede. „Demokratie, dein Mund heißt Radio!“, schwärmte der Berliner Autor Alfred Döblin. In die fernsten Täler und in die letzte Hütte sollte gefunkt werden; die sehenswerte Ausstellung im Technischen Museum präsentiert den jahrzehntelangen Parallellauf von Technik und On-Air-Anläufen. Radio war und ist immer auch Gerät plus Design, mit wechselnden Generationen von Radiofamilien davor. Radio war und ist Massenmedium, das die Angst vor dem Alleinsein lindert, Ansprache verspricht, Affekte via Funkwellen schürt. Ein bisschen Magie ist beim Radio bis heute dabei.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.